Bei bei der vorgezogenen Neuwahl des Parlaments ist Portugal weit nach rechts gerückt. Nach Auszählung fast aller Stimmen gewann das konservative Bündnis Demokratische Allianz (AD) von Spitzenkandidat Luís Montenegro die Abstimmung am Sonntag mit rund 29,5 Prozent.
Nur auf Platz zwei landete demnach die seit Ende 2015 regierende Sozialistische Partei (PS) von Pedro Nuno Santos mit 28,7 Prozent.
Bei der letzten Wahl im Januar 2022 hatte die PS noch mit gut 41 Prozent gewonnen und mit 120 der insgesamt 230 Sitze in der Lissabonner "Assembleia da República" die absolute Mehrheit errungen.
In Portugal könnte ein konservatives Bündnis die Sozialisten aus der Regierung ablösen. Großer Gewinner der Parlamentswahlen war die rechtspopulistische Partei Chega.11.03.2024 | 1:30 min
Chega-Populisten könnten Königsmacher werden
Für den Rechtsruck sei aber in erster Linie nicht die AD, sondern die erst 2019 gegründete populistische Partei Chega (Es reicht) verantwortlich, die beträchtlich zulegte: Von gut sieben Prozent bei der letzten Wahl Anfang 2022 auf nunmehr 18 Prozent. Der Chega-Vorsitzende André Ventura sprach von einem "historischen" Ergebnis für seine Partei. Chega stehe bereit, um eine "stabile Regierung" in Portugal zu bilden.
Die vor allem bei Jüngeren beliebten Rechtspopulisten könnten das Zünglein an der Waage sein, wenn es um die Regierungsbildung geht. Sie könnten drittstärkste Kraft werden. Die Auszählung der im Ausland abgegebenen Stimmen steht noch aus und wird nach offiziellen Angaben mehrere Tage in Anspruch nehmen. Spannend ist auch in Hinblick auf die
Europawahl im Juni, wie stark die Chega abschneidet.
Rechtspopulisten wollen mit dem Thema Wohnungsnot punkten.09.03.2024 | 1:21 min
Eine "große Koalition" von PS und AD gilt eher als ausgeschlossen. Montenegro wird deshalb wohl auf Abkommen mit kleineren Parteien angewiesen sein. Der 51-jährige gelernte Jurist wird in erster Linie auf die Liberale Initiative (IL) zählen, die mit bis zu sieben Prozent rechnen kann.
Neuwahl bereits im Sommer?
Angesichts einer sich abzeichnenden schwierigen Regierungsbildung prophezeiten Beobachter bereits im Vorfeld der Abstimmung eine Neuwahl im Sommer.
Der Hauptgrund: Mit der Chega, der zum ungeliebten "Königsmacher" avanciert, will Montenegro nicht verhandeln. In Portugal gibt es nämlich - ähnlich wie in Deutschland gegenüber der AfD - weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts.
Große Koalition gilt als ausgeschlossen
Die Wahl war von sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie Wohnungsnot und Inflation geprägt, die das Niedriglohnland besonders hart treffen - und die laut Beobachter auch den Nährboden für den Rechtsruck bieten. Seit Ende der Pandemie wird Portugal von einer zunehmenden Streikwelle überrollt: Ärzte, Lehrer, Polizisten und viele andere protestieren immer lauter.
Neben einer lähmenden Immobilienkrise, niedriger Löhne und schlechten Gesundheitsversorgung war Korruption ein bestimmendes Thema des Wahlkampfs.
Lange schien Portugal immun gegen Rechtspopulismus - doch die Zeiten haben sich geändert. Dem Land, bisher durch die Sozialisten regiert, könnte ein Wandel bevorstehen.
Anne Arend, Lissabon
Quelle: dpa, AFP