Putin und Kim: Was wir über die "Waffenbrüderschaft" wissen
FAQ
Nordkorea und Russland:Was wir über die "Waffenbrüderschaft" wissen
von Jan Schneider
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Russland und Nordkorea wollen in Zukunft militärisch enger zusammenarbeiten. Vieles zu diesem Verteidigungspakt ist noch unklar, die Spannungen mit Südkorea wachsen aber schon.
Satellitenbilder sollen zeigen, wie fast 2.000 Container mit Waffen von Nordkorea per Zug nach Russland gebracht wurden. Ein Munitionsdepot soll so deutlich gewachsen sein. 20.06.2024 | 1:04 min
Die Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Nach dem Abschluss eines Partnerschaftsabkommens zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un bestellte der stellvertretende südkoreanische Außenminister Kim Hong Kyun am Freitag den russischen Botschafter Georgi Sinowjew ein, um gegen das Abkommen zu protestieren.
Es soll unter anderem eine gegenseitige Beistandspflicht zwischen Moskau und Pjöngjang enthalten: Beide Länder müssten demnach im Fall eines Krieges alle verfügbaren Mittel einsetzen, um sofortige militärische Hilfe zu leisten. Die südkoreanische Regierung verurteilte das Abkommen als Bedrohung für seine Sicherheit.
Was wissen wir über das Abkommen und die aufgefrischte "Waffenbrüderschaft" - wie Kim Jong Un den Verteidigungspakt genannt hat - zwischen Russland und Nordkorea?
Welche Bedeutung hat die Beistandspflicht im Kriegsfall?
Es ist nicht ganz klar, wie genau diese Vereinbarung ausgestaltet ist. Formal soll es wohl eine Vereinbarung sein, die der gesamten "umfassenden strategischen Partnerschaft" beider Länder einen Rahmen gibt.
In Artikel vier des Abkommens wird ein vages Versprechen von Unterstützung mit militärischen und anderen Mitteln formuliert, sollte die andere Partei im Krieg durch eine externe Aggression sein. Eine ähnliche Formulierung war auch schon einem Vertrag von 1961 zwischen der früheren Sowjetunion und Nordkorea zu finden.
Kim Jong Un spricht nun davon, dass die Partnerschaft eine Allianz sei, während Präsident Putin dieses Wort eher vermeidet und die Punkte zur militärischen Unterstützung im Kriegsfall sowie zur militärisch-technischen Kooperation betont. "Entsprechend lässt sich nur spekulieren, ob dies wirklich eine Beistandsklausel im Partnerschaftsvertrag ist", erklärt die Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Elisabeth Suh, von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Viele befürchten, dass Nordkorea sein Atomprogramm mit Putins Hilfe vorantreiben könnte. Aber Moskau wolle ein stabiles Pjöngjang und keine Eskalation, so Sicherheitsexpertin Suh.19.06.2024 | 17:32 min
Was liefert Nordkorea an Russland?
In dieser Frage ist die Informationslage sehr dünn und manchmal auch widersprüchlich. Offiziell gibt es keinen Austausch von Militärgerät zwischen Moskau und Pjöngjang. Der südkoreanische und der US-Geheimdienst sprechen allerdings von bis zu 10.000 Containern, die per Zug oder Schiff von Nordkorea nach Russland gebracht wurden, berichtet Suh.
Da die Schiffe militärische Häfen in Russland ansteuern, liege die Vermutung nahe, dass der Inhalt der Container "militärische Bedeutung hat". Schätzungen gehen davon aus, das es sich bei den Lieferungen um bis zu drei Millionen Artilleriegeschosse handelt. Das würde die Lücken in Russlands Depots nicht komplett auffüllen - Russland verschießt etwa 10.000 Geschosse pro Tag in der Ukraine - aber es ist eine große Unterstützung für die Kriegsziele des Kreml.
Könnte Nordkorea auch Soldaten in die Ukraine schicken?
Sollten sich Kim Jong Un und Putin tatsächlich auf eine Beistandserklärung verständigt haben, steht diese Frage im Raum. Möglich wäre das durchaus, meint Sicherheitsexpertin Suh. Nordkorea könnte sogar ein Interesse daran haben, seine Truppen in der Ukraine kämpfen zu lassen. Zum einen, weil sie damit Geld verdienen können und Devisen ins Land holen als Söldner. Zum anderen aber auch, um neuere Waffensysteme im "echten Feld" ausprobieren zu können. Dies sei innerhalb von Nordkorea nur bedingt möglich.
Man müsse dabei aber auch bedenken, dass Nordkorea eine Diktatur sei und immer die Möglichkeit bestehe, dass Nordkoreaner, die ins Ausland geschickt werden, diese Chance nutzen, um das Land dauerhaft zu verlassen. Dies sei gerade unter Diplomaten häufiger der Fall gewesen.
Hilft Russland dem nordkoreanischen Atomprogramm?
Nordkorea versucht schon seit vielen Jahren in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. Kim Jong Un versucht nun offenbar, die Entwicklung seines Atomwaffen- und Raketenprogramms mit der Partnerschaft mit Russland zu beschleunigen.
Es sei durchaus denkbar, dass Russland Nordkorea bei seinen Ambitionen zur Atommacht unterstützt, meint Suh, zum Beispiel mit der Lieferung von einzelnen Komponenten oder mit Know-how beziehungsweise wissenschaftlichem Austausch. Eine Lieferung von Atomwaffen hält sie aber für äußerst unwahrscheinlich:
Wie reagiert Südkorea auf das Abkommen?
Südkoreas Regierung hat bei Russland offiziell Protest gegen das neue Partnerschaftsabkommen mit Nordkorea eingelegt und zum unverzüglichen Stopp der militärischen Zusammenarbeit mit dem abgeschotteten Nachbarland aufgerufen.
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Jede Kooperation, die Nordkorea direkt oder indirekt helfe, seine militärischen Fähigkeiten zu erweitern, stelle eine Verletzung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gegen Pjöngjang dar, wurde der stellvertretende südkoreanische Außenminister Kim Hong Kyun zitiert. Er warnte demnach auch vor negativen Folgen für das russisch-südkoreanische Verhältnis. "Russland sollte verantwortungsvoll handeln."
Südkorea selbst erwägt nun auch Waffen an die Ukraine zu liefern, was - laut Putin - ein "sehr großer Fehler" wäre. Auch scheint man in Seoul bereit zu sein westliche, Sanktionen gegen Russland umzusetzen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.