West-Nil-Fieber: Symptome und Risikogebiete - etwa Spanien
West-Nil-Fieber in Südspanien:Wenn die Mückenplage tödlich endet
von Brigitte Müller, Sevilla
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Das West-Nil-Virus ist mittlerweile heimisch in Spanien, Italien und Griechenland. Auch in Deutschland gibt es Fälle. Laut Experten hätte das teils verhindert werden können.
In Spanien fordern Demonstrierende eine Impfung gegen das West-Nil-Fieber. Die Viruserkrankung wird hauptsächlich von Stechmücken übertragen. 05.09.2024 | 2:06 min
Heute haben sie sich in Isla Mayor versammelt, einem Ort, eingebettet in Tausende Hektar Reisfelder. "Keine weiteren Toten", "Wir wollen nicht in Angst leben" oder "Endlich eine Impfung" steht auf den Plakaten der Demonstranten. Knapp 100 sind es, die sich vor dem Rathaus im Schatten drängeln. Die Furcht vor dem Nilfieber und der Wunsch, endlich etwas dagegen zu unternehmen, treibt sie auf die Straße.
Betroffene erzählen von Krämpfen, Zittern, Fieber
Unter ihnen Eva und Rafael Guardado García. Ihre 76-jährige Mutter hat das Nilfieber überlebt, gerade so. "Innerhalb von 48 Stunden wurde meine vitale gesunde Mutter zu einer Vegetierenden", erinnert sich Rafael. "Am schlimmsten waren die Krämpfe, das Zittern, das 40 Grad hohe Fieber, das ständige Übergeben." Zehn Kilo hat Ana García in einem Monat abgenommen. Sie erinnere sich nur schwach an die Zeit im Krankenhaus, sei sich aber sicher, die Mücken fürchtet sie mehr als die Stiere in der Arena.
Die Verbreitung des Nilfiebers in Südspanien treibt Demonstranten auf die Straß mit dem Wunsch, endlich etwas gegen das Virus zu unternehmen.
Quelle: ZDF
Hirnhaut- und Gehirnentzündungen sind die schwersten Folgen der Viruserkrankung. Nur etwas mehr als ein Prozent der infizierten Menschen entwickelt so schwere Symptome. Wer überlebt, muss mit Folgeschäden rechnen. Bei 80 Prozent allerdings verläuft die Infektion völlig unbemerkt, die verbleibenden 18 bis 19 Prozent der Fälle entwickeln leichte Beschwerden. Die Betroffenen entwickeln Antikörper und sind dann immun.
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Was das Nilvirus ist und wo es herkommt
Der West-Nil Virus wurde 1937 im westlichen Nilgebiet Ugandas entdeckt - daher sein Name. Zugvögel brachten das Virus zunächst nach Südeuropa. 2004 wurde in Spanien die erste Infektion beim Menschen in der Region Extremadura nachgewiesen - eher zufällig, da der behandelnde Arzt zu dem Thema forschte.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch weibliche Stechmücken, denn Männchen können nicht stechen. Ein Nachweis der Erkrankung beim Menschen ist kompliziert. Nur ein Drittel der Fälle werden durch PCR-Tests, die genetisches Material eines Organismus (etwa eines Virus) nachweisen, erkannt.
Das West-Nil-Virus ist mittlerweile bereits auf allen Kontinenten nachgewiesen, die Nähe der Verbreitung zu urbanen Zentren und die Anzahl der Mücken bestimmt über die Inzidenz beim Menschen - also der Anzahl der neu auftretenden Fälle.
Leichte Symptome werden oft mit einer Magen-Darm-Grippe verwechselt, zudem erkrankt nur eine geringer Teil der infizierten Bevölkerung. Zu den schwersten Folgen der Erkrankung zählen Meningitis und Enzephalitis, die bei einem Prozent der Erkrankten auftritt.
In Andalusien haben schätzungsweise 100 Prozent der Amseln und vier Fünftel der Spatzen Antikörper gegen das Virus. Bei Vögeln ist das Virus nur gut eine Woche aktiv, danach bilden sie Antikörper.
