Nato-Übung: Was hinter Manöver "Arctic Defender" steckt

    Warnung und Solidaritätssignal:Was hinter Manöver "Arctic Defender" steckt

    Ines Trams
    von Ines Trams
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    Erstmals führt Deutschland eine Luftwaffen-Übung auf US-amerikanischem Boden an. Eine Warnung an Russland. Aber kurz vor Beginn des Nato-Gipfels auch ein Zeichen der Solidarität.

    Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, wird von Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, empfangen.
    Unter deutscher Führung trainieren Kampfpiloten gemeinsam mit den USA in Alaska Luftkriegsoperationen unter Nato-Standards.
    Quelle: dpa

    Das Übungsgelände ist fast so groß wie die frühere Bundesrepublik, dazu fast menschenleer. Tiefflüge in nur 30 Metern Höhe - kein Problem. So stellt sich das Gebiet rund um Fairbanks in Alaska dar, das die deutsche Luftwaffe derzeit für ihr Manöver "Arctic Defender" nutzt. Mit Kampf-, Transport- und Tankflugzeugen hat sie sich hierher, in den nördlichsten Bundesstaat der USA, verlegt.
    Mit Amerikanern, Spaniern und Franzosen üben die Deutschen hier den Ernstfall eines Angriffs auf Nato-Territorium - den Bündnisfall nach Artikel fünf des Nato-Vertrags.

    Großmanöver unter deutscher Führung in Alaska

    Insgesamt 80 Flugzeuge und Helikopter nehmen teil:
    • deutsche und spanische Eurofighter
    • französische Rafale-Kampfjets
    • A400M-Militärtransporter
    • Tankflugzeuge
    • F-35-Jets der Amerikaner
    Trainiert werden diverse Luftkriegsszenarien - Luftverteidigung, Bekämpfung von gegnerischen Luftstreitkräften und von Kommandozentralen am Boden, auch die Rettung von Spezialkräften mit der großen Transportmaschine A400M wird geübt.
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    Eine neue Rolle für Deutschland?

    Deutschland hat diese Übung entworfen und gegenüber den Amerikanern initiiert. Genauer gesagt ist es eine Serie aus fünf Manövern - nach Alaska geht es in den Indopazifik, nach Hawaii, Japan, Australien und Indien.
    Ingo Gerhartz, der Inspekteur der Luftwaffe, will zeigen, dass die deutsche Luftwaffe beides kann - Patrouillen über dem Baltikum fliegen und zeitgleich in Arktis und Pazifikregion präsent sein. Dass der Krieg in Europa Deutschland nicht davon abhalte, auch auf US-Territorium oder im Indo-Pazifik an der Seite seiner Partner zu stehen.
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    Gerhartz' Ziel: Den Amerikanern zeigen, dass nicht nur Deutschland die Amerikaner braucht, sondern dass auch die USA in Deutschland einen zuverlässigen Partner in der Auseinandersetzung mit Russland oder China haben.

    Für die Amerikaner ist das Signal wichtig, dass wir auch dort bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

    Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe

    Politische Signale an Partner und Opponenten

    Ein politisches Signal, das auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) senden will, wenn er am Montag auf dem Weg zum Nato-Gipfel in Washington in Alaska einen Zwischenstopp einlegt. Es geht ihm darum, Bündnis-Solidarität zu demonstrieren, dass die sich nicht beschränkt auf Europa. Ein wichtiges Signal an die Partner, einen Tag vor Beginn des Nato-Gipfels.
    Insbesondere an die USA, wo vielleicht im Herbst ein Präsident zum zweiten Mal ins Weiße Haus gewählt wird, der Deutschland in der Vergangenheit immer wieder als Trittbrettfahrer der Nato bezeichnet hat: Donald Trump.
    Bei der Ankunft in Fairbanks sagte Pistorius:

    Mit Arctic Defender zeigen wir, wir haben die Bedrohung im gesamten Bündnisgebiet im Auge, nicht nur in Europa, sondern auch in der Arktis.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister

    Der Besuch beim Manöver stehe genau wie seine Reise zum Gipfel für ihn im Zeichen der Landes- und Bündnisverteidigung.
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    Demonstration der Stärke

    Gerade mal 1.000 Kilometer Luftlinie entfernt von der russischen Seegrenze findet "Arctic Defender" statt, über die Beringstraße hinweg liegt Russland. Damit ist das Manöver sicher auch eine Warnung an Russlands Präsident Wladimir Putin, wenn auch das Übungsszenario Russland nicht namentlich erwähnt.
    Die Botschaft soll sein: "wir und unsere Partner sind da im Fall der Fälle, und zwar schnell", trotz aller schlechten Nachrichten über fehlendes Material und Personal. Im Zuge der von Russland ausgehenden Bedrohung müsse man automatisch seinen Blick auf die Arktis richten, so Pistorius.
    Das Manöver - es soll eine politische und militärische Demonstration der Stärke sein. Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Dass Russland und China die Übungsserie tatsächlich im Auge haben, belegen Berichte in den dortigen Medien.

    Mehr "show of force" als "real force"?

    Doch ein Manöver kann die die Schwierigkeiten, die Minister Pistorius zu Hause zu bewältigen hat, nicht überdecken. Einfache Tage werden das nicht für ihn. Denn auch die Verantwortlichen in den USA, im Bündnis, wissen, dass Deutschland zwar in diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel erreicht, aber nur mit Hilfe des Sondervermögens.
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    Und sie werden auch mitbekommen haben, dass Pistorius statt wie gefordert knappe sieben Milliarden Euro mehr für seinen Etat nur rund eine Milliarde zugesagt bekommen hat.
    Er selber gesteht ein: "Ich habe deutlich weniger bekommen als ich angemeldet habe. Das ist ärgerlich für mich, weil ich bestimmte Dinge nicht in der Geschwindigkeit anstoßen kann, wie es Zeitenwende und Bedrohungslage erforderlich machen."
    Ines Trams ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.

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