Trumps Allianz mit Tech-Konzernen: Ökonomin warnt vor Gefahr
Interview
Kritik an Trumps Tech-Allianz:"Sie können bestimmen, was Menschen denken"
|
Schon vor Jahren warnte Ex-Harvard-Professorin Shoshana Zuboff vor den Risiken des Überwachungskapitalismus. Mit der neuen Trump-Regierung sieht sie Demokratie weltweit in Gefahr.
Mit Hilfe der Tech-Giganten aus dem Silicon Valley hat Donald Trump das Weiße Haus zurückerobert. Wer sind diese Milliardäre? Was wollen sie erreichen? 04.03.2025 | 44:05 min
US-Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff ist eine scharfe Kritikerin des "Überwachungskapitalismus", bei dem Nutzerdaten dazu dienten, das künftige Verhalten der Menschen vorherzusagen und zu beeinflussen. Tech-Konzerne wie Google hätten den digitalen Raum gefüllt und nicht die Politik, um Demokratie oder Institutionen zu stärken, sagte die ehemalige Harvard-Professorin dem ZDF. Lesen Sie hier das ausführliche Interview:
ZDFheute: Gab es so etwas wie eine Ursünde, die unsere Gesellschaft in die Abhängigkeit der großen Tech-Konzerne gebracht hat?
Shoshana Zuboff: Traurigerweise haben uns demokratische Politiker das eingebrockt. 1997 gaben Präsident Bill Clinton und sein Vize Al Gore Richtlinien für die Digitalwirtschaft heraus. Im digitalen Zeitalter hätten liberale Regierungen das Internet nutzen können, um Demokratie, ihre Werte, Prinzipien und Institutionen zu stärken. Stattdessen aber nutzten sie es als Motor für Kommerz und Wirtschaftswachstum.
Google und Co. füllten den digitalen Raum, denn Clinton und Gore setzten auf radikale Marktöffnung und die neoliberale Ideologie eines Milton Friedman. Scheinbar hatten sie wenig Vertrauen in die Demokratie und ließen der Privatwirtschaft den Vortritt. Sie fanden "die Regierung ist zu langsam und muss den Unternehmen den Weg frei machen".
Quelle: Privat
... ist Wirtschaftswissenschaftlerin, Schriftstellerin und Aktivistin und hat unter anderem das Buch "Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus" veröffentlicht. Sie ist emeritierte Professorin an der Harvard Business School.
Und so rissen sich die Konzerne das Internet unter den Nagel. Und bekamen sogar die Hoheit über Bereiche wie Datenschutz und Cyber-Sicherheit. Was für eine Tragödie!
Als klar wurde, dass die Selbstregulierung nicht funktionierte, da veränderten die Terroranschläge vom 11. September alles.
„
Shoshana Zuboff, Wirtschaftswissenschaftlerin
Jetzt sollte "total information awareness" herrschen - Massenüberwachung. Und da waren die Internetfirmen gefragt. Damit entstand, was ich "Überwachungskapitalismus" genannt habe.
ZDFheute: Was konnten die Tech-Firmen mit unseren Nutzerdaten anfangen?
Zuboff: Wir alle hinterlassen Spuren im Internet. Google hat als Erster erkannt, wie man sie sammeln und nutzen kann. Aus den Signalen kann man Voraussagen über unser Verhalten treffen. Die "Klickrate" hat die Werbeindustrie revolutioniert und gezielte Werbung ermöglicht. So wurde Google reich und mächtig.
Sie wussten, dass das Diebstahl war und dass die User rebellieren würden, sollte es bekannt werden. Also taten sie es heimlich und belogen die Öffentlichkeit, während sie Daten ernteten - über unsere persönlichen Vorlieben, sexuelle Orientierung, politische Zugehörigkeit und so weiter. Privatsphäre war für sie eine Lachnummer. Der Überwachungskapitalismus wurde möglich, weil die Nachrichtendienste der westlichen Welt ihre Datenernte nutzen konnten.
ZDFheute: Und wie spielt das Ganze Donald Trump und seinen Freunden der Big Tech, allen voran Elon Musk, in die Hände?
Zuboff: Es ist nicht nur Musk, sondern auch Apple, Google, Meta, Alphabet, Amazon, denen Donald Trump Deregulierung versprochen hat. Im Gegenzug sorgen die Überwachungskapitalisten bei Bedarf für Desinformation, die sie entsprechend ihrer fast unbegrenzten Möglichkeiten von Datensammlungen und Verhaltensvorhersagen streuen können.
