PFAS im Rhein: Ewigkeitschemikalien belasten die Niederlande

    Trinkwasser:Deutsches Gift belastet Rhein in Niederlanden

    von Ralph Goldmann, Britta Behrendt
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    Die Flusswasserwerke kämpfen mit der Giftlast von sogenannten Ewigkeitschemikalien im Rhein - und verlangen von der Bundesregierung, für diese Grenzwerte festzusetzen.

    Niederlande fordern weniger deutsche PFAS-Einleitungen in Rhein
    Niederländische Wasserversorger, die zum Herstellen von Trinkwasser auf den Rhein angewiesen sind, leiden unter zu hohen PFAS Werten im Rhein. Deutschland trägt eine Mitverantwortung.
    Quelle: dpa

    Es sind nur vier Buchstaben, die bei jedem Toxikologen die Alarmglocken schrillen lassen: PFAS. Die Abkürzung steht für per- and polyfluoroalkyl substances, zu deutsch: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Sie sind aus der deutschen Industrie kaum wegzudenken und finden sich beispielsweise, weil sie wasser- und schmutzabweisend sind, auch in Anoraks oder Wanderschuhen.

    PFAS : Gifte reichern sich in der Umwelt an

    Allerdings sind viele PFAS, von denen es mehr als 10.000 verschiedene Substanzen gibt, hochgiftig, vor allem für die Entwicklung von Kindern. PFAS stehen zudem unter anderem im Verdacht, Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs zu verursachen. Ein umfassendes PFAS-Verbot wird deshalb immer wieder diskutiert, allerdings fehlen noch Alternativen. Für Gesundheit und Umwelt sind die sogenannten "Ewigkeitschemikalien" ein großes Problem. Denn PFAS bauen sich auch nach Jahrzehnten nicht ab, und reichern sich in der Umwelt an.
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    Das merken sie in den Niederlanden. Dort werden fünf Millionen Menschen mit gereinigtem und gefiltertem Wasser aus den Flüssen und Kanälen versorgt. An einer Messstelle bei Lobith am Rhein, gleich hinter der Grenze bei Emmerich, ist die PFAS-Belastung schon drei bis vier Mal so hoch wie der zulässige Grenzwert in den Niederlanden. "Wir haben eine Übersicht über mehr als 40 Unternehmen im Rheinbecken, die PFAS verwenden oder sogar herstellen, und wir vermuten, dass sie alle auf die eine oder andere Weise zur Gesamtbelastung des Rheins mit PFAS beitragen", sagt Gerard Stroomberg vom Verband der niederländischen Flusswasserwerke RIWA-Rijn im Gespräch mit dem ZDF. Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind.

    Deutsche PFAS-Chemikalien landen im Rhein

    Das tun sie offenbar vollkommen legal. Denn in Deutschland gibt es keine einheitlichen Grenzwerte, sondern nur regional unterschiedliche Empfehlungen der Behörden. Bei der Herstellung gelangen über industrielle Abwässer immer wieder PFAS in Gewässer und Flüsse - auch in den Rhein. Auf dem Weg von Basel im Süden nach Emmerich im Nordwesten sammelt sich also so einiges an und lässt die Werte von Arnheim bis Rotterdam steigen.
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    In den niederländischen Wasserwerken muss all das herausgefiltert werden. "Wenn wir das herausholen müssen, bedeutet das höhere Kosten. Es bedeutet auch, dass neue Abfälle entstehen, denn obwohl wir PFAS aus dem Trinkwasser entfernen, müssen wir sie danach immer noch selbst entsorgen", sagt Stroomberg. Seiner Ansicht nach müssten PFAS dort herausgefiltert werden, wo sie entstehen - also vor allem in Deutschland.
    Stroomberg hat deshalb einen Brief an die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) geschrieben. Darin bedankt er sich zwar dafür, dass Deutschland ein EU-weites Verfahren zur Reduzierung von PFAS angestossen habe, fordert aber auch:

    Angesichts der Schädlichkeit von PFAS-Verbindungen für die Umwelt und insbesondere die Trinkwasserversorgung in den Niederlanden möchten wir Sie dringend bitten, auf Bundesebene Emissionsgrenzwerte für gereinigte Industrieabwässer festzulegen

    Gerard Stroomberg, Verband der niederländischen Flusswasserwerke RIWA-Rijn

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    Bundesregierung wartet auf europäische Lösung

    Doch die Antwort dürfte die niederländischen Wasserversorger ernüchtern. Auf ZDF-Anfrage teilte eine Ministeriumssprecherin zwar mit, es bestehe Handlungsbedarf, verweist aber auf derzeit laufende Verhandlungen auf EU-Ebene. Ab Anfang November soll ein Richtlinientext erarbeitet werden. Rechtsverbindliche Grenzwerte wie in den Niederlanden soll es offenbar nicht geben. "Eine detaillierte Positionierung der Bundesregierung zur Beschränkung und zu möglichen Ausnahmen wird erst nach Abschluss der wissenschaftlichen Vorarbeiten und auf Basis des Regelungsvorschlags der EU-Kommission erfolgen", so die Sprecherin.
    Gerard Stroomberg kann das nicht verstehen. Denn in den Niederlanden scheinen die Grenzwerte zu wirken. Ein Unternehmen in Dordrecht, das zu viel PFAS in die Flüsse geleitet hatte, wurde zu einer empfindlichen Strafe verdonnert, so dass die Produktion eingestellt werden musste: "Wir sehen also, dass eine gute Überwachung und Durchsetzung tatsächlich Wirkung zeigen können".

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