Pistorius: Kriegswirtschaft "wollen wir in Europa nicht"

    Interview

    Pistorius zu Waffenproduktion:Kriegswirtschaft "wollen wir in Europa nicht"

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    Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht Handlungsbedarf bei der deutschen Waffenproduktion. Die Rüstungsindustrie würde aber schon alles dafür tun, die Produktion hochzufahren.

    Anne Gellinek im Gespräch mit Boris Pistorius
    Der Tod des russischen Oppositionellen Nawalny "bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen", so Verteidigungsminister Boris Pistorius.16.02.2024 | 4:53 min
    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gibt einen Rückstand bei der westlichen Waffenproduktion im Vergleich zu Russland zu. Russland sei aber "eine Diktatur und könne alles der Kriegswirtschaft unterordnen" - das wolle man in Deutschland nicht, sagt er im ZDF heute journal.
    Sehen Sie oben das ganze Interview im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Boris Pistorius ...

    ... über den Rückstand bei der Waffenproduktion im Vergleich zu Russland

    "Ja, wir können nicht so schnell so viel produzieren, wie das die Russen können aktuell", gibt der Verteidigungsminister zu.

    Aber ganz ehrlich: Russland ist eine Diktatur. Dort stellt man auf Kriegswirtschaft um und ordnet alles diesem Krieg unter. Das wollen wir in Deutschland, das wollen wir in Europa nicht.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

    Die Rüstungsindustrie werde allerdings ihre Kapazitäten hochfahren, die Lieferketten verkürzen und Firmen im Ausland aufkaufen "und damit alles dafür tun, dass die Produktion hochgefahren wird", meint Pistorius. Entscheidend werde in den nächsten Monaten und Jahren aber vor allem sein, "dass wir nachliefern können".

    ... über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine

    Eine gewisse Zurückhaltung bei Waffenlieferungen, um Machthaber Wladimir Putin nicht zu provozieren, die gab es in den Augen von Pistorius in seiner Partei nicht. "Das nehme ich nicht wahr", sagt er. Allerdings gebe es bei Verantwortungsträgern "notwendigerweise" einen "zweiten Blick": "Was ist richtig? Was ist angemessen? Was verträgt sich mit unseren eigenen Sicherheitsinteressen?".

    Wir haben bislang praktisch alles geliefert.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

    "Wir sind der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine nach den USA", betont Pistorius. "Wir haben erst heute hier wieder ein 1,1 Milliarden Paket für die Unterstützung der Ukraine mitgebracht."

    Zögerlichkeit kann man der Bundesrepublik Deutschland und erst recht auch meiner Partei da definitiv nicht nachsagen.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

    Auch die Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew will Pistorius nicht wieder aufleben lassen. "Taurus hat jetzt nichts zu tun mit dem Tod von Alexej Nawalny und zu Taurus gibt es keinen neuen Stand", sagt er.
    Waffenlieferungen an die Ukraine
    In Brüssel kommen die NATO-Verteidigungsminister zusammen, um über weitere Unterstützung für die Ukraine und den Ausbau der Bündnisverteidigung zu beraten.14.02.2024 | 3:35 min

    ... über stockende Militärhilfe aus den USA

    "Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die Mittel bewilligt werden, dass der Kongress grünes Licht gibt", sagt Pistorius über die stockende Militärhilfe aus den USA.

    Ich werde morgen ganz früh hier auch bei einer Veranstaltung mit Kongressabgeordneten zusammentreffen und noch einmal mit Nachdruck dafür werben, dass diese Gelder freigegeben werden.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

    Es gehe nicht nur um den Kampf gegen den russischen Aggressor, sondern auch um die Frage: "Wie sehr steht die westliche Welt zusammen für die regelbasierte internationale Ordnung?".
    Sollten die US-Hilfsmittel an die Ukraine ausbleiben, wäre das in den Augen des Verteidigungsministers "eine immense Herausforderung" für Europa. Es sei aber - und das habe Donald Tusk schon gesagt - "keine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Willens und der Kapazitäten, insbesondere der Produktion."

    Ich wiederhole nochmal: Ich rechne nicht damit, weil es auch für die Amerikaner ein wichtiger Beitrag wäre, die Ordnung in der Welt zu sichern.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)

    Olaf Scholz und Joe Biden sitzen vor einem Kamin.
    Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden sprachen sich für weitere Militärhilfe aus.10.02.2024 | 1:25 min

    ... über die Finanzierung des Zwei-Prozent-Ziels

    Damit das Zwei-Prozent-Ziel der Nato von Deutschland auch in den nächsten Jahren erfüllt werden kann, muss die Finanzierung geklärt werden. Bis 2027 sei durch das Sondervermögen diese Finanzierung gesichert, erklärt Pistorius. "Das heißt, ab 2028 braucht es dann Geld". Darüber würden zur Zeit Verhandlungen laufen.
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    Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts - das ist die vereinbarte Zielmarke in der Nato. 12.02.2024 | 1:43 min
    Pistorius hält an einem sogenannten "Einzelplan" fest, ein weiteres Sondervermögen hätte seines Erachtens einige "Nachteile". "Die Inflation - mal niedriger, mal höher - frisst, während wir es ausgeben, an dem Sondervermögen", lautet sein erster Punkt.
    Gleichzeitig müssten neue Systeme und Waffen auch gewartet und betrieben werden - diese Kosten würden nicht durch ein Sondervermögen kompensiert werden können. Mit einem "Einzelplan" hingegen könne man auf solche Kosten reagieren und den Plan anheben, so Pistorius.
    BELGIUM-NATO-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-DIPLOMACY
    18 Mitglieder werden das Zwei-Prozent-Ziel bei den Militärausgaben erreichen, auch Deutschland - erstmals wieder.14.02.2024 | 2:58 min

    ... über den möglichen Tod von Alexej Nawalny

    Der vermeldete Tod von Alexej Nawalny "bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen und unseren Blick auf Wladimir Putin als das, was er ist", sagt Pistorius.
    Man müsse kein Kriminalist sein, um einen "dringenden Tatverdacht" zu haben, so der Minister weiter.
    Olaf Scholz bei Pressekonferenz in Berlin
    Bundeskanzler Olaf Scholz über die Meldung, dass Kremlkritiker Alexej Nawalny tot sein soll. 16.02.2024 | 1:11 min
    Das Interview führte ZDF-heute-journal-Moderatorin Anne Gellinek.

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