Fast-Nacktparty in Moskau mit Folgen
Quelle: Reuters
Als gäbe es in Russland derzeit nichts Wichtigeres zu besprechen, zieht die
Fast-Nackt-Party in Moskau immer weitere Kreise. Es scheint, als habe die ganze Hauptstadt Gefallen daran gefunden zuzuschauen, was mit den Prominenten passiert, die auf der hedonistischen Party zu viel Haut gezeigt hatten und wie sie versuchen, jetzt ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Unter dem Motto „Almost naked“ feierten viele Party-Gäste in einem Moskauer Club. Sie kamen zum Teil vorübergehend ins Gefängnis. Der Club wurde jetzt geschlossen.11.01.2024 | 2:18 min
Es geht, das noch einmal zur Erinnerung, um eine Party im berüchtigten Mutabor-Klub, die von Anastasia Iwlejewa organisiert wurde. Das Motto der Party: "Fast Nackt". Influencerin Iwlejewa und andere Prominente Gäste geizten nicht mit Social-Media-Posts von der Party, auf denen, nicht ganz überraschend, viel nackte Haut zu sehen war.
Für Putin und die Kirche geht es ums Prinzip
Im Kreml fand man das gar nicht lustig. Zum einen, weil Russland Krieg führt, bei dem die Soldaten auf den Schlachtfeldern sterben und das Volk zuhause unter Inflation und Kriegswirtschaft leidet. Da passt eine hedonistische Party von Bessergestellten nicht ins Bild.
Zum anderen verstößt die Party auch gegen die konservativen Moralvorstellungen von
Wladimir Putin selbst. Seit Jahren wettert er gegen die angebliche Verdorbenheit des Westens, vom Hedonismus der LGBTQ-Bewegung und den fehlenden Werten in den Ländern der
Nato.
Der Klub Mutabor musste dicht machen
Zustimmung bekommt Putin dabei von seinem Verbündeten Kirill I. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche ist wie Putin Ex-KGB-Agent und genießt hohes Ansehen bei den Gläubigen.
Kirill soll genau wie Putin erzürnt darüber gewesen sein, dass sich Prominente in diesen Zeiten derart vergnügen. Der Klub Mutabor musste deswegen dichtmachen. Doch der Besitzer Michail Danilow kriecht nun zu Kreuze, um sein Etablissement zu retten.
Der Clubbesitzer soll sogar gefälschte Reliquien verschenkt haben
Er soll vor Jahren bereits die Gebeine des heiligen Nikolaus im Vatikan gekauft haben. Wie die italienische Zeitung "La Stampa" berichtet, schenkte Danilow diese Gebeine inklusive "Echtheitszertifikat" nun der russisch-orthodoxen Kirche. Das Problem: Die Reliquien sollen gefälscht sein.
Der Subdiakon, der die Gebeine 2018 verkauft haben soll, arbeitet schon seit 2015 nicht mehr für die Kirche. Ob Danilow mit dieser Peinlichkeit seinen Klub wiederbekommt, erscheint zumindest fraglich.
Eine Top-Unternehmerin gerät unter Druck
Wesentlich schlimmer ergeht es denen, die wegen ihrer Herkunft zur Zielscheibe werden. Die Party hat nicht nur Gläubige und Kirche verärgert, sondern auch die kriegsbefürwortenden Ultra-Nationalisten. Die sind die Gästeliste genau durchgegangen und blieben wohl unter anderem bei der ukrainischen Sängerin Anna Asti hängen.
Asti war im vergangenen Jahr eine der Top-Entertainerinnen in Russland. Sie ist im ukrainischen Tscherkassy geboren, hat jedoch vor kurzem die russische Staatsbürgerschaft erhalten.
Einer Party-Teilnehmerin soll die Staatsbürgerschaft entzogen werden
Zum russischen Angriffskrieg äußert sie sich nicht, was ihr in der
Ukraine den Ruf einer Verräterin eingebracht hat. Jetzt fordern die Ultra-Nationalisten, Anna Asti wegen ihrer Teilnahme an der Fast-Nackt-Party, die russische Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen und sie auszuweisen. Anfeindungen treffen auch die in Russland sehr populäre ukrainisch stämmige Sängerin Lolita Melawskaja.
Putin kandidiert erneut für die Präsidentschaftswahl am 17. März. Gegenkandidaten sitzen im Gefängnis, werden nicht zugelassen oder kandidieren nur zum Schein.03.01.2024 | 2:21 min
Auch den bulgarisch stämmigen Sänger und Putin-Verehrer Philip Kirkorow trifft der Zorn der Nationalisten. Obwohl er sich entschuldigt hat, fordert eine Online-Petition Kirkorow den Titel "Volkskünstler" wieder abzuerkennen.
Xenja Sobtschak wohl unter dem Schutz des Kreml
Er wurde zudem aus mehreren bereits abgedrehten Produktionen herausgeschnitten. Seine Webseite ist am Sonntag offline genommen worden.
Vor einigen Tagen gab Kirkorow bekannt, dass er Geld an die Opfer des Raketenangriffs in Belgorod überweisen werde: "Heute habe ich beschlossen, mein Honorar für die Teilnahme an dem TV-Projekt "Neujahrsmaske" auf dem Sender NTV an die Einwohner der Stadt Belgorod zu überweisen, die unter dem unmenschlichen Terroranschlag in der Silvesternacht gelitten haben", schrieb der Sänger im russischen Netzwerk VKontakte.
Zum Ende des zweiten Kriegsjahres feiert Russland das orthodoxe Weihnachtsfest. Anders als im vergangenen Jahr gönnt der Kriegsherr im Kreml den Ukrainern keine Feuerpause.
Armin Coerper, Moskau
Die frühere Moderatorin Xenja Sobtschak war ebenfalls auf der Party und kündigte an, als Wiedergutmachung den Menschen in Belgorod helfen zu wollen. Interessanterweise scheint Sobtschak ansonsten nicht von Anfeindungen betroffen zu sein. Sie stammt aus Russland und ihr Vater war der Mentor Wladimir Putins: Anatoli Sobtschak.
Sebastian Ehm berichtet als ZDF-Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.