Trumps Nato-Drohung: Wäre Europa sicher ohne US-Schutzschild?

    Nato-Drohung von Trump:Kann sich Europa ohne die USA verteidigen?

    von Sebastian Wirth und Jan Schneider
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    Ein Rückzug der USA aus der Nato würde Europas Sicherheit auf den Prüfstand stellen. Wie könnte der Kontinent ohne die schützende Hand der USA bestehen? Ein Backgroundcheck.

    Donald Trump Porträt
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    Die Nato feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Gegründet als Verteidigungsbündnis zwischen den USA und Europa, verspricht sie kollektive Sicherheit für alle Mitgliedsländer. Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erscheint dieses Versprechen wichtiger denn je. Doch es gibt eine wachsende Unsicherheit: Was würde passieren, wenn die USA die Nato verlassen?
    In unserem Backgroundcheck haben wir diese Frage genau unter die Lupe genommen. Das Video zur Folge sehen Sie hier oben im Beitrag, die Zusammenfassung im Text kommt hier:

    Der finanzielle Druck auf die USA

    Ein wesentlicher Punkt des Konflikts sind die finanziellen Beiträge: Die USA tragen den größten Teil der Verteidigungsausgaben des Bündnisses. Im Jahr 2023 betrugen die amerikanischen Verteidigungsausgaben 860 Milliarden US-Dollar, was fast 70 Prozent der Gesamtausgaben aller Nato-Mitglieder ausmacht. Deutschland, das mit einem neuen Rekordwert von 90 Milliarden Euro auf Platz zwei folgt, trägt nur einen Bruchteil dazu bei.
    Im Jahr 2014 hatten sich die Nato-Länder darauf geeinigt, bis 2024 zwei Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Doch während die USA etwa 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Nato aufwenden, erreichen viele europäische Länder das Zwei-Prozent-Ziel noch nicht.
    Nato Flugzeug auf Rollfeld mit auslandsjournal Logo
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    Trumps Drohungen und deren mögliche Folgen

    Der ehemalige US-Präsident und aktueller Präsidentschaftskandidat Donald Trump hatte bereits während seiner ersten Amtszeit gedroht, die USA aus der Nato zurückzuziehen, wenn die europäischen Länder ihre Verteidigungsausgaben nicht erhöhen. Seine Aussagen sorgten schon damals für große Besorgnis in Europa. Im Februar legte Trump nochmal nach:

    Ihr habt nicht bezahlt? Nein, ich würde Euch nicht beschützen. Ich würde sie (Russland, Anm. d. Redaktion) ermutigen, zu tun, was auch immer sie wollen. Ihr müsst Eure Rechnungen zahlen!

    Donald Trump, Ex-US-Präsident

    Bundeskanzler Olaf Scholz betonte danach: Niemand dürfe so "mit Europas Sicherheit spielen oder dealen."
    Ein Austritt der USA aus der Nato würde durch Artikel 13 des Nordatlantikvertrags geregelt. Dieser besagt, dass eine Kündigung bei den USA eingereicht werden muss und nach einer Wartezeit von einem Jahr wirksam wird. Jedoch müsste der US-Senat einer solchen Kündigung mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen, was als unwahrscheinlich gilt. Dennoch bleibt ein Restrisiko bestehen, dass Trump den Kongress unter Druck setzen und so einen Austritt erzwingen könnte.
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    In Europa schrillen die Alarmglocken. Trumps Drohungen, die NATO zu verlassen, sorgen für Unsicherheit im Bündnis. Könnte sich Europa ohne Amerika gegen Russland verteidigen?15.02.2024 | 15:58 min

    Die Bedeutung der Nato für die USA

    Doch trotz Trumps Rhetorik sehen viele amerikanische Politiker*innen und Militärs die Nato-Mitgliedschaft als essenziell für die USA an. Die Nato ermöglicht es den USA, ihre globalen Interessen besser durchzusetzen und weltweit Militärstützpunkte zu unterhalten. Dies stärkt die amerikanische Machtprojektion in Regionen wie dem Nahen Osten und Afrika.
    Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington, erläutert:

    Die USA brauchen Militärstandorte in Europa, um beispielsweise von dort aus ihre Interessen auch zu verteidigen.

    Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent

    Die Vereinigten Staaten betreiben weltweit mehr Militärstützpunkte als alle anderen Länder zusammen. Ohne die Nato würden die USA diese strategischen Vorteile verlieren.
    Von links: Claudia Major, Omid Nouripour, Maybrit Illner, Claus Kleber, Sahra Wagenknecht
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    Die europäische Verteidigung ohne die USA

    Sollten die USA die Nato tatsächlich verlassen, stünde Europa vor großen Herausforderungen. Eine Lösung könnte die Schaffung einer europäischen Armee sein, wie sie von Parteien wie der FDP oder Volt gefordert wird.
    Laut Umfragen befürworten 93 Prozent der EU-Bürger eine gemeinsame Armee. Doch es gibt viele offene Fragen: Wer würde diese Armee finanzieren? Wer entscheidet über ihre Einsätze? Und wie würde sie strukturiert sein? Sicherheitsexperte Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ist in diesem Punkt skeptisch:

    Den politischen Willen sehe ich nicht. Es gibt diverseste Felder, wo die EU sich täglich nicht einigen kann bei fiskalischen Fragen, Agrarfragen, sozialen Fragen. Warum sollte sie sich dann bei der Verteidigung direkt schon einigen auf eine supranationale Armee?

    Ulrich Kühn, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik

    Die nukleare Abschreckung

    Ein weiteres Problem wäre die nukleare Abschreckung, die bisher von den USA gewährleistet wird. Deutschland vertraut seit Jahrzehnten auf den Schutz durch amerikanische Atomwaffen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius warnt in diesem Zusammenhang vor einer Debatte über eigene Atomwaffen: "Ich kann nur davor warnen, jetzt so eine Diskussion vom Zaun zu brechen."
    Frankreich und Großbritannien verfügen zwar über eigene Atomwaffen, doch eine gemeinsame europäische Nuklearstrategie ist bisher nicht in Sicht. Zudem hat Frankreich im Gegensatz zu den USA weniger "kleine" taktische Nuklearwaffen, was die Abschreckung schwieriger macht.
    Fazit: Ein Rückzug der USA aus der Nato würde Europas Sicherheit erheblich gefährden. Eine europäische Armee könnte eine Lösung sein, doch dazu sind viele Fragen bisher ungeklärt. Die nukleare Abschreckung, die bisher durch die USA gewährleistet wird, wäre schwer zu ersetzen. Europas Verteidigung steht vor großen Herausforderungen und die Zusammenarbeit innerhalb der Nato bleibt ein zentraler Pfeiler der Sicherheitspolitik.

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    Quelle: ZDF

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