Regierungsbildung in Österreich "kann sehr zäh werden"

    Interview

    Wie weiter nach Österreich-Wahl?:Experte: "Es kann wirklich sehr zäh werden"

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    In Österreich wurde die rechtspopulistische FPÖ erstmals stärkste Kraft bei einer Nationalratswahl. Die politische Ausgangslage ist schwierig. Ein Politik-Experte erklärt.

    Österreich-Wahl
    In Österreich ist die rechtspopulistische FPÖ erstmals bei einer Nationalratswahl als stärkste Kraft hervorgegangen. Fraglich ist aber, ob die FPÖ den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen wird.30.09.2024 | 3:04 min
    ZDFheute: Herr Hofer, wie historisch ist dieses Ereignis jetzt und was bedeutet es für Österreich?
    Thomas Hofer: Das ist ein historisches Ereignis, eine historische Wahl, und zwar in zweifacher Hinsicht, nicht nur unter Anführungszeichen, dass die FPÖ da erstmals als deutlich Erster durchs Ziel geht, das war bei Europawahlen davor auch schon der Fall, aber erstmals bei Nationalratswahlen - das darf man nicht vergessen.

    Die beiden großen Lager - historisch betrachtet - der Zweiten Republik, SPÖ und ÖVP, sind gemeinsam nicht mehr auf die 50 Prozent Wähleranteil gekommen.

    Dr. Thomas Hofer, Politikwissenschaftler

    Sie haben zwar noch eine zarte Mehrheit an Mandaten, aber nur deswegen, weil es eben einige Kleinstparteien dann nicht in den Nationalrat geschafft haben.
    Österreich, Wien: Christian Hafenecker (l) und Michael Schnedlitz nehmen an der FPÖ-Wahlparty im Rahmen der Nationalratswahl teil.
    Österreich steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Um regieren zu können, bräuchte die rechtspopulistische FPÖ Koalitionspartner. 30.09.2024 | 1:32 min
    ZDFheute: Blicken wir auf die Lage der konservativen Volkspartei (ÖVP). Wie fest sitzt Nehammer im Sattel?
    Hofer: Derzeit ist Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Partei unbestritten, aber natürlich muss er jetzt auch liefern. Es gibt schon Kräfte in der ÖVP, die meinen, dass man aus inhaltlichen Gründen, aber auch aus strategischen überlegen könnte, mit der FPÖ in eine Koalition zu gehen. Denn es gibt einige Landtagswahlen, bei denen die ÖVP dann wahrscheinlich einiges verlieren würde - zugunsten der Freiheitlichen, wenn man sie als stärkste Kraft quasi umgeht.

    Nehammers Strategie aber ist klar: Er will natürlich Kanzler bleiben und unter einem Herbert Kickl kann er sicher nicht Teil der Regierung sein.

    Thomas Hofer, Politikberater

    Insofern wird er versuchen, da eben mit der SPÖ und gegebenenfalls den NEOS, den Liberalen, einen Kompromiss zusammenzuzimmern.
    Wahl in Österreich: Vorläufiges Endergebnis
    ZDFheute Infografik
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    ZDFheute: Nehammer hat eine Koalition mit der FPÖ mit Kickl ausgeschlossen. Er muss sich also nach jetzigem Stand einen Koalitionspartner suchen. Wie wahrscheinlich ist eine Koalition mit der SPÖ?
    Hofer: Natürlich ist es so, dass es viele Kräfte gibt, die in diese Richtung arbeiten, weil man sich auch selber verwirklichen kann und man dann auch schwarz-blau verhindern kann. Die Frage ist, wie man da mit Andreas Babler umgeht.

    Thomas Hofer
    Quelle: zdf

    Dr. Thomas Hofer ist Politikberater und einer der bekanntesten Politik-Analysten Österreichs.

    Er ist eigentlich einer, der sich durchaus auch hätte die Option Opposition vorstellen können, aber eben die staatstragenden Kräfte, die bisher schon immer wieder mal auf so eine Zusammenarbeit mit der ÖVP getrimmt waren, die ziehen jetzt ganz sicherlich in Richtung einer Koalition mit der ÖVP.
    Möglicherweise braucht es da aber eben auch die Liberalen, was die Verhandlungen noch einmal komplizierter macht, denn man hat nur eine hauchdünne Mehrheit im Parlament und das kann sehr, sehr fragil werden.
    Britta Hilpert | ZDF-Korrespondentin in Wien
    Es könne Monate dauern, "bis hier ein neuer Kanzler einzieht". Es sei nicht sicher, dass die FPÖ "das Kanzleramt erringen wird", sagt Britta Hilpert, ZDF-Korrespondentin in Wien.30.09.2024 | 3:15 min
    ZDFheute: Muss denn ein dritter Partner mit ins Boot?
    Hofer: Ich glaube, es spricht viel dafür, dass man sich einen dritten Partner ins Boot holt. Nicht aus verhandlungstechnischen Gründen, das macht das natürlich nur komplizierter, sondern im Regierungsalltag.
    ZDFheute: Kickl steht vor einer Brandmauer, erwarten ihn also weitere fünf Jahre Opposition oder sehen Sie noch Chancen für die FPÖ zu regieren?
    Hofer: Er ist durchaus auch vorbereitet auf weitere Jahre in der Opposition, denn das Emotionsmanagement beherrscht er sehr, sehr gut. Das hat man schon in den vergangenen Jahren gesehen, wo er das Thema Covid und die Russland-Sanktionen sehr gut kampagnisiert hat. Und natürlich würde er als großer Wahlsieger außen vor gelassen, was das Kanzleramt angeht.

    Dann würde er natürlich de facto absammeln gehen - bei den nächsten Wahlen, einmal regional und dann wohl auch in Richtung der nächsten Nationalratswahlen.

    Dr. Thomas Hofer, Politikwissenschaftler

    Sitzverteilung im Nationalrat in Österreich
    ZDFheute Infografik
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    ZDFheute: Wie kann die FPÖ das für sich nutzen, wenn sie ausgeschlossen wird?
    Hofer: Wird die FPÖ außen vor gelassen bei einer Koalitionsbildung, wann auch immer diese stattfindet, dann kann sie ganz sicherlich noch einmal zulegen. Zuerst einmal bei den Landtagswahlen, die da natürlich laufend daherkommen in der österreichischen Politiklandschaft und dann natürlich aber auch in Richtung der Nationalratswahlen. Man darf ja nicht vergessen, dass Kickl bisher schon das Narrativ des Anti-Establishment-Kandidaten aufgebaut hat.
    ZDFheute: Ein Ausblick in die Koalitionsverhandlungen: Wie langwierig wird es?
    Hofer: Es kann wirklich sehr zäh werden, denn es wird jetzt mal wohl eine Phase unbestimmter Länge vorgeschaltet sein: Sondierungsgespräche, in denen man mal absteckt und auslotet was überhaupt geht, inhaltlich und auch personell.

    Wenn bis Weihnachten die Regierung steht, dann wäre das früh.

    Dr. Thomas Hofer, Politikwissenschaftler

    Das Interview führte Ariane Dörendahl.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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