Nach Frauenprotest: Neue öffentliche Toiletten in Amsterdam

    Gleichberechtigtes Urinieren:Amsterdams Frauen erkämpfen sich Toiletten

    Narin Sevin Dogan
    von Narîn Şevîn Doğan
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    Vier Millionen Euro will Amsterdam in öffentliche Toiletten für Frauen investieren. Nach einem jahrelangen Kampf von Frauen, die für das Urinieren auf der Straße verurteilt wurden.

    Eine öffentliche Toilette steht auf einem Grünstreifen mit Gehweg zwischen zwei Straßen.
    In Amsterdam wird nach Frauenprotesten mehr Geld in öffentliche Toiletten investiert. Auch der Frauenbeirat in Berlin bemängelt die kostenpflichtige Nutzung von Klos ohne Urinal.
    Quelle: dpa

    Wer kennt es nicht? Man hat die ganze Nacht durchgetanzt, vielleicht sogar getrunken und irgendwann tritt man den Heimweg an. Und dann meldet sich auf einmal die Blase. Für Frauen oft eine unangenehme Ankündigung, denn es ist nicht immer einfach, spontan eine Toilette im öffentlichen Raum zu finden. Genau das ist Geerte Piening an einem Abend im Jahr 2015 passiert.
    Im Amsterdamer Viertel Leidseplein, wo das Nachtleben pulsiert, macht sich der Harndrang bei ihr bemerkbar. Weil es nach Ladenschluss ist und die nächste Toilette zwei Kilometer entfernt ist, entscheidet sich Geerte Piening, gedeckt von ihren Freundinnen, auf dem Gehweg zu urinieren. Die Polizei entdeckt sie und verhängt eine Geldstrafe von 140 Euro für das Wildpinkeln.
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    Frau wollte Geldstrafe fürs Wildpinkeln nicht akzeptieren

    Geerte wollte die Geldstrafe nicht akzeptieren, für sie eine Ungerechtigkeit.

    Es gab eine Menge Urinale für Männer in der Nähe, aber ich konnte nirgendwo pinkeln gehen.

    Geerte Piening, Aktivistin

    Die damals 21-Jährige empfand das als Problem. Sie legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und wies darauf hin, dass es in Amsterdam nur drei öffentliche Toiletten für Frauen, aber 35 Urinale für Männer im öffentlichen Raum gebe. Das beträfe nicht nur Frauen, sondern auch Menschen im Rollstuhl. Zwei Jahre hörte sie nichts, wurde dann vor das Gericht geladen, weil sie die ausstehende Geldstrafe nicht beglichen hatte. Der Richter lehnte ihren Einspruch ab, reduzierte ihre Geldstrafe aber auf 90 Euro. Sie hätte trotz des Mangels an Frauentoiletten ein Pissoir benutzen können. "Es mag nicht angenehm sein, aber es ist möglich", argumentierte der Richter.
    Eine Schultoilette mit Waschbecken im Vordergrund.
    Eine "Toilette für alle" - das gibt es an der Sägefeldschule in Ulm.18.07.2022 | 2:02 min

    Kampf für öffentliche Toiletten mit "Pinkelprotesten"

    Nach der Verurteilung folgte ein neunjähriger Kampf von ihr und Aktivist*innen für "gleichberechtigtes Urinieren". In Amsterdam und anderen Städten der Niederlande wurde protestiert. Piening rief über die Jahre immer wieder zu "Pinkelprotesten" auf, bei denen Frauen demonstrativ in Pissoirs oder auf den Gehweg urinierten.

    Frauen im ganzen Land sind eingeladen, auf die (Un-)Möglichkeit des Urinierens in ein für Männer gebautes Pissoir hinzuweisen.

    Organisator*innen von "Pinkelprotesten"

    Amsterdam investiert vier Millionen in öffentliche Toiletten

    Die jahrelangen Proteste haben nun Früchte getragen. Amsterdam will insgesamt vier Millionen Euro in öffentliche Toiletten investieren, die alle barrierefrei nutzen können. Ab Oktober sollen die ersten dieser neuen Toiletten zur Verfügung stehen. Geerte Piening unterstützt die Investition in neue Toiletten, sagte sie in einem Interview mit dem niederländischen Fernsehsender NH.

    Das hat recht lange gedauert, aber dass das nun geschieht, ist sehr gut.

    Geerte Piening, Aktivistin

    Städte seien größtenteils von Männern für Männer gebaut worden, so Piening. Es sei nicht überraschend, dass es mehr Urinale für Männer gebe als barrierefreie Toiletten für alle. Dr. Mary Dellenbaugh-Losse berät Kommunen und Stadtplaner*innen zu diversen Perspektiven, um vermeidliche Diskriminierung zu verhindern.

    Wenn wir nur eine homogene Gruppe von Planenden haben, dann gibt es womöglich blinde Flecken in ihrer Wahrnehmung. Wir helfen, den Planenden das zu sehen, was sie nicht sehen.

    Dr. Mary Dellenbaugh-Losse, Stadtforscherin

    Eine Rolle Toilettenpapier liegt auf einer Kloschüssel
    Toilettenpapier ist ursprünglich als Recycling-Idee entstanden. Davor gab es von Moos über Stoffe bis hin zum schlichten Schwamm allerlei kreative Möglichkeiten. Vielleicht ist ja eine Inspiration dabei?26.03.2020 | 3:27 min

    Forderung nach kostenlosen Toiletten in Deutschland

    Mit ihrem Büro "Urban Policy" führt Dellenbaugh-Losse Gender-Checks für bestehende Räume, aber auch für die Bauplanung durch. In Deutschland ginge es beim "gleichberechtigten Urinieren" weniger um fehlende Toiletten, sondern eher um eine Ungerechtigkeit bei den Kosten. In Berlin beispielsweise ist die Nutzung von Urinalen kostenlos, öffentliche Anlagen mit Sitz-Toiletten, die von Frauen genutzt werden, kosten allerdings 50 Cent. Das bemängelte der Frauenbeirat bei der Gleichstellungsbeauftragten.

    Dies stellt eine direkte Ungleichbehandlung von Menschen dar, die nicht im Stehen pinkeln / Urinale benutzen können (Männer). Davon sind unter anderem viele Frauen, Kinder, Menschen mit Beeinträchtigung und Senior*innen betroffen.

    Offener Brief des Frauenbeirats Berlin

    Auch in Köln war die Situation bis 2022 so. Die kostenlose Nutzung der Urinale wurde von der Stadt bis dahin damit begründet, dass sie ein wirksames Mittel seien, um das Wildpinkeln einzudämmen. Nun sind aber alle Toiletten kostenlos, nachdem der Gleichstellungsausschuss in Köln beschlossen hat, das zu ändern.
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    Grafiken

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