Bei der Präsidentschaftswahl in Moldau führt Amtsinhaberin Sandu, die absolute Mehrheit konnte sie bisher aber nicht erreichen. Derweil beklagt sie beispiellose Wahlmanipulation.
Die pro-europäische Präsidentin Sandu liegt nach den ersten Ergebnissen vor ihrem schärfsten Konkurrenten, dem ehemaligen Generalstaatsanwalt Alexandr Stoianoglo.20.10.2024 | 2:32 min
Bei der Präsidentenwahl in der früheren Sowjetrepublik Moldau liegt die Amtsinhaberin Maia Sandu nach Auszählung des Großteils der Stimmen erwartungsgemäß vorn. Nach Auszählung von mehr als 97 Prozent der Wahlzettel verfehlte sie mit rund 42 Prozent der Stimmen jedoch die absolute Mehrheit und müsste damit in eine Stichwahl in zwei Wochen gehen.
Ihr Gegner wird aller Voraussicht nach der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo sein, der rund 26 Prozent der Stimmen erhielt und für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon antritt. Insgesamt waren elf Bewerber zur Wahl angetreten, darunter einige, die sich für gute Beziehungen zu Russland einsetzen.
Die Beziehungen zwischen Russland und Moldau sind aufgrund der Region Transnistrien - ein von pro-russischen Separatisten kontrollierter abtrünniger Landstreifen mit eigener Regierung und 1.500 dort stationierten russischen Soldaten - ohnehin angespannt. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das Verhältnis noch zusätzlich belastet. Das Land ist tief gespalten: Es bemüht sich einerseits um einen Beitritt zur EU, was in Russland auf Kritik stieß. Ein großer Teil der Bevölkerung - Schätzungen reichen bis zu 40 Prozent - ist jedoch pro-russisch eingestellt. Moldau wirft Moskau vor, das Land destabilisieren zu wollen.
Auch in Georgien gibt es zwei abtrünnige Regionen, die von Russland unterstützt werden: Abchasien und Südossetien. Völkerrechtlich gehören sie zu Georgien, selbst betrachten sich die Regionen als unabhängige Staaten. Um sie entbrannte 2008 der Kaukasuskrieg zwischen Russland und Georgien, bis heute sind die Regionen ein ständiger Konfliktherd zwischen beiden Ländern. Die Beziehungen wurden durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine noch mal verschlechtert. Die georgische Regierung verfolgt eine Politik der Neutralität und versucht, zwischen den Interessen Russlands und des Westens zu lavieren. Georgien sieht sich mit der Bedrohung eines russischen Angriffs konfrontiert.
Das Verhältnis zwischen Belarus und Russland ist widersprüchlich: Einerseits gibt es eine enge wirtschaftliche, militärische und politische Bindung zwischen den beiden Ländern. Belarus ist in hohem Maße von Russland abhängig - bemüht sich gleichzeitig jedoch, seine Eigenständigkeit zu bewahren. Ob das gelingt, ist fraglich: Ein 2023 aufgetauchtes Dokument soll belegen, dass Russland bis ins Jahr 2030 eine schleichende Übernahme des Staats plant - eine Annexion mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln.
Traditionell waren die Beziehungen zwischen Russland und Kasachstan eng und brüderlich - der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat sie merklich abgekühlt. Kasachstan wurde zwar immer wieder vorgeworfen, sanktionierte Waren nach Russland zu schleusen. Aber das Land hat sich seit Kriegsbeginn merklich von Russland distanziert, den Krieg wiederholt verurteilt und sich geweigert, Russland militärisch oder finanziell zu unterstützen. Stattdessen näherte sich das Land in den vergangenen Jahren dem Westen an und intensivierte die Zusammenarbeit mit der EU und den USA.
Referendum zu EU-Ambitionen Moldaus abgehalten
Eines der wichtigsten Ziele Sandus ist es, den EU-Kurs des Landes unwiderruflich als strategisches Ziel in der Verfassung festschreiben zu lassen. Bei einem parallel zur Präsidentschaftswahl abgehaltenen Referendum dazu drohte der Staatsführung zunächst jedoch eine Niederlage.
Zunächst schien es, dass sich das Nein-Lager hauchdünn durchsetzen würde. Nach der Auszählung von fast 98 Prozent der Stimmen waren beide Lager jedoch gleichauf. Der Ausgang des Referendums ist demnach weiterhin offen.
In Transnistrien haben pro-russische Kräfte das Sagen. Es gehört zu Moldau, was einen pro-europäischen Kurs möchte. Eine Wahl zwischen zwei Welten.16.10.2024 | 6:34 min
Sandu beklagt beispiellose Wahlmanipulation
Noch am Wahlabend beklagte die proeuropäische Staatschefin Sandu eine beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte auf die Präsidentenwahl und das Referendum. Kriminelle Gruppen hätten gemeinsam mit einer ausländischen Macht versucht, die Lage in Moldau zu destabilisieren.
Es gebe Beweise, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte Sandu bei einem nächtlichen Auftritt in der Hauptstadt Chisinau. Dutzende Millionen Euro seien ausgegeben worden, um Lügen und Propaganda zu verbreiten.
Am Sonntag sind in Moldau Präsidentschaftswahlen. Zudem wird über eine Verfassungsänderung abgestimmt, die den Weg Richtung EU freimachen soll.18.10.2024 | 2:14 min
Details nannte die 52-Jährige nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor dem Urnengang Wählerbestechung und prorussische Desinformation in dem Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt, das zwischen der von Russland angegriffenen Ukraine und dem EU-Mitgliedstaat Rumänien liegt.
Sandu kündigte an, das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen. Die nach einem EU-Beitritt strebende Führung des verarmten Agrarstaats sieht Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik.
Kommissionspräsidentin Von der Leyen wirbt für Beitritt
Russland wirft der Europäischen Union vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt.
Kritik an Volksabstimmung
Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum miteinander verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das Referendum und sprachen von einem rechtswidrigen Prozess.
"Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind", sagte Ex-Präsident Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.