Heusgen vor Sicherheitskonferenz: "Frieden durch Dialog"

    Interview

    Münchner Sicherheitskonferenz:Heusgen: "Keine Feierstimmung" trotz Jubiläum

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    Nato, Ukraine, Nahost - die Themen der Münchner Sicherheitskonferenz könnten nicht ernster sein. Der Vorsitzende Christoph Heusgen spricht über große Krisen und kleine Chancen.

    Christoph Heusgen
    Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz: Christoph Heusgen
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Die Sicherheitskonferenz wird dieses Jahr 60 - kommt bei Ihnen da Feierstimmung auf?
    Heusgen: Nein, das ist keine Feierstimmung. Wir freuen uns natürlich, dass wir diese Konferenz auch in diesem Jahr wieder durchführen können. Für uns ist es wichtig, dass wir versuchen, einen Beitrag zu leisten, gemäß unserem Motto "Frieden durch Dialog", dass wir bei diesen Konflikten irgendwo eine kleine Annäherung finden.
    ZDFheute: Welches Signal soll am Ende von dieser Tagung ausgehen?
    Heusgen: Dass wir dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuhören, der diese Konferenz eröffnet und der nochmal ein Plädoyer dafür ablegen will, dass wir auf der Grundlage des Rechts, auf der Grundlage der UN-Charta versuchen, unsere Probleme zu lösen. Dass wir diese Probleme lösen mit der Stärke des Rechts und nicht dem Recht des Stärkeren.
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    ZDFheute: Der Krieg in der Ukraine wird ein großes Thema sein. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich?
    Heusgen: Präsident Selenskyj hat angekündigt, dass er kommt. Wir freuen uns auf ihn und ich glaube, er wird noch mal ein Plädoyer hier ablegen für die Unterstützung seines Landes. Es wird ganz wichtig sein, dass wir als internationale Gemeinschaft zusammenstehen, dass wir der Ukraine helfen, denn die Ukraine verteidigt Europa und verteidigt Deutschland.
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    ZDFheute: Tun die Europäer und Amerikaner aktuell genug für die Ukraine?
    Heusgen: Es ist schon enorm, was die Amerikaner machen, was Deutschland macht, was Europa macht. (...) Wir dürfen nur nicht aufhören. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass das als Signal von München herausgeht.
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    ZDFheute: Im US-Kongress hängt das Hilfspaket für die Ukraine noch immer fest. Und auch in Europa gibt es Kritik, dass die Unterstützung für Kiew nachlässt. Wie sehen Sie das?
    Heusgen: Ja, das ist richtig. Deswegen freuen wir uns, dass wir sehr viele Amerikaner auch wieder hier haben, Republikaner und Demokraten. Es ist schon etwas bedauerlich, dass gerade die Republikaner, die über Jahre hinweg hier in München immer sehr für eine starke Nato waren, schon lange für eine Unterstützung der Ukraine waren, dass sehr viele von denen heute im US-Kongress gegen eine Unterstützung der Ukraine kämpfen.
    Das ist Aufforderung an uns, mehr zu tun, aber gleichzeitig auch Aufforderung an uns, die wir hier mit den Amerikanern sprechen, die davon zu überzeugen, dass wir weiter als Bündnis zusammenstehen.
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    ZDFheute: Haben Sie, gerade vor dem Hintergrund von Donald Trumps Äußerungen, Sorge um die Zukunft der Nato?
    Heusgen: Wir müssen anerkennen, auch wir als Deutsche, dass diese Forderung, dass Europa mehr für seine eigene Verteidigung leisten muss, schon länger im Raum steht. (...) Wir merken, dass es in Europa insgesamt jetzt doch vorangeht, was die europäische Verteidigung anbelangt. Wir sind da auf gutem Weg, aber es muss schneller gehen.
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    ZDFheute: Russland und Iran haben Sie explizit ausgeladen. Mindert das nicht den Wert dieser Konferenz?
    Heusgen: Ich bin der Meinung, dass wir mit russischen Vertretern in dem Moment reden müssen, in dem sie endlich bereit sind, die ukrainische Regierung anzuerkennen. (...) Wenn sie anerkennen, dass dieses Land, mit dem sie ihr Abkommen geschlossen haben, ein Land ist, was eine eigene Identität hat, und diese Souveränität des Landes berücksichtigen. Sobald das der Fall ist, werden wir auch russische Offizielle hier wieder begrüßen.
    ZDFheute: Der Nahost-Konflikt ist ein anderes großes Thema. Was erhoffen Sie sich da von München?
    Heusgen: Wir haben hier bei dieser Konferenz das Glück, dass wir alle Beteiligten, alle Verantwortlichen haben. (...) Wir können als Konferenz nicht mehr machen, als dass wir diesen Verantwortlichen sagen, "Nutzt die Chance, nutzt die Chance zu einem Gespräch, nutzt die Chance zu sehen, wie man auf friedlichem Weg weiterkommt, damit dieses schreckliche Leiden der Menschen ein Ende hat."
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    ZDFheute: Hat sich die Rolle der Sicherheitskonferenz aus Ihrer Sicht verändert in den letzten Jahren?
    Heusgen: Die Themen haben sich verändert, es haben sich die Teilnehmer verändert. Es waren zu Beginn etwa 60 weiße Männer, die rauchend im Saal saßen. Gucken sie sich jetzt um, wir haben 800 bis 900 Frauen und Männer. Auf der Tribüne haben wir genauso viele Frauen wie Männer. Wir sind sehr viel diverser geworden, wir haben mittlerweile die ganze Welt vertreten. Zu Beginn war es die transatlantische Gemeinschaft.
    Es hat sich entwickelt, aber der Kern ist der Gleiche geblieben: dass wir versuchen, hier einen Beitrag zu leisten, dass wir Frieden durch Dialog schaffen.
    Das Interview führte Christoph Wiesel.

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