Ukraine-Krieg: Wie weit darf Kiew schießen, Herr Pistorius?

    Interview

    Nato-Waffen zur Verteidigung:Wie weit darf Kiew schießen, Herr Pistorius?

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    Macron sagt Ja, Scholz ist skeptisch: Die Frage, ob Kiew mit Nato-Waffen Russland angreifen darf, ist noch nicht beantwortet. Warum das gerade besser ist, erklärt Boris Pistorius.

    SGS Pistorius
    "Darüber spricht man nicht öffentlich", sagt der Verteidigungsminister auf die Frage, ob der Ukraine erlaubt werden soll, mit westlichen Waffen auf russisches Gebiet zu schießen. 30.05.2024 | 6:27 min
    Darf die Ukraine mit Waffen aus Nato-Beständen auf russischem Gebiet zurückschlagen? Die Frage beschäftigt derzeit die westlichen Unterstützer Kiews.
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich bereits mehrmals klar dafür ausgesprochen, ebenso Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt skeptisch.

    Die rote Linie ist das Völkerrecht, diese Linie wird nicht überschritten.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Er wolle verhindern, dass es "zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt". Ähnlich sieht das auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der heute zu seinem dritten Besuch seit dem russischen Angriffskrieg in die Ukraine gereist war.
    Im ZDF heute journal erklärt der SPD-Politiker, …

    … warum man die Waffen-Debatte nicht öffentlich führen soll

    Der Bundeskanzler habe in der Frage, ob die Ukraine russische Gebiete mit westlichen Waffen angreifen dürfe, "völlig richtigerweise zunächst mal auf das Völkerrecht verwiesen", so Pistorius. Auf die Frage, wie Deutschland im Fall eines ukrainischen Gegenschlags reagieren würde, antwortete der Bundesverteidigungsminister:

    Warum sollte ich heute sagen, wie Deutschland reagiert, falls das passiert, das werden wir dann sehen.  

    Boris Pistorius, SPD

    ZDF-Korrespondent Dara Hassanzadeh zugeschaltet aus Odeassa
    Eine Freigabe westlicher Waffen gegen Ziele in Russland sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, so Verteidigungsminister Pistorius. ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh ordnet ein.30.05.2024 | 1:18 min
    Zuvor war er der Frage, was aus deutscher Sicht nun gelte, mehrmals ausgewichen und hatte dies damit begründet, dass man vorsichtiger sein solle mit "unseren geheimen und auch strategisch relevanten Informationen". Das seien Details, "über die man nicht öffentlich spricht".

    Weil man niemals darüber sprechen sollte, wozu man bereit ist, was man zulässt - und was nicht.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Pistorius machte deutlich: "Ich glaube, der Kreml käme im Leben nicht darauf, darüber die Karten offenzulegen. Und deswegen wüsste ich nicht, warum wir es tun sollten." Schließlich habe Deutschland "bislang keine Systeme geliefert, für die es tatsächlich eine Relevanz hätte angesichts ihrer Reichweite".
    Florian Neuhann
    Mit Nato-Waffen russische Ziele angreifen – bisher eine rote Line. Angeregt durch Nato-Generalsekretär Stoltenberg wird darüber nun aber diskutiert. Florian Neuhann berichtet. 30.05.2024 | 1:20 min

    … mit welchen weiteren Hilfen die Ukraine aus Deutschland rechnen kann

    Angereist war der Bundesverteidigungsminister mit einem weiteren Unterstützungspaket im Wert von fast einer halben Milliarde Euro. Dieses enthalte unter anderem Luftverteidigungsflugkörper für IRIS-T, Panzerhaubitzen, Artillerierohre "und vieles andere mehr, was hier dringend gebraucht wird", erklärte Pistorius.
    Für die zur Verteidigung benötigten Patriot-Systeme gäbe es noch keine konkrete Zusage eines westlichen Verbündeten. "Das bedauere ich sehr." Pistorius gab zu Verstehen, dass man "am Ball bleiben" und weiter alles versuche, "damit der eine oder andere diese Position noch einmal überdenkt oder zu einer anderen Entscheidung kommt".
    Pistorius
    Der Bundesverteidigungsminister war heute in der Ukraine und hat weitere Unterstützung versprochen.30.05.2024 | 1:49 min

    … wie er die Verteidigungsfähigkeit der Nato einschätzt

    Einen Bericht der "Financial Times", wonach die Nato laut Kreisen an ihrer eigenen Ostgrenze nicht fünf Prozent der nötigen Luftverteidigung leisten kann, dementierte der Bundesverteidigungsminister. "Meine Zahlen sind anders", sagte Pistorius. Das ZDF-Auslandsstudio in Brüssel hatte die Zahlen auf Basis von Nato-Kreisen zuvor bestätigt.
    Gleichwohl müsse aufgrund des Status Quo die "Rüstungsindustrie in Deutschland, in Europa, aber auch den Vereinigten Staaten von Amerika [...] schneller als bisher hochgefahren werden." Angst aufgrund der eigenen Luftverteidigung machen solle man sich nicht.

    Sorgen machen ist immer richtig, wenn man nicht weiß, wohin die Reise geht. Angst haben sollte man nicht, weil wir ja alles tun, was möglich ist.

    Boris Pistorius, SPD

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    Quelle: ZDF

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