Marine Le Pen verurteilt: Was das für ihre Partei bedeutet

Interview

Politologin sieht Zwickmühle:Was das Urteil für Le Pens Partei bedeutet

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Niederlage für Marine Le Pen: Fünf Jahre lang darf sie nicht bei Wahlen antreten. Welche Folgen das für ihre Partei hat, erklärt Politikwissenschaftlerin Miard-Delacroix.

Politikwissenschaftlerin Prof. Hélène Miard-Delacroix.
Das Gespräch mit Politikwissenschaftlerin Miard-Delacroix in voller Länge.31.03.2025 | 14:52 min
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen ist wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder während ihrer Zeit als EU-Abgeordnete zu vier Jahren Haft und einem Kandidatur-Verbot für politische Ämter verurteilt worden.
Sie wird damit voraussichtlich nicht als Kandidatin ihrer Partei Rassemblement National bei der Präsidentschaftswahl 2027 antreten können. Noch ist das Urteil zwar nicht rechtskräftig, Le Pen will Berufung dagegen einlegen, gleichwohl hat die Berufung keine aufschiebende Wirkung.
Die Fraktionsvorsitzende der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National (RN), Marine Le Pen (R), geht beim Verlassen des Gerichtsgebäudes des Tribunal de Paris durch einen Gerichtssaal
Die rechte französische Politikerin Marine Le Pen ist wegen der Veruntreuung von EU-Geldern schuldig gesprochen worden.31.03.2025 | 2:49 min
Politikwissenschaftlerin Hélène Miard-Delacroix von der Sorbonne Université in Paris erklärt im Interview mit ZDFheute live, was das Urteil gegen Le Pen für sie und ihre Partei sowie die französische Politik bedeutet.
Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge. Das sagt Politikwissenschaftlerin Miard-Delacroix zu ...

... der Bedeutung des Urteils für Marine Le Pen

"Sie ist schwer getroffen", sagt Politikwissenschaftlerin Miard-Delacroix über Le Pen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2027 hätte sie aktuellen Umfragen zufolge als Kandidatin gute Chancen gehabt - kann nun aber nicht antreten. Das sei mit ihrer Verurteilung bereits sicher.
Das Gesetz gegen Korruption und Veruntreuung, das vor Gericht gegen Le Pen angewendet wurde, war erst 2016 eingeführt worden. Damals sei das Strafmaß - unter anderem das Verbot für politische Ämter zu kandidieren - nicht hart genug für Le Pen und ihre Partei gewesen - nun treffe es den Rassemblement National selbst schwer.
Marine Le Pen, Fraktionsvorsitzenden der französischen rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), sitzt vor einem Interview in dem Studio der Abendnachrichten des französischen Fernsehsenders TF1.
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen hat das Urteil gegen sie als "politisch motiviert" kritisiert. Es ziele darauf ab, ihr die Präsidentenamt-Kandidatur zu verwehren.01.04.2025 | 0:25 min

Jetzt wird Le Pen und ihre Partei mit genau der Härte getroffen, die sie selbst immer wieder von der Justiz gefordert hat.

Hélène Miard-Delacroix, Politikwissenschaftlerin

SGS Walde
"Die politischen Karten wurden neu gemischt", so ZDF-Korrespondent Thomas Walde.31.03.2025 | 1:34 min

... der Reaktion des Rassemblement National

Zuletzt habe man sich innerhalb des Rassemblement National geweigert, überhaupt darüber zu diskutieren, was passieren würde, sollte ein Urteil gegen Le Pen kommen. Sollten Pläne vorhanden sein, so seien diese bislang noch nicht bekannt.
Für den Rassemblement National werde es nun auf alle Fälle schwer. Denn die Partei sei extrem auf die Person Marine Le Pen fokussiert, so Miard-Delacroix. Nun stelle sich die Frage, welcher Kandidat als Ersatz herhalten könne.

Marine Le Pen steht im Zentrum dieses Systems.

Hélène Miard-Delacroix, Politikwissenschaftlerin

Marine le Pen hebt einen Arm und lächelt, im Vordergrund ein großes gelbes Fragezeichen.
Sie hat den Rechtspopulismus in Frankreich neu erschaffen und zum politischen Mainstream gemacht. Ihre Partei ist seriöser und machthungriger als je zuvor. Wer ist Marine Le Pen?29.06.2023 | 13:37 min

... der Zwickmühle von Le Pens Partei

Im Umgang mit dem Urteil sei die Partei in einer Zwickmühle gefangen. Zuletzt habe man versucht, sich als Partei für die breite Mitte der Bevölkerung zu positionieren - insbesondere durch die Forderung nach höherer Autorität vom Staat.
Nun werfe man der Justiz aber übermäßige Härte und ein politisch motiviertes Urteil vor - "ein klassisches Mittel demokratiefeindlicher Kräfte", so Miard-Delacroix. Die Partei versuche aktuell einen Spagat zu finden, der es ihr ermögliche sowohl die Justiz anzugreifen, gleichzeitig aber auch ein stärkeres Durchgreifen von Staat und Gesetz zu fordern.

Das passt nicht zusammen.

Hélène Miard-Delacroix, Politikwissenschaftlerin

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Die Diskussion um das Urteil gegen Le Pen werde weiter gehen, analysiert Politikwissenschaftlerin Claire Demesmay. Bis zur Präsidentschaftswahl 2027 werde noch viel passieren.31.03.2025 | 5:46 min

... die Konsequenzen für die französische Politik

Zunächst einmal könne Le Pen ihr aktuelles Mandat im französischen Parlament behalten. Ihre Präsenz dort werde sie nun wahrscheinlich nutzen, um lautstark gegen ihre Strafe, aber auch gegen die Regierung zu sprechen, prognostiziert Politikwissenschaftlerin Miard-Delacroix.
Ob eine bestimmte Partei in Frankreich von dem Ausscheiden Le Pens besonders profitieren könne, lasse sich nur schwer vorhersagen. Es sei aber klar, dass nun alle Parteien versuchen würden, potentielle Le-Pen-Wähler für sich zu gewinnen.
Um das zu verhindern, könne der Rassemblement National nun versuchen, die Regierung zu stürzen - das würde aber erneut in einem Konflikt mit den eigenen Forderungen der Stabilität stehen. Insgesamt seien viele Boomerang-Effekte zu erwarten.

Für Le Pen und den Rassemblement National steht eine schwierige Zeit bevor.

Hélène Miard-Delacroix, Politikwissenschaftlerin

Das sei sicher, so Miard-Delacroix.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderatorin Jessica Zahedi. Zusammengefasst wurde es von heute-Redakteur Carsten Heckes.

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