Österreich: Drei Parteien sollen’s in Wien richten
Analyse
Regierungsbildung in Österreich:Drei Parteien sollen’s in Wien richten
von Benedikt Karl, Wien
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ÖVP, SPÖ und Neos haben sich auf eine Regierung geeinigt. Sicherheit und Wohlstand sollen im Zentrum stehen. Eine Hürde könnte das Bündnis jedoch noch zu Fall bringen.
Nach zähen Verhandlungen haben sich ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos im zweiten Anlauf auf die Bildung einer Regierung geeinigt. Es ist die erste Dreier-Koalition in Österreich.27.02.2025 | 2:38 min
Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes.
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Es ist eine Mischung aus Erschöpfung und Erleichterung, mit der ÖVP-Chef Christian Stocker die Pressekonferenz am Donnerstag eröffnet. Von langen Verhandlungsnächten und Augenringen ist die Rede. Doch jetzt steht sie, die Einigung: Die konservative ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos wollen die nächste Regierung in Österreich bilden.
Verschärfungen bei Asyl und Migration
Mehr als 200 Seiten umfasst ihr Programm. Es trägt den Titel "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich". Das Richtige, darin sind sich die drei Parteien einig, seien Kompromisse, wobei alle betonen, dass sie sich keinesfalls bloß auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hätten. Neben Stocker präsentieren die Parteivorsitzenden der SPÖ, Andreas Babler, und Beate Meinl-Reisinger von den Neos ihre Vorhaben.
Für Kathrin Stainer-Hämmerle ist das neue Bündnis ein "Wagnis". Die Politikwissenschaftlerin geht jedoch davon aus, dass jede Partei etwas umsetzen könne, was ihre Wählerschaft befriedige.
Entsprechend lässt sich in einzelnen Themenfeldern die Handschrift von einer der drei Parteien erkennen. Im Bereich Asyl und Migration zeichnen sich Verschärfungen ab, wie sie die ÖVP gefordert hatte. So soll der Familiennachzug von Asylbewerbern vorübergehend ausgesetzt werden. Und sollte die Zahl der Asylgesuche wieder steigen, könnte die neue Regierung versuchen, einen völligen Aufnahmestopp mittels Notfallklausel durchzusetzen.
Herbert Kickl, Chef der rechten FPÖ, will Österreichs Kanzler werden. Für die Regierungsbildung will er mit der konservativen ÖVP verhandeln und droht zeitgleich mit Neuwahlen.08.01.2025 | 6:14 min
Mietpreisbremse und Entbürokratisierung
Gegen radikale Islamisten will die Koalition das Straf- und Vereinsrecht verschärfen. Für Mädchen unter 14 Jahren soll ein rechtlich heikles Kopftuchverbot kommen. Und Internetplattformen sollen - auch angesichts des Anschlags in Villach Mitte Februar - im Kampf gegen Online-Radikalisierung stärker in die Pflicht genommen werden.
Die SPÖ konnte sich mit einer lange umstrittenen Bankenabgabe durchsetzen. Darüber hinaus sollen Immobilien- und Energiekonzerne stärker zur Kasse gebeten werden. Und als Maßnahme gegen die Teuerung hat sie einen Mietpreisstopp für 2025 und nur moderate Steigerungen in den Folgejahren erwirkt.
Für die Neos sind ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, Maßnahmen zur Entbürokratisierung und die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft zentrale Anliegen in der Koalition.
Nachdem Gespräche im Januar gescheitert waren, haben sich die Parteispitzen der ÖVP, der SPÖ und den Neos mit dem Bundespräsidenten getroffen. Sie wollen eine Koalition bilden.22.02.2025 | 0:25 min
Mehr Kompromissbereitschaft im zweiten Anlauf
Ein möglicher Asylstopp und die Bankenabgabe waren in dieser Konstellation lange undenkbar. Denn ÖVP, SPÖ und Neos haben nach der Wahl im Herbst schon einmal über eine Regierung verhandelt - und sind im Januar gescheitert. Danach versuchten es die rechtsnationale FPÖ und ÖVP miteinander, ebenfalls vergebens.
Ein drohender FPÖ-Kanzler Kickl dürfte die Kompromissbereitschaft gesteigert haben, und Neuwahlen wollten die drei künftigen Koalitionäre laut Politologin Stainer-Hämmerle unbedingt verhindern. "Jetzt haben die anderen, wahrscheinlich mit Zähneknirschen, zugestimmt", sagt die Expertin. Darüber hinaus sieht sie einen weiteren Unterschied:
Grundsätzliches Vertrauen besteht miteinander. Das war bei FPÖ und ÖVP noch anders.
Viele der Vorhaben der Dreierkoalition stehen jedoch unter einem gewichtigen Vorbehalt: dem Budget. Denn Österreich muss sparen. Ein drohendes EU-Defizitverfahren wollen ÖVP, SPÖ und Neos abwenden. 15 Milliarden Euro müssen sie dafür bis 2026 einsparen. "Das werden jetzt zwei harte Jahre werden", kündigte Neos-Chefin Meinl-Reisinger an.
Läuft alles nach Plan, könnte die neue Regierung am Montag - 155 Tage nach der Wahl - vereidigt werden. Zuvor müssen die Parteien dem Verhandlungspapier noch zustimmen. Bei ÖVP und SPÖ gilt das als Formsache. Doch die Neos befragen ihre Mitglieder - und benötigen eine Zweidrittelmehrheit. Kommt die am Sonntag nicht zustande, könnte sich die längste Regierungsbildung in der Geschichte Österreichs um ein weiteres Kapitel verlängern.
Quelle: dpa
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