30 Jahre Nein zur EU:Norwegen und die ewige EU-Skepsis
30 Jahre ist es her, dass die Norweger zum letzten Mal über einen Beitritt zur Europäischen Union abgestimmt haben. Viele Politiker sind dafür, doch die Bevölkerung ist dagegen.
Die Skepsis hält an: Norwegen ist ein Land, das sich standhaft gegen einen EU-Beitritt wehrt.
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"Ich bin 43 Jahre alt und habe noch nie meine Meinung zu einer möglichen EU-Mitgliedschaft äußern dürfen", klagt Guri Melby, die Vorsitzende der liberalen Partei Venstre. Ein großer Teil der heutigen Wahlberechtigten sei nie gefragt worden. "Das finde ich undemokratisch." Sie fordert eine neue Debatte über Norwegens Verhältnis zur
EU. Doch auf breite Unterstützung stößt ihre Partei im Parlament nicht.
Zwei Mal hat es in der Geschichte Norwegens Volksabstimmungen über den Beitritt gegeben, 1972 und 1994. Beide Male lehnte eine knappe Mehrheit ab, obwohl die Regierungsparteien dafür waren. Seitdem hat sich keine Regierung getraut, eine dritte Volksabstimmung vorzuschlagen.
Norwegen gilt als eine der einsamsten, aber auch schönsten Regionen der Erde. Die Reise beginnt in Bergen und führt über die Lofoten und Tromsø bis zum Nordkap und Kirkenes Bay.
30.11.2021 | 43:10 min
EU-Nein würde Debatte für 40 Jahre beenden
Denn die Skepsis der Norweger gegenüber Brüssel ist in den letzten 30 Jahren nicht gewichen. Eine Umfrage des Analysebüros Opinion im August zeigte: 30 Prozent sind für eine EU-Mitgliedschaft, 56 Prozent dagegen. Auch die junge Generation ist überwiegend skeptisch.
"Wir werden keine neue EU-Debatte führen, nur um sie wieder zu verlieren", sagte die Vorsitzende der konservativen Partei Høyre, Erna Solberg, dem Norwegischen Rundfunk. Auch ihre Partei ist für den EU-Beitritt, doch kämpfen will sie dafür nicht. "Ein weiteres Nein würde die Debatte für 40 Jahre beenden."
Die Zustimmung zum norwegischen Königshaus nimmt seit Jahren ab. Nun plädiert die sozialistische Linkspartei sogar für deren Abschaffung. 02.10.2024 | 2:00 min
Die regierenden Sozialdemokraten sind zurückhaltend. Sie verweisen auf die enge Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern durch das EWR-Abkommen, mit dem sie bislang gut gefahren sind. Das Abkommen gibt Norwegen Zugang zum EU-Binnenmarkt. Mehr als 90 Prozent der EU-Gesetze gelten auch hier. Die Norweger haben die gleichen Rechte wie EU-Bürger in den Bereichen Handel, Arbeit und Studium.
Norwegen will seinen Fisch selbst fangen
In der Praxis heißt das, dass man zum Beispiel als Deutscher ohne Probleme nach Norwegen ziehen kann, wenn man über einen Arbeitsvertrag oder ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Es gibt intensive Handelsbeziehungen, doch die Norweger bestimmen über Einfuhrzölle, um den Import zu steuern und die heimischen Produzenten zu schützen. Wenn zum Beispiel in Norwegen die Tulpen blühen oder die Erdbeeren reif sind, werden die Zölle auf diese Waren erhöht.
Silvia Furtwängler liebt den Schnee, die Kälte und ihre Schlittenhunde. Deswegen ist sie in den Norden ausgewandert. Denn Heimat bedeutet für die Deutsche dort zu sein, wo man sich am wohlsten fühlt.04.03.2017 | 4:58 min
So ist es kein Wunder, dass vor allem die
Landwirte einen EU-Beitritt fürchten. Auch beim Fischfang will Norwegen seine Selbstbestimmung nicht aufgeben, und es kommt deswegen immer wieder zu Streit mit Brüssel. So dauerte es drei Jahre, bis man sich auf die
Fangquoten für Kabeljau vor der Inselgruppe Spitzbergen einigte.
"Wir wollen selbst entscheiden", sagt Einar Frogner von "Nein zur EU", einer Organisation mit 17.000 Mitgliedern. "Wir wollen von gewählten Politikern regiert werden, nicht von einer Bürokratie."
Politische Spannungen führen zu Unsicherheit
Heidi Nordby Lunde von den EU-Befürwortern warnt hingegen, dass es langfristig unklug sei, nicht mit am Tisch in Brüssel zu sitzen. "Norwegen ist als Öl- und Gaslieferant wichtig für Europa, aber wenn die EU sich von fossilen Energien abwendet, verlieren wir unsere Trumpfkarte."
Christian, Jan, Annika und Oliver sind nicht die Einzigen, die es nach Norwegen zieht: Jedes Jahr reisen etwa 1,7 Millionen Deutsche dorthin, rund 30.000 leben hier dauerhaft.25.12.2019 | 43:44 min
Die Krisen der vergangenen Jahre haben den Norwegern deutlich gemacht, dass es auch ein Nachteil ist, außen vor zu sein. Als die
Corona-Pandemie ausbrach, stand man plötzlich ohne Impfstoff da, denn der EWR-Vertrag sieht keine Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit vor. Am Ende erbarmte sich
Schweden und trat einen Teil seiner EU-Kontingente an Norwegen ab.
Venstre-Chefin Melby fordert deshalb ein Umdenken: "Die Welt hat sich drastisch verändert, aber Norwegen sitzt still in seinem Boot. Obwohl wir mehr denn je ein starkes Europa brauchen."
Norwegen hat bislang 87.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Doch auch im Norden Europas kommen die Kommunen an ihre Belastungsgrenze. Daher soll die Aufnahme von Flüchtlingen nun eingeschränkt werden. 31.10.2024 | 2:17 min