Brasilien: Lula ein Jahr im Amt - Mehr Schatten als Licht
Brasiliens Präsident:Lula ein Jahr im Amt: Mehr Schatten als Licht
von Tobias Käufer, Rio de Janeiro
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Lula da Silva ist seit einem Jahr Präsident in Brasilien. Seine bisherige Bilanz fällt bisher durchwachsen aus. In den USA und Europa überwiegt die Ernüchterung.
Enttäuschte Hoffnungen in den USA und der EU: Brasiliens Präsident Lula da Silva
Quelle: epa
Hauchdünn, mit 50,9 Prozent der Stimmen, setzte sich Luiz Inacio Lula da Silva in der Stichwahl gegen seinen Vorgänger Jair Bolsonaro (49,1 Prozent) durch. Der Linkspolitiker ist jetzt ein Jahr im Amt. Längst nicht alle Hoffnungen, die vor allem der Westen mit der wohl prägendsten Figur der brasilianischen Politik im laufenden Jahrhundert verbunden hat, haben sich erfüllt.
Lula da Silva ist ein Mann der Widersprüche - das hat sich nach den ersten zwölf Monaten im Amt seiner dritten Präsidentschaft nach 2002 bis 2010 bestätigt.
Weniger Abholzung im Amazonas, mehr im Cerrado
Mit großem Interesse nahm der Rest der Welt Lulas Versprechen auf, die Abholzung im brasilianischen Amazonas bis 2030 auf Null zu senken. Umso größer ist die Enttäuschung bei Umweltschützern, dass seine Regierung nun an Erdölförderplänen im Amazonas-Mündungsbecken festhält.
Tatsächlich gelang es, die Abholzung im Amazonas-Regenwald von Januar bis Oktober 2023 um 61 Prozent zurückzufahren. Dafür stieg sie allerdings im benachbarten Ökosystem Cerrado deutlich an. Brasilianischen Medienberichten zufolge verlor der Cerrado in einem Jahr 11.000 Quadratkilometer Vegetationsfläche. Fernanda Ribeiro, Forscherin des Instituts IPAM, erklärte vor kurzem gegenüber dem Portal "Poder 360":
Verständnis für Russland und die Hamas
Für Enttäuschung im Westen sorgten auch Lulas außenpolitische Positionen. Der Ukraine wirft Lula vor, mitverantwortlich für den russischen Angriffskrieg auf ihr Territorium zu sein. Zu einem Krieg gehörten immer zwei, wurde Lula in Brasilien zitiert. Israels Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas nannte er einen Genozid:
Mit seiner Haltung zu den Konflikten gibt Lula die Stimmung im sogenannten globalen Süden wieder. Wirklich überraschend ist das allerdings nicht. Der 78-jährige Brasilianer ist ein klassischer Vertreter der lateinamerikanischen Linken, die traditionell eher antiwestlich eingestellt sind.
Korruption in Brasilien: Bei der Aufklärung hapert es
Auch innenpolitisch wechselten sich Erfolge und Enttäuschungen ab. Lulas Vorgehen bei der Besetzung von Posten im Obersten Gerichtshof sorgt für Diskussionen. Er bringt enge Vertraute in das unabhängige Gremium. Die brasilianische Justiz kassierte zudem einen Großteil von Korruptionsurteilen aus der Vergangenheit ein.
Lula da Silva selbst zeigt keinerlei Ambitionen, die Skandale um die Konzerne Odebrecht und Petrobras noch einmal unabhängig aufklären zu lassen. Neben anderen war darin auch seine Arbeiterpartei PT verwickelt. Als großer Erfolg wiederum gilt die Steuerreform, die mit Hilfe der Stimmen auch aus der Opposition durch den Kongress kam.
Geplatztes Handelsabkommen mit der EU
Die zuletzt erneut geplatzten Verhandlungen zwischen der EU und dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur waren ein Rückschlag für Lulas Bemühungen sich als Führungsfigur Südamerikas zu positionieren. Den Forderungen der Europäer, den im Wahlkampf versprochenen Waldschutz auch im Handelsabkommen festzuschreiben, wies Lula zurück: "Die Europäische Union muss einfach die Glaubwürdigkeit der Daten aus unseren nationalen Überwachungs- und Zertifizierungssystemen für die Entwaldung anerkennen", sagte er und unstrich: "Ich werde niemandem gegenüber Rechenschaft ablegen für das, was wir tun."
Das lang ersehnte Handelsabkommen zwischen der EU und Südamerika kommt erstmal nicht. Ein Überblick über Südamerikas Vorbehalte.
von Christoph Röckerath
Schon bald hat Lula aber die Chance, sich erneut auf großer internationaler Bühne zu präsentieren. Nachdem er maßgeblich die Erweiterung des BRICS-Staatenbündnisses mit vorantrieb, wird der nächste G20-Gipfel in Rio de Janeiro stattfinden. Gast- und Impulsgeber ist dann Lula da Silva.