Latif: Warum Europa beim Klima "doppelzüngig" ist

    Interview

    Klimaforscher zur Rolle Europas:Latif: "Schon doppelzüngig, was wir hier tun"

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    Die COP29 ist klar gescheitert, sagt Klimaforscher Mojib Latif. Im ZDF erklärt er, was das für die Klimaziele bedeutet, welche Rolle Donald Trump spielt - und was er Europa vorwirft.

    SGS Latif zum COP29
    Man sei auf der COP29 weit hinter dem Nötigen geblieben, so Klimaforscher Mojib Latif.24.11.2024 | 6:10 min
    Die einen sprechen von einer neuen Ära, die anderen von Betrug und einem schlechten Witz: Die Klimakonferenz in Aserbaidschan hat sich nach erbittertem Streit auf ein neues Finanzziel für Klimahilfen an ärmere Länder geeinigt. Trotz zweiwöchiger Beratungen und über 30 Stunden Verlängerung sehen viele in dem Klima-Kompromiss keinen großen Wurf - insbesondere die Länder des globalen Südens.
    Klimaforscher Mojib Latif ist bekennender Kritiker des COP-Formats. Im ZDF heute journal spricht er über die Konsequenzen von Baku, den Einfluss mächtiger Öl-Staaten - und wie wirksame und zukunftsweisende Klimakonferenzen tatsächlich gelingen können.
    Sehen Sie das ganze Gespräch oben im Interview und lesen Sie hier die wichtigsten Aussagen. Der Klimaforscher ...

    … über das Ergebnis der Klimakonferenz

    Direkt zu Beginn des Gesprächs macht Latif klar: "Ich denke, diese Konferenz war auf jeden Fall - und das muss man ganz deutlich sagen - ein Scheitern." Die nun festgelegten Finanzierungsziele seien einerseits viel zu wenig. So hätten die Länder des globalen Südens viel mehr Geld gefordert, was auch vor dem Hintergrund wichtig wäre, dass die Länder sich selbst nachhaltig entwickeln können.

    Es bringt ja nichts, wenn sie die selben Fehler machen, wie wir bei unserer eigenen Industrialisierung.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    Andererseits könne man sich nicht sicher sein, ob das Geld künftig überhaupt fließen werde. "Es ist völlig unklar, wie diese Summe zustanden kommen soll." Auch den Zeithorizont von 2035 sieht er kritisch. "Da ist alles weit in der Zukunft." Auf der anderen Seite sei gerade, was die Senkung der Treibhausgasemissionen angeht, "so gut wie gar nichts passiert".

    Eigentlich waren die Konferenzen zuvor auch schon ein Scheitern, aber keiner wagt es, das wirklich auszusprechen.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    COP29 climate summit in Baku
    Die 29. UN-Klimakonferenz ist zu Ende gegangen – für viele ohne zufriedenstellende Ergebnisse. Doch die Angst vor dem Versagen des Prozesses führte am Ende zur Einigung.24.11.2024 | 3:10 min

    … über die Rolle Donald Trumps und der Öl-Staaten

    Hinter den Kulissen der Konferenz soll unter anderem Saudi-Arabien für Gasförderung geworben haben. Wie groß ist der Einfluss der Länder, die fossile Brennstoffe fördern auf das Klima? Groß, findet Latif.

    Und gerade diese Länder bekommen jetzt einen enormen Aufschub dadurch, dass es jetzt einen neuen Präsidenten in den USA gibt.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    Der Klimaforscher verweist auf die Aussage Donald Trumps: "Drill, Baby, Drill." Heißt übersetzt: Man werde "jetzt wie verrückt anfangen, nach Öl und Gas zu bohren und die Welt fluten mit diesen fossilen Energieträgern".

    Und das sind alles keine guten Vorzeichen dafür, dass wir die Pariser Klimaziele überhaupt auch nur annähernd erreichen werden.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    Simon Stiell, Klimachef der Vereinten Nationen, gestikuliert, als er am Sonntag das Abschlussplenum des UN-Klimagipfels COP29 verlässt.
    Die Weltklimakonferenz in Baku ist zu Ende. Die verabschiedete finanzielle Unterstützung ärmerer Länder im Kampf gegen die Klimakrise wird kritisiert: die Mittel reichten nicht aus.24.11.2024 | 1:36 min

    … über eine Doppelmoral Europas

    Dass insbesondere europäische Länder das Gastgeberland Aserbaidschan kritisieren, gleichzeitig jedoch Gas aus dem Kaukasusstaat beziehen, findet der Klimaforscher fragwürdig. Das sei "schon doppelzüngig, was wir hier tun". Das gelte auch für russisches Gas. "Wir beziehen immer noch über Umwege russisches Gas und insofern sind wir Europäer auch nicht so richtig glaubwürdig."

    Auch, weil wir unsere eigenen Emissionen nicht so stark senken.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    Aber ebenso die geringen Finanzierungszusagen schränkten die Glaubwürdigkeit ein, so der Klimaforscher.

    .... über zielführendere Formate im Kampf gegen den Klimawandel

    "Also zunächst einmal denke ich, dass die Klimakonferenzen durchaus stattfinden sollten." Dadurch werde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit immer wieder auf das Thema gelenkt. Ebenso seien die Konferenzen das einzige Forum, "wo die armen Länder mal eine eigene Stimme bekommen, wo sie auch mal gehört werden".
    Dennoch brauche es natürlich neue Formate. Dass der weltweite CO2-Ausstoß seit der ersten Weltklimakonferenz um 60 Prozent angestiegen sei, spreche nicht für den Erfolg der Veranstaltung. Er findet:

    Kleinere Formate wären besser.

    Mojib Latif, Klimaforscher

    Da die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen durch China und die USA "verursacht werden", wäre der Welt sehr viel geholfen, wenn sich die beiden Staaten im gegenseitigen Interesse auf die Transformation einigen würden, die Joe Biden angestoßen habe.
    Das Interview führte heute journal-Moderator Christian Sievers.

    ZDFheute-KlimaRadar
    :Daten zum Klimawandel im Überblick

    Der weltweite Ausstoß von CO2 steigt weiter an: Für 2024 erwarten die Forschenden des Global Carbon Projects erneut einen Rekordwert. Welche Länder am meisten ausstoßen.
    von Moritz Zajonz
    Fünf Icons mit Fabrikschlot, Blitz, Thermometer vor Deutschland und Weltkarte, und einem Haus über Wellen. Im Hintergrund ein Braunkohlekraftwerk.
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    Quelle: Mit Material von dpa und AFP

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