Myanmar: Exilregierung fordert mehr Druck auf Militärjunta

Interview

Exilregierung nach Erdbeben:Militärjunta in Myanmar "unter Druck setzen"

Jenifer Girke
von Jenifer Girke
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Der Zugang für lebensrettende Hilfe sei eingeschränkt, die Waffenruhe gebrochen, die Zeit laufe ab, sagt die Exilregierung Myanmars. Doch Zaw Kyaw hat auch Hoffnung - auf Frieden.

Verletzte werden nach dem Erdbeben in Myanmar in Zelten versorgt.
Hilfen werden blockiert, die Waffenruhe gebrochen. Der Fokus sollte auf der humanitären Hilfe liegen, doch die Militärjunta nutzt die Krise für sich. Die Exilregierung fordert mehr Druck.
Quelle: AP

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben im Krisenland Myanmar steigt die Zahl der Toten weiter und die Überlebenden brauchen dringend Hilfe. Hinzukommt: Der Zusammenbruch der Wasserversorgung lässt die Zahl der Durchfallerkrankungen steigen, Seuchen wie Cholera drohen.
Das myanmarische Militär und Widerstandsgruppen haben Waffenruhen ausgerufen, um die Verteilung humanitärer Hilfe zu erleichtern. Doch nach UN-Angaben hat die Militärführung die Waffenruhe bereits 16 Mal gebrochen.
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Zaw Kyaw ist Sprecher der Exilregierung des Landes, der sogenannten Nationalen Einheitsregierung (NUG), und befindet sich momentan in New York. Sein Appell: Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf die Militärjunta ausüben. Sie verstehe nur "die große Keule", so Zaw Kyaw im Interview mit ZDFheute.
ZDFheute: Welche Informationen erhalten Sie aus Myanmar? Wie ist die Situation im Moment?
Zaw Kyaw: Die Lage ist sehr ernst. Denn die Zeit läuft ab, die Such- und Rettungsaktionen sind fast vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, sich auf die humanitäre Hilfe für die Überlebenden und die betroffenen Menschen zu konzentrieren. Es spielt keine Rolle, wo sie leben, wem sie angehören. Es sind Menschen, die Hilfe brauchen.

... ist Sprecher der Exilregierung von Myanmar. Die Nationale Einheitsregierung (NUG - National Unity Government) wurde nach dem Militärputsch in Myanmar im Februar 2021 von einer Koalition aus entmachteten, demokratisch gewählten Gesetzgebern und Parlamentariern gebildet. Sie besteht hauptsächlich aus Mitgliedern der Nationalen Liga für Demokratie, kurz NLD. Einige ihrer Kabinettsmitglieder sind aus dem Land geflohen, um der Junta zu entkommen.

ZDFheute: Kommt die Hilfe bei den Betroffenen an?
Zaw Kyaw: Zunächst einmal möchte ich unsere aufrichtige Wertschätzung für die internationale Gemeinschaft und unsere Nachbarn erwähnen. Sie haben humanitäre Hilfe, insbesondere Such- und Rettungsaktionen, schnell zusammengestellt, weil unsere Nachbarn in unmittelbarer Nähe sind und China, Indien und die ASEAN-Länder diese sofortige Hilfe geschickt haben.
Viele Straßen und Brücken wurden beschädigt, was den Zugang der humanitären Hilfe erschwert. Gleichzeitig schränkt die Militärjunta den Zugang für die lebensrettenden Maßnahmen ein. Sie haben zugegeben, dass sie sogar Schüsse auf das chinesische humanitäre Hilfsteam abfeuerten. So eine lebensrettende Mission muss rund um die Uhr laufen.
Aber sie [die Militärjunta] haben nicht einmal Treibstoff für die Autos und Lastwagen zur Verfügung gestellt, obwohl die internationale Gemeinschaft Hilfe geleistet hat und sich bemüht, aber wegen der Zugangsbeschränkungen nicht so effektiv ist, wie sie es hoffen.
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ZDFheute: Wie schätzen Sie die verkündete Waffenruhe ein?
Zaw Kyaw: Die NUG, die Regierung der Nationalen Einheit, hat einen Tag nach dem Erdbeben einen einseitigen Waffenstillstand für die humanitären Kräfte angekündigt. Und auch unsere ethnischen Verbündeten, die bewaffneten ethnischen Organisationen, erklärten eine einseitige Waffenruhe. Schließlich verkündigte auch die Junta eine Waffenruhe, und trotzdem setzten sie die Luftangriffe fort. Man kann ihnen nicht trauen.
ZDFheute: Sehen Sie in dem Verhalten des Militärs irgendeine Strategie?
Zaw Kyaw: Zu diesem Zeitpunkt sollte niemand aus politischen Gründen oder wegen politischer oder militärischer Vorteile handeln. Dies ist der Zeitpunkt, um Leben zu retten und Menschen zu helfen. Aufgrund früherer Erfahrungen ist ihnen [der Militärjunta] das Leben von Menschen, insbesondere von Zivilisten, egal.
Also werden sie versuchen, den Nutzen aus dieser humanitären Krise zu ziehen. Und deshalb müssen wir, muss die internationale Gemeinschaft, die Junta unter Druck setzen. Sie verstehen nur die große Keule, so ist das Militär.
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ZDFheute: Wie sollte Ihrer Meinung nach die Militärjunta unter Druck gesetzt werden?
Zaw Kyaw: Geldflüsse abschneiden, keine Waffen verkaufen, sie nicht mit Treibstoff unterstützen, ihre Scheinwahlen nicht unterstützen. Auch die von den westlichen demokratischen Ländern verhängten Sanktionen haben geholfen, aber sie müssen koordiniert werden.
Die Bereitstellung der Hilfe muss unabhängig sein, sie darf nicht unter der Kontrolle der Junta stehen und nicht zu ihrem Vorteil erfolgen. Sie muss von den internationalen Organisationen überwacht werden.
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ZDFheute: Sehen Sie in der jetzigen Situation auch eine Chance, dass Myanmar näher an einen Frieden rückt?
Zaw Kyaw: Wir hoffen es. Wir wissen, dass wir um des Landes willen einen nachhaltigen Frieden schaffen müssen. Deshalb haben wir letztes Jahr zusammen mit der NUG und unseren ethnischen Verbündeten eine gemeinsame Erklärung zu unserem gemeinsamen Standpunkt abgegeben. Wir haben die Bedingungen für einen echten Dialog zur Schaffung eines dauerhaften Friedens klar formuliert.
Die Junta verliert überall. Sie hat ihr Terrain an die Widerstandskräfte verloren, und unabhängigen Berichten zufolge befindet sich weniger als ein Viertel des Landgebiets unter der vollständigen Kontrolle der Militärjunta. Aber sie haben eine mächtige Militärmaschinerie, die Menschen tötet. Sie müssen ihre Niederlage akzeptieren und dann mit uns zusammenarbeiten, um das Land in eine Föderale Demokratische Union umzuwandeln.
Das Interview führte ZDF-Redakteurin Jenifer Girke.
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Quelle: dpa

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