Missbrauch in der katholischen Kirche: Gutachten in Italien

    Missbrauch in der Kirche:Erstes unabhängiges Gutachten in Italien

    von Valerie Nusser, Rom
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    Der erste unabhängige Bericht über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der italienischen Kirche ist da. Über 600 Seiten ist er lang. Insgesamt werden 41 Priester beschuldigt.

    Missbrauch in der katholischen Kirche - Symbolfoto
    13.01.2022, Bayern, Garching An Der Alz: Das Kreuz eines Grabsteins ragt vor der katholische Kirche St. Nikolaus in den Himmel. Eine vom Bistum München beauftragte Anwaltskanzlei will am 20.01.2022 ein Gutachten über Missbrauchsfälle dort vorstellen. Darin wird es auch um den Fall eines Priesters gehen, der in der Gemeinde Garching an der Alz eingesetzt wurde, obwohl er zuvor wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden war. Laut Bistum gibt es Hinweise darauf, dass er auch in Garching wieder rückfällig wurde. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
    Quelle: dpa

    Ein 600-seitiger Bericht wurde veröffentlicht. Es ist der erste unabhängige Missbrauchsbericht der katholischen Kirche in Italien. Der Beginn der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Italien hat lange auf sich warten lassen. Die Zahlen spiegeln nur das Hellfeld wider. Also die Fälle, die bekannt sind. Das Dunkelfeld sei weitaus größer und schwer zu erforschen. Insgesamt 67 sogenannte "Sachverhalte", in denen Priester dem sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen beschuldigt werden, sind im Bericht dokumentiert.

    Bischof bittet Betroffene um Vergebung

    In seiner Stellungnahme nach Veröffentlichung des Missbrauchsberichts erklärte Bischof Ivo Muser, dass er persönlich die Verantwortung für die Versäumnisse während seiner Amtszeit übernehme. "Dazu gehören die unzureichende Kontrolle auffälliger Priester, die Zurückhaltung beim Ergreifen klarer präventiver Maßnahmen gegenüber beschuldigten Priestern und die mangelhafte Dokumentation der Schritte im Umgang mit Missbrauchsfällen", sagte Bischof Muser.

    Ich bitte die Betroffenen, die Pfarrgemeinden, die beschuldigten Priester und die Gläubigen unserer Diözese um Vergebung für meine Versäumnisse als Bischof und übernehme die Verantwortung dafür.

    Ivo Muser, Bischof von Bozen-Brixen

    Im deutschsprachigen Raum beschäftigte sich die Kirche erstmals im Jahr 2010 mit Betroffenen sexuellen Missbrauch, sagt Rechtsanwalt Ulrich Wastl.
    Papst Franziskus während einer akademischen Sitzung bei einem päpstlichen Besuch an der Universität KU Leuven
    In Belgien hat Papst Franziskus im vergangenen Jahr mit Betroffenen sexualisierter Gewalt durch Geistliche gesprochen. Der belgische König hatte zuvor die schleppende Aufarbeitung kritisiert.28.09.2024 | 0:19 min

    Bozen-Brixen ist Vorreiter bei Aufklärung von Missbrauchsfällen

    Die deutsche Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ist für ihre unabhängigen kirchlichen Missbrauchsgutachten bekannt und hat nun 15 Jahre später im Auftrag der Diözese Bozen-Brixen Missbrauchsfälle von 1964 bis 2023 untersucht. In 24 Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker stellten die Rechtsanwälte fest, dass Leitungsverantwortliche der Diözese teilweise über Jahre hinweg fehlerhaft gehandelt hätten. In einem Fall wurde ein Priester jahrzehntelang von einer Gemeinde in die nächste versetzt.
    Die Zahl der Fälle nimmt zwar ab den 90er Jahren ab, jedoch waren die meisten davon der jeweiligen Diözesanleitung bekannt. Die Behauptung vieler Kleriker, bis 2010 habe man "das alles nicht gewusst", oder es handle sich um "Einzeltäter und schwarze Schafe", treffe somit auch in der Diözese Bozen-Brixen nicht zu, stellt Wastl fest.
    Missbrauchsopfer radeln zum Papst
    Sie wurden als Kinder in der Kirche sexuell missbraucht, die Erlebnisse prägen ihr Leben bis heute. Neun Betroffene kämpfen gegen die Vertuschung. Und radeln sogar bis zum Papst.25.05.2023 | 21:24 min
    Rechtsanwalt Wastl nannte mit Blick auf die italienische Kirche den "Elefanten im Raum" beim Namen, nämlich, dass nur die Diözese Bozen-Brixen "den einzig richtigen Weg einer unabhängigen Aufklärung gegangen ist".
    Damit hinken die italienischen Katholiken weit hinter den Deutschen oder Franzosen her. Die italienischen Bischöfe lehnten in den letzten Jahren jedoch immer wieder die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen ab.

