Wegen Mangel an Soldaten: Ukraine rekrutiert erste Häftlinge

Soldatenmangel in der Ukraine:Viel Zustimmung für Häftlings-Rekrutierung

von Dara Hassanzadeh
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In der Ukraine hat ein Gericht die ersten beiden Häftlinge entlassen, damit sie im Krieg für die Armee kämpfen. Nur wenige Ukrainer kritisieren diese Maßnahme.

Ob in der Zahnarztpraxis oder im Supermarkt - wo auch immer man in Kiew Menschen auf die Mobilisierung zur Armee anspricht, entsteht eine kontroverse Debatte. Doch es geht dann um das allgemeine Mobilisierungsgesetz, nicht um die Rekrutierung von Häftlingen. Diese Sondermaßnahme finden die meisten Menschen richtig und gut. Oder nebensächlich im Vergleich zu den eigenen Alltagssorgen.
Während etliche Versionen des allgemeinen Mobilisierungsgesetz lange keine Mehrheit im ukrainischen Parlament bekam oder dann nicht von Präsident Selenskyj unterschrieben wurde, fand dieses Gesetz mit der Nummer 11079-1 schnell seinen Weg durch die Gesetzgebung. Gefangene für die Armee zu rekrutieren, fand im Grunde bei allen politischen Kräften Anklang.

Man darf nicht vergessen, dass die ukrainische Verfassung allen Menschen das Recht auf Landesverteidigung einräumt.

Olexij Honcharenko, Oppositionspolitiker und Mitinitiator des Gesetzes

Ukraine braucht dringend mehr Soldaten

"Zudem gibt es in den Gefängnissen auch straffällig gewordene Soldaten, die man an der Front in der jetzigen Situation dringend brauchen kann", lenkt der Abgeordnete Honcharenko den Blick auf die praktische Seite, das Rekrutierungspotenzial.
Ungefähr 15.000 bis 20.000 Gefängnisinsassen erfüllen die Vorgaben des Gesetzes. Mörder, Vergewaltiger sind ausgeschlossen, aber auch Personen, die sich in einer öffentlichen Position der Korruption schuldig gemacht haben.

Mehr als 3.000 Häftlinge bewerben sich bei der Armee

Inzwischen haben sich fast 3.000 Gefangene beworben, um für die Ukraine zu kämpfen. Alle Bewerber werden körperlich und psychologisch getestet. Fallen die Beurteilungen positiv aus, dann entscheidet ein Richter, ob der Gefangene in die Armee entlassen wird.
Dadurch ist er nicht begnadigt, sondern die Strafe nur zur Bewährung ausgesetzt. Es wird keine reine Gefangenen-Batallione geben. Der ehemalige Gefangene durchläuft als Rekrut die gleiche Grundausbildung wie andere und wird danach einer Einheit zugeteilt. Politiker wie Honcharenko sehen darin "eine echte Chance zur Resozialisierung".

Kritik an Maßnahme: Wenig Vertrauen in Häftlinge

Andere haben weniger Zutrauen in Ex-Häftlinge. Der ehemalige Abgeordnete Viktorovych Lutsenko und heutige Militär fürchtet:

Ein mögliches Szenario ist, dass ein Häftling, nach dem er den ganzen Prozess unauffällig durchlaufen hat, mit seiner Waffe desertiert und über den Grenzfluss Tizia schwimmt.

Viktorovych Lutsenko, ehemaliger Abgeordneter

Doch politisch ist dies die Mindermeinung. Unabhängig davon, wie wahrscheinlich Fahnenflucht bei Ex-Häftlingen sein wird, ein Fakt ist unumstößlich: Die ukrainische Armee braucht dringend mehr Soldaten, um sich im Krieg gegen Russland verteidigen zu können.
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