IStGH-Haftbefehle: Welche Folgen das für Netanjahu hat

    FAQ

    Internationaler Strafgerichtshof:Haftbefehl: Was bedeutet das für Netanjahu?

    von Daniel Heymann
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    Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Premier Netanjahu, Ex-Verteidigungsminister Galant und Hamas-Führer Deif ausgestellt. Was heißt das nun - ein Überblick.

    International Criminal Court building The Hague
    Der Internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle. Auch gegen Israels Regierungschef Netanjahu. Der Vorwurf: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.21.11.2024 | 2:38 min
    Schon die Anträge des Chefanklägers Karim Khan im Mai waren international umstritten – nun hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag die geforderten Haftbefehle erlassen.
    Was wird Netanjahu, Galant und Deif vorgeworfen? Welche Folgen haben die Haftbefehle für sie? Müsste Deutschland Netanjahu bei einem Staatsbesuch festnehmen? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

    Gegen wen richten sich die Haftbefehle des IStGH?

    Sie richten sich gegen den israelischen Staatschef Benjamin Netanjahu, seinen früheren Verteidigungsminister Joav Galant und Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri, einen unter dem Namen "Deif" bekannten Anführer der Terror-Organisation Hamas.
    Letzterer soll im Juli durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen getötet worden sein, eine offizielle Bestätigung fehlt bis heute.
    Sgs Reichardt
    Der internationale Strafgerichtshof hat gegen den israelischen Regierungschef Netanjahu wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Haftbefehl erlassen. Thomas Reichart berichtet. 21.11.2024 | 1:32 min

    Wie begründet der IStGH seine Klage gegen Netanjahu?

    Das Gericht erklärt, es gebe "vernünftige Gründe" dafür, dass Staatschef Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Galant "strafrechtliche Verantwortung" für angebliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Gaza-Krieges tragen.
    Der IStGH sieht ausreichende Gründe für die Annahme, dass sie ...

    absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben einschließlich Nahrung, Wasser sowie Medikamente und medizinische Hilfsmittel sowie Brennstoffe und Strom vorenthalten haben.

    IStGH-Pressmitteilung [zu den Haftbefehlen Netanjahu und Galant]

    Insbesondere beschuldigt die Kammer Netanjahu und Galant, das Aushungern der Zivilbevölkerung im Gazastreifen bewusst als Kriegsmethode einzusetzen. Humanitäre Hilfe internationaler Organisationen sei mehrfach blockiert, eingeschränkt oder an Bedingungen geknüpft worden, ohne dass hierfür eine militärische Notwendigkeit oder anderweitige Rechtfertigung bestanden habe.
    Der israelische Premierminister Netanjahu spricht im Parlament in Jerusalem.
    Das Weiße Haus hat den Haftbefehl des Strafgerichtshofs gegen Israels Ministerpräsident Netanjahu verurteilt. Auch Netanjahu selbst kritisierte die Entscheidung als antisemitisch.22.11.2024 | 0:26 min

    Wie reagiert die israelische Regierung?

    Der israelische Premier hat die Vorwürfe bereits mit drastischen Worten zurückgewiesen. Es handele sich um "antisemitische Entscheidungen", die "voreingenommene Richter getrieben von antisemitischem Hass" gefällt hätten. Die Opposition sehe das ähnlich, sagt Thomas Reichert, Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv. "Sie betonen, dass Israel sich gegen die Angriffe von Terrororganisationen verteidige.
    Israel hatte zuvor Beschwerde gegen die Beantragung der Haftbefehle eingereicht. Diese wiesen die Richter zurück. 
    sgs jeßberger sievers
    "Rechtlich ist die Lage eindeutig", so Strafrechtler Prof. Florian Jeßberger. Deutschland müsse den internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu vollziehen, sollte "es dazu kommen".21.11.2024 | 5:36 min

    Was wirft der Strafgerichtshof Hamas-Führer Deif vor?

    Im Haftbefehl gegen Deif nennt das Gericht eine ganze Reihe an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vor allem im Zusammenhang mit dem Massaker am 7. Oktober 2023.
    Die Richter werfen ihm unter anderem Mord, Geiselnahme, Folter und Vergewaltigung vor. Diese Taten habe er teils selbst begangen, teils befohlen oder veranlasst.
    Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)

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    Was sind die Folgen für die Beschuldigten?

    Unmittelbare Folgen ergeben sich aus den Haftbefehlen nicht, denn der IStGH kann sie nicht selbst durchsetzen. Er ist für die Vollstreckung auf die Zusammenarbeit der 124 Mitgliedstaaten angewiesen – diese sind rechtlich verpflichtet, Gesuchte festzunehmen, wenn sie sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden.
    Israel ist dem IStGH nicht beigetreten, ebenso wenig einer der engsten israelischen Verbündeten, die USA. Anders alle EU-Staaten und damit auch Deutschland: Sie sind Mitglied des IStGH – und müssen als solche den Haftbefehlen Folge leisten.
    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat deshalb bereits klargestellt: "Die Entscheidung des Gerichts muss respektiert und umgesetzt werden."



    Muss Berlin Netanjahu festnehmen, wenn er in Deutschland ist?

    Die Bundesregierung hat sich zum Erlass der Haftbefehle aktuell noch nicht geäußert – wohl aber, als sie im Mai beantragt wurden. Schon damals wurde Regierungssprecher Steffen Hebestreit gefragt, ob man Netanjahu im Fall der Fälle in Deutschland festnehmen würde. Einer klaren Antwort wich er aus, betonte aber: "Wir halten uns an Recht und Gesetz."
    Dass der israelische Premier Deutschland tatsächlich in die Situation bringt, zwischen seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen und seiner besonderen historischen Verantwortung zu entscheiden, erscheint kaum vorstellbar. Im Ergebnis dürfte die heutige Entscheidung vielmehr Netanjahus Bewegungsfreiheit einschränken – und den politischen Druck erhöhen, den weite Teile der Weltgemeinschaft auf ihn ausüben.
    Daniel Heymann ist ZDF-Redakteur bei Recht und Justiz.

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