Sie können bestimmen, wie sich Menschen benehmen. Was sie denken, wen sie treffen, was sie lesen, wohin sie gehen und was sie tun.
„
Shoshana Zuboff, Wirtschaftswissenschaftlerin
Donald Trump und die milliardenschwere Tech-Elite aus dem Silicon Valley bauen Amerika radikal um. Macht und Populismus rütteln an den Grundfesten der Demokratie.21.11.2024 | 15:51 min
Sie besitzen und kontrollieren die Herstellung und die Verbreitung des gesamten Menschheitswissens und aller Informationen in unserer Zeit. Diese Werkzeuge und die Daten über alle Menschen sind in den Händen einer kleinen Gruppe von Leuten, die nichts als Verachtung für uns übrig haben und denen Demokratie nichts bedeutet.
Von ein solchen Machtfülle konnten die Kaiser und Paschas und Räuberbarone der Weltgeschichte nur träumen. Und es gibt nichts, das sie fürchten müssen - außer gesetzliche Kontrollen.
Überwachung im Supermarkt. Diese Methoden werden schon genutzt. 11.09.2017 | 1:51 min
ZDFheute: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für unsere Gesellschaft?
Zuboff: Die Konzerne sind zu Trump gekommen, weil er sie vor dem Gesetz beschützen will. Und dafür stellen sie ihm ihre Manipulationswerkzeuge zur Verfügung. Wenn es ihm passt, kann er die nutzen, um die Öffentlichkeit aufzustacheln gegen missliebige Institutionen, die Umweltbehörde EPA oder die Entwicklungshilfe USAID.
Er kann Misstrauen säen, demokratische Einrichtungen schwächen, er kann Menschen einander entfremden, sie "de-sozialisieren". Die Gesellschaft wirkt nicht mehr zusammen, sondern jeder für sich versinkt in einem Sumpf der Lügen. Und niemand kann mehr sagen, was stimmt und was nicht. Das zerreißt unsere Gesellschaft.
Elon Musk attackiert die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung. Auf seiner Kurznachrichtenplattform X hetzt er auf, interagiert mit Rechtsextremen und beschimpft Gegner.11.03.2025 | 44:30 min
ZDFheute: Kann man die Entwicklung noch aufhalten?
Zuboff: Als den Überwachungskapitalisten das Feld überlassen wurde, begann die große Zersetzung, die mittlerweile alles erfasst. Das kann keine Demokratie überleben.
Wir taumeln in eine Dystopie und fragen uns: Wird Selbstbestimmung dieses Jahrhundert überleben oder werden wir unter das Joch von Maschinen und ihren Herrschern kommen?
„
Shoshana Zuboff, Wirtschaftswissenschaftlerin
Dabei fürchten die Überwachungskapitalisten nichts mehr als die Demokratie, die sie durch die Algorithmen-Herrschaft ersetzen wollen. Wir hätten denen sagen müssen: Nein, ihr habt kein Recht, unser Leben in eure Daten zu verwandeln und sie als Verfügungsmasse zu nutzen, um damit reich und mächtig zu werden. Ihr habt uns bestohlen und das sollte bestraft werden.
Mit der neuen US-Regierung breche für Europa eine schwierige Zeit an, sagt ZDF-Korrespondent Ulf Röller. Trump sehe in einem geschwächten Europa einen Vorteil für die USA. 14.02.2025 | 13:48 min
Deutschland und die Europäische Union müssen jetzt die Demokratie stärken. Das Geschäftsmodell der Tech-Giganten muss aufgebrochen werden, denn ihr Gewinn wird generiert aus Schnüffelei, Aneignung und Diebstahl. Das Internet könnte ein ebenes Spielfeld für alle sein und nicht die Domäne einiger weniger Großkonzerne.
Die USA werden zurzeit von ihnen verschlungen, aber ich hoffe, dass Deutschland und die EU sich auf ihre Macht besinnen. Wenn sie Grundrechte und Prinzipien hochhalten, dann können sie das Ruder herumreißen für alle liberalen Gesellschaften weltweit. Dafür werden sie gebraucht.
Das Interview führte Gert Anhalt.
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.