Wissenschaftler Jordi Figuerola vom Spanischen Forschungsinstitut CSIC weist auch auf andere Folgen hin. In Gebieten, in denen die Erkrankungen am West-Nil-Fieber festgestellt werden, ist mit einer hohen Zahl asymptomatischer Fälle zu rechnen. Durch Blutspenden kann das Virus aber an andere Menschen weitergegeben werden. Personen mit Vorerkrankungen und geschwächtem Immunsystem sind besonders anfällig für die Krankheit. Als Vorsorge müssen in diesem Gebieten alle Blutspenden getestet werden, was mehr Zeit und Geld bedeutet, bis das Blut weiterverwendet werden kann.
Mückenplage hätte teilweise verhindert werden können
Als Hauptgrund, warum das West-Nil-Virus sich in diesem Sommer so stark verbreitet hat, nennt Wissenschaftler Jordi Figuerola vom Spanischen Forschungsinstitut CSIC die mangelnde Prävention.
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Mücken infizieren sich, wenn sie Vögel stechen und können das Virus wiederum auch an Vögel weitergeben. Mückenstiche bei Pferden und Menschen können die Krankheit provozieren, sind aber da nicht mehr ansteckend. Figuerola und sein Team haben schon früh anhand von Proben von Vögeln, Mücken und Pferden die Gefahr der Virusverbreitung gesehen und gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt wäre es noch möglich gewesen, mit einem biologischen Produkt gegen die Mückenlarven in den stehenden Gewässern der Reisfelder vorzugehen, um ihre Zahl und die Ansteckungsgefahr drastisch zu reduzieren. Doch die Warnungen der Wissenschaftler verhallten - die zuständigen Stellen jedenfalls reagierten nicht.
Nach dem ersten Todesfall im Juli, den ersten Protesten der eilig gegründeten Bürgerinitiative, wurden die Behörden jedoch wach. Seit Ende Juli wird nun gespritzt, sowohl gegen die Larven als auch gegen erwachsene Mücken. Tag und Nacht sind die Insektentöter unterwegs, mit Fahrzeugen, Drohnen und Hubschrauber, ihre Aufgabe ist gigantisch. Dabei wird auch das Insektizid Cypermethrin eingesetzt, das neben den Mücken auch andere Wasserinsekten tötet und schädlich für Bienen ist.
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West-Nil-Virus auch in Deutschland
Wissenschaftler Figuerola ist sich sicher: Nur ein kontinuierlicher und langfristig angelegter Vorsorgeplan kann Abhilfe schaffen, denn das Virus ist längst heimisch in Spanien, aber auch in Italien oder Griechenland. Selbst in Deutschland wurden schon infizierte Vögel ausgemacht, 2019 wurden die ersten Erkrankungen in Ostdeutschland gemeldet. "Die milden Winter tragen weiter zur Verbreitung bei. Mehr Mücken können dann überleben, sie reproduzieren sich über längere Zeit und im Folgejahr können wir eine höhere Inzidenz bei Vögeln und Pferden feststellen." Das Virus sei zu einem Problem der öffentlichen Gesundheit geworden - alle Verwaltungsebenen müssten endlich am selben Strang ziehen, so der Forscher.
In Isla Mayor geht die Demonstration zu Ende. Es ist acht Uhr abends - Zeit, sich auf den Heimweg zu machen, denn mit der Dämmerung kommen auch die Mücken, kommt die Angst. Zwar hat sich die Zahl der Mücken drastisch reduziert, da sind sich alle einig. Dennoch, so Demonstrantin Pepi Muñido: "Wenn es dunkel wird, gehen wir rein, machen alles zu und stellen die Klimaanlage an."
Immer mehr dringt das Thema Klimawandel in alle Lebensbereiche ein. Wovor Forscher seit Jahren warnen, ist nun Realität: Die Gefahr neuer Infektionskrankheiten hat sich erhöht.
von Andreas Ewels
Quelle: ZDF
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