Drogen: Taugt Portugals liberaler Weg als Vorbild?
Hilfe statt Strafe:Liberale Drogenpolitik: Portugal als Vorbild?
von Johannes Lieber
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Zwei Gramm Kokain in der Tasche: In Deutschland kann das bis zu fünf Jahre Gefängnis bedeuten, in Portugal ist es erlaubt. Warum Experten für den portugiesischen Weg werben.
Während seit 1. April 2024 Cannabis in Deutschland teil-legalisiert ist, ging Portugal 2001 einen größeren Schritt: Die Entkriminalisierung von Drogenkonsum (Symbolbild).
Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Seit dem 1. April gilt in Deutschland das Cannabis-Gesetz. Von Politikern der Ampel wird das als großer Erfolg gefeiert. Vor allem Mitglieder der Union und der AfD sehen darin aber auch eine Gefahr. Ein anderes Land in der EU erlaubt aber noch viel mehr: In Portugal sind seit 2001 Drogen entkriminalisiert - bis zu einer gewissen Menge ist der Besitz und Konsum erlaubt. Drogenhandel bleibt strafbar. Experten sagen: Das sei auch etwas für Deutschland.
Entkriminalisierung von Drogen ist ein Erfolg in Portugal
Einer der Vordenker des "Portugiesischen Modells" ist der Arzt João Castel-Branco Goulão. Er leitet das Institut für Suchtverhalten und Suchtabhängigkeiten in Lissabon. Gegenüber ZDFheute sagt er:
Der Grund für die Reform: Während der 80er und 90er Jahre erlebte Portugal eine Drogenkrise. Über 350 Menschen starben pro Jahr an einer Überdosis illegaler Drogen. Laut dem aktuellen EU-Drogenbericht waren es 2020 nur noch 63. In Deutschland starben im Jahr 2022 insgesamt 1.990 Menschen am Konsum illegaler Drogen.
Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt Portugal mit neun Toten pro eine Million Einwohner deutlich unter dem EU-Schnitt von 18,3.
Lange wurde über die Drogenpolitik in Deutschland diskutiert, nun hat die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag ein Novum festgeschrieben: Cannabis soll legalisiert werden.28.12.2021 | 15:41 min
So funktioniert die Drogenpolitik in Portugal
Die Mengen einer Droge, die mitgeführt werden können, sind in Portugal klar geregelt. Das sind beispielsweise ein Gramm Heroin oder 25 Gramm Cannabis. Wer diese Grenzen einhält, wird bei einer Kontrolle nicht festgenommen. Die Person muss aber ihre Drogen abgeben und sich binnen drei Tagen bei einer Kommission melden. In der sitzen ein Jurist und weitere Fachleute, wie Mediziner oder Psychologen. Sie entscheiden, ob sie die Person als drogenabhängig einstufen oder nicht.
Wenn eine Abhängigkeit erkannt wird, folgt die Einladung in eine Entzugsklinik. Der Besuch ist freiwillig. Wer sich dagegen entscheidet, darf sechs Monate nicht erneut mit Drogen erwischt werden, sonst droht eine Strafe der Kommission. Das können beispielsweise Sozialstunden oder der Entzug des Führerscheins sein.
Nur Menschen, die größere Mengen als erlaubt dabeihaben, werden festgenommen. Diese stehen unter dem Verdacht, Drogen zu dealen, was in Portugal weiterhin verboten ist.
Warum ist Cannabis verboten und warum ist Alkohol erlaubt?11.05.2016 | 9:08 min
Drogenexperte empfiehlt Portugals Modell
Auch über die Landesgrenzen hinaus wird das "portugiesische Modell" positiv bewertet. Bernd Werse leitet das "Centre for Drug Research" an der Universität Frankfurt am Main. Gegenüber ZDFheute spricht er von einem "großen Erfolg".
Die Entkriminalisierung aller Drogen hat laut Werse auch die Justiz entlastet, da "unnötige Verfahren" wegen kleiner Mengen Drogen dadurch weitgehend abgeschafft wurden. Werse empfiehlt, dass auch Deutschland dem "portugiesischen Modell" folgen sollte.
Ecstasy ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden – und gefährlicher. Was haben kriminelle Hersteller und Drogen-Dealer davon? Wo kommen die hochdosierten Pillen her?03.04.2024 | 28:59 min
Drogenbeauftragter kann Entkriminalisierung "viel abgewinnen"
Die portugiesische Drogenpolitik spielt auch in den Überlegungen des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), eine Rolle.
Die Strafen, unter denen Drogenbesitz aktuell in Deutschland steht, würden in der Regel weder den Betroffenen noch der Allgemeinheit helfen, so Blienert. Die Entkriminalisierung nach dem Vorbild Portugals wäre allerdings mit "erheblichen Umbauten" des Justizsystems verbunden.
Quelle: ZDF
Unklar ist zudem, ob eine solche Entscheidung den Rückhalt der Bevölkerung hätte. Die Mehrheit lehnt laut ZDF-Politbarometer aus dem März 2024 sogar die Teil-Legalisierung von Cannabis ab.