So könnte Trump die Nato schwächen - Das sagt Expertin Major
Interview
Claudia Major bei "illner":Expertin: So könnte Trump die Nato schwächen
|
75 Jahre Nato, ein Gipfel und viele Fragen: Was etwa passiert, wenn Trump die US-Wahl gewinnt? Sicherheitsexpertin Claudia Major warnt vor einer Destabilisierung des Bündnisses.
Die NATO könnte bald vor großen Herausforderungen stehen. Als Präsident drohte Trump das Bündnis zu verlassen. Was passiert, wenn er die bevorstehende Präsidentschaftswahl gewinnt?10.07.2024 | 2:42 min
Heute Abend beschäftigt sich der ZDF-Politiktalk "maybrit illner" mit dem Thema "Nato in der Krise - stark genug gegen Putin?". Zu Gast ist unter anderem Claudia Major, die im ZDFheute-Interview über Donald Trump, die europäische Verteidigung und die Ukraine spricht.
ZDFheute: 75 Jahre Nato - ist das Bündnis stark genug für die aktuellen Herausforderungen durch Russland?
Claudia Major: Die Nato ist so stark wie ihre Mitglieder sie machen. Einerseits stellen die Alliierten das Bündnis seit 2022 neu auf, zum Beispiel mit Reformen der Streitkräfte- und Kommandostruktur und neuen Verteidigungsplänen. Aber das dauert, und es setzt eine gesicherte Finanzierung voraus.
... ist Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Seit 2010 ist sie Mitglied im „Beirat zivile Krisenprävention“ des Auswärtigen Amtes.
ZDFheute: Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass die USA aus der Nato austreten, sollte Donald Trump die US-Wahl im November 2024 gewinnen?
Major: Ich halte einen Austritt für unwahrscheinlich. Die Nato kann für Trump auch nützlich sein - und sei es, um Druck auf die Europäer in anderen Bereichen auszuüben, etwa in der Handelspolitik. Aber auch ohne Austritt kann Trump die Nato schwächen: Politisch, indem er zum Beispiel die Beistandspflicht in Frage stellt und militärisch, in dem er zum Beispiel Posten nicht besetzt oder Truppen nicht bereitstellt. Eine solche Destabilisierung scheint sehr wahrscheinlich.
Die Ukraine erhält weitere Finanz- und Militärhilfe von der NATO. Auch auf Deutschland als Standort für Waffensysteme und als Koordinationszentrum werden neue Aufgaben zukommen.11.07.2024 | 1:46 min
ZDFheute: Was kann und was sollte der Nato-Partner Deutschland leisten, um die deutsche und europäische Verteidigung angriffsicher zu machen?
Major: Deutschland sollte seine Zusagen zu den Nato-Plänen erfüllen. Das setzt eine langfristig gesicherte Finanzierung voraus - und zwar mehr als zwei Prozent der Wirtschaftskraft. Es braucht dafür voll ausgestattete kaltstartfähige Streitkräfte, die so üben, wie sie später kämpfen müssten.
"maybrit illner" mit dem Thema "Nato in der Krise - stark genug gegen Putin?" - sehen Sie die Sendung an diesem Donnerstag, 11. Juli 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.
Bei Maybrit Illner diskutieren die Parteivorsitzenden Omid Nouripour (B´90/Die Grünen) und Sahra Wagenknecht (BSW), die Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major, Generalleutnant a.D. Ben Hodges sowie der Autor, Dokumentarfilmer und langjährige ZDF-Moderator Claus Kleber.
ZDFheute: Auf dem Gipfel soll auch die militärische Unterstützung für die Ukraine gesichert werden. Rund 40 Milliarden als Finanzhilfe. Das klingt viel, aber hilft das auch in einem noch länger andauernden Krieg?
Major: Das ist etwa der Betrag, der auch in den vergangenen Jahren mobilisiert wurde, es ist also keine Verbesserung. Es ist sicherlich ein positives Signal. Aber die Alliierten können bestehende Unterstützung darunter abrechnen, es ist also nur zum Teil neu. Vor allem ist es nicht genug, um die Ukraine in eine Position der Überlegenheit zu bringen.
ZDFheute: Kann die Ukraine auf eine Einladung zu Nato-Beitrittsgesprächen hoffen?
Major: Nein, dafür gab es keine Einigung. Es wäre sicherlich ein wichtiges Signal an Kiew und Moskau gewesen, wenn sich die Alliierten auf einen greifbaren Schritt Richtung Beitritt hätten einigen können, gerade wenn die Lage in der Ukraine dramatisch ist. So droht der Eindruck zu entstehen, dass es den Alliierten zu heikel und vielleicht nicht ernst genug ist.
Mit Raketen- und Drohnenangriffen terrorisieren die russischen Angreifer die Menschen in der Ukraine. Die hoffen zunehmend verzweifelt auf mehr Waffen der NATO-Partner.10.07.2024 | 1:57 min
ZDFheute: Wie kann ein Weg zum Frieden aussehen?
Major: Der Krieg wird irgendwann mit Verhandlungen enden. Die Frage ist, wie dann die militärische Situation aussieht. In der Vergangenheit wurden Waffenstillstandslinien oft die neuen Grenzlinien.
Vom Waffenstillstand bis zum Frieden ist es ein weiter Weg. Frieden im besten Sinn heißt, dass die Konfliktursachen überwunden wurden und so der nächste Krieg vermieden wird. Aber nach allem, was man aus Moskau hört, haben sich die russischen Kriegsziele nicht verändert. Noch immer will Moskau unter dem Schlagwort "Denazifizierung" einen Regimechange in Kiew.
Eine unabhängige Ukraine ist aus russischer Sicht ein historischer Fehler ist, der korrigiert werden muss. Unter dem Begriff Demilitarisierung will Russland nicht nur eine Neutralität der Ukraine, sondern auch eine Begrenzung der Streitkräfte, so dass sie sich nicht mehr verteidigen kann und de facto ein russischer Vasallenstaat wird.
Hätte es in Russlands Krieg gegen die Ukraine längst einen Frieden geben können? Die Antwort im ZDFheute-Backgroundcheck.24.06.2024 | 18:37 min
ZDFheute: An welchem Punkt kann sich das ändern?
Major: Kriege enden in der Regel, wenn eine Seite gewinnt, wenn es zu einer Patt-Situation kommt und beide Seiten glauben, dass sie vom Aufhören mehr profitieren als vom Weiterkämpfen oder infolge einer Intervention von außen. Entscheidend ist, dass sich das Kosten-Nutzen-Kalkül der Kriegsparteien ändert: Aufhören muss sich lohnen. Dieser Punkt ist noch nicht erreicht.
Beide hoffen, den Konflikt militärisch entscheiden zu können, um dann bei Verhandlungen Bedingungen diktieren zu können oder weniger Kompromisse machen zu müssen. Die Ukraine hofft, mehr Gebiete und Bevölkerung befreien zu können. Russland glaubt, einen langen Krieg gewinnen zu können und richtet sich darauf aus.
Das Interview führte Berit Suhr aus der Redaktion "maybrit illner".
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.