Narendra Modi und ein Indien zwischen Aufschwung und Spaltung

Mit Zustimmungswerten von über 70 Prozent und Millionen von Followern auf diversen Social-Media-Plattformen scheint Narendra Modi in ganz Indien unglaublich beliebt. Tatsächlich gibt es aber nur wenige Politiker in Indien, die so polarisieren wie der indische Premierminister.

Dabei begann Narendra Modis Karriere eher bescheiden. Geboren 1950 im westindischen Bundesstaat Gujarat war seine Kindheit als Sohn eines Teeverkäufers zunächst von Armut und harter Arbeit geprägt. Eine Herkunft, die er bis heute gerne betont.

Sein Interesse an Spiritualität und Politik führte ihn Ende der 60er-Jahre zum radikal-hinduistischen Freiwilligenkorps Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS). Modi machte sich schnell einen Namen als effektiver Organisator und nutzte die dort geknüpften Kontakte für seinen politischen Aufstieg in den 1980er Jahren, als er der rechtskonservativ-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) beitrat.

Modis Karriere war vor allem von Konflikten mit dem muslimischen Glauben geprägt. Nachdem er 2001 zum Ministerpräsidenten seines Heimatstaates Gujarat ernannt worden war, starben kaum ein halbes Jahr später 58 Menschen bei einem Zugbrand. Viele der Opfer waren auf dem Rückweg von einer hindu-nationalistischen Demonstration im nordindischen Ayodhya. Obwohl kurz nach der Brandkatastrophe noch unklar war, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelte, vermutete Narendra Modi bereits den pakistanischen Geheimdienst hinter dem Brand.

Die darauffolgenden Pogrome gegen die muslimische Bevölkerung wurden von der Regierung Narendra Modis möglicherweise toleriert. So soll der Politiker nach Recherchen der BBC die Polizei angewiesen haben, drei Tage lang nicht einzugreifen. Die Folge: Tausende starben, Hunderttausende mussten ihre Häuser verlassen. Viele von ihnen Muslime.

Von den Ereignissen konnte Narendra Modi womöglich profitieren, denn kurz darauf wurde der Hindu-Hardliner mit absoluter Mehrheit als Ministerpräsident von Gujarat bestätigt. "Diese Pogrome, diese Massaker waren ein politischer Vorteil für ihn", weiß der Indologe und Modi-Kenner Oliver Schulz. "Viele Beobachter sagen, er hätte die Wahl sonst nie gewonnen."

2014 schaffte es Narendra Modi schließlich ins höchste Amt im Staat - er wurde zu Indiens Premierminister gewählt. Seitdem will er Indien zu einer wirtschaftlichen und technologischen Supermacht des neuen Jahrtausends machen.

Auch während seiner zweiten Amtszeit ab 2019 hat er Technologiekonzerne ins Land geholt, Infrastruktur und Telekommunikation modernisiert und das Banken- und Steuersystem stabilisiert. Davon profitiert bislang vor allem die hinduistische Bevölkerungsmehrheit.

Kritiker hingegen werfen ihm Tendenzen und einen Hindu-Nationalismus vor, der die muslimische Minderheit in Indien systematisch unterdrücke. Sowohl durch die Förderung von Hass und Gewalt als auch durch Gesetze. Gleichzeitig wird die Pressefreiheit zunehmend eingeschränkt, regierungskritische Demonstrationen werden aufgelöst.

Modis Außenpolitik hingegen setzt auf Diplomatie, Wirtschaftsbeziehungen und strategische Partnerschaften. Vor allem mit den USA, China und anderen führenden Weltmächten. Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten geht es Modi vor allem darum, Indien als wichtigen Akteur auf der globalen Bühne zu etablieren. Dazu gehört auch ein Nukleararsenal von über 150 Atomwaffen, Tendenz steigend.

Ob es so weitergeht, werden vor allem die Parlamentswahlen in Indien zeigen, die seit dem 19. April laufen und noch bis zum 1. Juni andauern. In diesem Zeitraum sind rund 990 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler aufgerufen, ihre Stimme bei der Wahl in der größten Demokratie der Welt abzugeben. Viele Wahlbeobachter gehen jedoch von einer Wiederwahl der BJP und Narendra Modis aus.

Auch für Oliver Schulz würde sich im Falle eines Wahlsieges Modis vermutlich wenig ändern: "Ich glaube nicht, dass er plötzlich ein lupenreiner Demokrat wird."