    Bischöfe sehen unabhängige Missbrauchsgutachten kritisch

    2022 äußerte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Matteo Zuppi, seine "Zweifel" an unabhängigen Missbrauchsgutachten. Zuppi wolle zwar mit unabhängigen Instituten zusammenarbeiten, die Missbrauchsgutachten jedoch nicht aus der Hand geben. Des Weiteren sollten nur Missbrauchsfälle ab dem Jahr 2000 untersucht werden, da diese jüngeren Fälle die heutige italienische Kirche "direkt betreffen".
    Belgien: Missbrauchsskandal in Flandern
    Eine Doku-Serie über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche hat in Belgien für Empörung gesorgt. In einer Bar in Flandern lassen sich Menschen nun symbolisch „enttaufen“.01.12.2023 | 2:20 min
    Der Bischof der Diözese Bozen-Brixen, Ivo Muser, startete daraufhin im Alleingang das Projekt "Mut zum Hinsehen". Der unabhängige Missbrauchsbericht der Münchner Kanzlei ist Teil der ersten Projektphase. "Wir machen unsere Hausaufgabe. Ich hoffe, dass wir so zu einem Mentalitätswandel beitragen", so Muser am Montag gegenüber Radio Vatikan. Auch 2010 war es seine Diözese, die als erste italienweit eine Ombudsstelle für Missbrauchsbetroffene einrichtete.

    Lob für Fehlerkultur der Südtiroler Diözese

    Rechtsanwalt Wastl lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit mit allen Leitungsverantwortlichen der Südtiroler Diözese: "Wir hatten Zugang zu allen Akten, die wir wollten. Wir wurden unterstützt bei der Suche und Kontaktaufnahme mit Zeitzeugen und Betroffenen". Von Anfang an sei ein Wille zur Verbesserung dagewesen und die Bereitschaft Fehler einzugestehen. "Das erleben wir eher selten", so Wastl.
    25.01.24, Hannover: Detlev Zander mit der Studie zu Missbrauchsfällen innerhalb der Evangelischen Kirche.
    9.355 Fälle sexualisierter Gewalt- diese Zahl nennen die Forscher der Studie zu Missbrauch in der Evangelischen Kirche. Betroffene beklagen, die Aufarbeitung käme zu spät.26.01.2024 | 2:26 min
    Es gäbe innerhalb der katholischen Kirche weltweit klare systemische Defizite, die sexuellen Missbrauch begünstigten, so Wastl: "Unreife Sexualität, Vereinsamung der Priester, Klerikalismus und so weiter. Südtirol gehört zur Welt. Diese systemischen Defizite existieren auch hier". Eine mangelnde Fehlerkultur und die Komplizenschaft der Verantwortlichen seien beim sexuellen Missbrauch der Anfang vom Ende.
    Welchen Anfang die Diözese Bozen-Brixen nun in Italien gemacht hat, wird sich zeigen. Bischof Muser möchte seinen Bericht jetzt "in alle Gremien hineintragen", denn solche Taten seien "diametral zum Evangelium". Es brauche entsprechende Verfahren, Transparenz und einen Kulturwandel.

    Erster Bericht des Vatikans
    :Wie die Kirche nun Missbrauch bekämpfen will

    Die von Papst Franziskus gegründete Kinderschutzkommission hat ihren ersten Bericht vorgestellt. Diese Maßnahmen plant die katholische Kirche zur Missbrauchsbekämpfung.
    Ein menschenleerer Petersplatz am 27.03.2020 in Rom

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    Quelle: dpa

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