Ukraine-Krieg: Moskau scheitert bei Kursk, rückt im Süden vor
Analyse
Russische Offensiven:Niederlage bei Kursk - Erfolge bei Tschasiw Jar
von Christian Mölling und András Rácz
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Russland scheitert zunächst bei Kursk, rückt aber bei Tschasiw Jar und im Süden vor; Frankreich bildet eine ukrainische Brigade aus. Die Militäranalyse zum Krieg in der Ukraine.
Die Angriffe auf die Ukraine verschärfen sich. Auch die ukrainische Stadt Odessa wurde wieder durch Raketen und Drohnen angegriffen. (Archivbild)
Quelle: Reuters
Russland hat eine Reihe großer, intensiver Angriffe gegen ukrainische Stellungen in der Region Kursk gestartet. Das wahrscheinliche Ziel besteht darin, so viel wie möglich von der Region zu befreien, noch bevor der schwere Herbstregen einsetzt, und längerfristig die gesamte Region noch vor der Amtseinführung von Donald Trump zurückzuerobern.
Die am 11. November begonnenen Bemühungen sind jedoch bisher spektakulär gescheitert; den beteiligten russischen Streitkräften, insbesondere den Einheiten der 810. Marine-Infanteriebrigade, ist ein taktisches Desaster widerfahren.
(Karte vom 17.11.2024)
Quelle: ZDF
Ukrainer konnten Stellungen in Kursk halten
Die einstige Elitebrigade, die seit Beginn der groß angelegten Invasion mehrfach umstrukturiert wurde, erhielt den Befehl, gut etablierte ukrainische Stellungen frontal anzugreifen. Wie vorauszusehen war, erlitt sie durch den konzentrierten Artillerie- und Drohnenbeschuss sowie durch den geschickten Einsatz von Minen verheerende Verluste an Menschenleben und Ausrüstung. Bislang konnten die Ukrainer ihre Stellungen in Kursk halten.
Außerdem gelang es einer ukrainischen Spezialeinheit, mit gepanzerten Humvees einen waghalsigen nächtlichen Überfall hinter den russischen Linien durchzuführen und insgesamt 16 ukrainische Soldaten zu evakuieren, die von ihren eigenen Linien abgeschnitten waren.
Putin intensiviert die Angriffe in Kursk. Ziel ist es, die ukrainisch besetzen Gebiete zurückzuerobern. Die Analyse mit Militärexperte Hoffmann bei ZDFheute live.14.11.2024 | 31:14 min
Auch wenn die Operation taktisch wenig bedeutsam ist, so kann sie doch einen beträchtlichen moralischen Schub bewirken, da die ukrainischen Soldaten darauf hoffen können, dass ihre Kameraden ihnen zu Hilfe kommen, selbst wenn sie abgeschnitten werden.
Die Autoren der Militäranalyse
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Russische Erfolge an anderen Frontabschnitten
An anderen Abschnitten der Frontlinie wird die Lage für die Ukrainer immer gefährlicher. Im Frontabschnitt Tschasiw Jar verdrängten die Russen die Ukrainer vollständig von der Ostseite des Kanals.
Außerdem gelang es ihnen, unter schweren Kämpfen sogar in das Zentrum der Stadt einzudringen. Südlich davon nahmen sie das Dorf Klischtschiwka vollständig ein und rückten weiter nach Südwesten vor.
Im südlichen Donbass setzten die Russen ihren Vormarsch Richtung Kurachowa und Umgebung fort. Mit der Einnahme des südlich der Stadt gelegenen Dorfes Dalnie drohen die Russen, die Verteidiger Kurachowas einzukesseln; außerdem sind sie dabei, die behelfsmäßigen ukrainischen Verteidigungsstellungen entlang des Flusses Suchij Jaly zu umgehen.
Sicherheitsexpertin Claudia Major kann sich nicht vorstellen, wie Trump den "Krieg in 24 Stunden beenden will". Sollte der Krieg in der Ukraine enden, dann nur "nach russischen Vorstellungen".15.11.2024 | 5:44 min
Die russischen Streitkräfte rückten auch auf Kupjansk vor und schafften es, sich der Stadt von Norden her zu nähern. Es ist noch unklar, ob es den Ukrainern gelingen wird, ihre Positionen zu festigen, bevor die Russen ebenfalls in die Stadt eindringen.
Tote Zivilisten nach russischen Raketenangriffen auf Städte
Russland setzte seine Angriffe auf ukrainische Städte in dieser Woche fort. In Kryvyi Rih wurde am 11. November bei einem Raketeneinschlag eine ganze Familie mit drei Kindern getötet, nur der Vater überlebte nach einem Einschlag in einem Wohngebiet. Weitere 14 Menschen wurden verwundet.
Russland hat in der Nacht die ukrainische Hafenstadt Odessa massiv beschossen. Laut Behörden wurde eine Frau getötet. Zeitweise waren mehr als 40.000 Menschen ohne Heizung. 15.11.2024 | 0:14 min
Odessa wurde erneut angegriffen, und zwar mit einem kombinierten Angriff von Raketen und Drohnen. Die Luftabwehr der Stadt konnte den Angriff nicht vollständig abwehren: Ein Mensch starb und zehn wurden verletzt, als ein Wohnhochhaus getroffen wurde.
Auch die Energieinfrastruktur wurde beschädigt: ein Kesselkraftwerk fiel aus und die Hauptleitung der Zentralheizung wurde ebenfalls beschädigt, so dass 40.000 Menschen ohne Heizung dastanden.
Nordkorea liefert Russland Artillerie
Es sind Bilder aufgetaucht, die zeigen, dass Nordkorea auch selbstfahrende Artillerie nach Russland schickt. Zwei Stück M1989 "Koksan"-Artillerie wurden auf einem Eisenbahnwaggon in Russland fotografiert, angeblich während des Transports in den Westen. Dies ist der erste dokumentierte Fall, in dem Nordkorea nicht nur Munition und ballistische Raketen, sondern auch Artilleriesysteme verschickt.
Nordkoreanische Soldaten sollen in Kursk eingesetzt werden. Putin habe Rekrutierungsprobleme - eine Zwangsmobilisierung scheue er, so Militärexperte Gressel.24.10.2024 | 8:56 min
Bei der "Koksan" handelt es sich um ein 170-mm-Langstreckengeschütz (ursprünglich ein Küstenbatteriegeschütz) auf einem Raupenfahrgestell. Es handelt sich um ein recht rudimentäres System, da es weder über eine gepanzerte Kabine noch über ein Munitionslager verfügt und daher ständig von einem Versorgungsfahrzeug begleitet werden muss.
Auch seine Feuerrate ist mit einem Schuss pro 3 bis 5 Minuten recht langsam. Abhängig von der Anzahl der ausgelieferten Systeme kann ihre große Reichweite die russische Artillerie jedoch durchaus unterstützen.
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Erste westlich trainierte ukrainische Brigade bald einsatzbereit
Frankreich gab bekannt, dass es die Ausbildung einer ganzen ukrainischen Brigade, der 155. mechanisierten Infanteriebrigade, die nach Anna von Kiew benannt ist, fast abgeschlossen hat.
Die Brigade, die aus rund 4.500 Soldaten besteht, erhält von Frankreich auch Waffen, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge (leichte Panzer, Schützenpanzer usw.) und wird als kampfbereite, vollständig ausgerüstete Einheit in die Ukraine zurückgeschickt. Dies ist die erste ukrainische Brigade, die als Ganzes im Westen ausgebildet und ausgerüstet wurde.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.