Warum Russland die ukrainische Energieversorgung zerstört
Analyse
Ukrainische Flugabwehr erschöpft:Warum Russland die Energieversorgung zerstört
von Christian Mölling, András Rácz
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Konzentrierte Großangriffe auf Stromerzeugungsanlagen, ein großes Wärmekraftwerk wird zerstört. Die ukrainische Luftverteidigung ist nicht in der Lage, das Land zu verteidigen.
Russische Streitkräfte starteten im ganzen Land Raketenangriffe auf ukrainische Energieanlagen.
Quelle: epa
Russland hat zuletzt seine konzentrierten Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur fortgesetzt und intensiviert. Nach den Großangriffen vom 21. und 22. März führte Russland in der ersten Aprilwoche, vom 5. bis 9. April, täglich Raketen- und Drohnenangriffe auf energiebezogene Ziele durch, darunter Kraftwerke und Umspannwerke in den Regionen Odessa, Charkiw, Dnipropetrowsk, Lemberg und Poltawa.
Nach offiziellen ukrainischen Angaben von Anfang der Woche sind bereits 80 Prozent der gesamten ukrainischen Wärmekraftwerkskapazität zerstört oder funktionsunfähig.
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Ukraine: Großes Ausmaß der Zerstörung
Darüber hinaus wurde in der Nacht vom 10. auf den 11. April die Energieinfrastruktur der Ukraine von einer weiteren großen russischen Angriffswelle getroffen. Das Trypillja-Wärmekraftwerk, eine riesige Anlage, die die Regionen Kiew, Tscherkassy und Schytomyr versorgt, wurde mehrfach getroffen, was zu einem Großbrand in der Turbinenhalle führte. Am frühen Nachmittag des 11. April gaben Vertreter des Energieunternehmens Centrenergo zu, dass das Trypillja-Wärmekraftwerk vollständig zerstört wurde. Nach den ersten verfügbaren Bildern würde die Reparatur, wenn überhaupt möglich, sicherlich Jahre dauern.
Trypillja ist bereits das zweite große Wärmekraftwerk, das zerstört wurde: Ende März zerstörten russische Schläge das Wärmekraftwerk Smijiw in der Region Charkiw vollständig. Alle acht Blöcke des Kraftwerks wurden getroffen.
Russland ändert Vorgehen
Diese russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur unterscheiden sich von den Angriffen im Winter 2022 - 2023. Damals zielte Russland hauptsächlich auf Umspannwerke und Transformatoren, also auf das Verteilungsnetz, traf aber nicht die Stromerzeugungskapazität. Jetzt ist das Ziel jedoch eindeutig die konventionelle (nicht-nukleare) Stromerzeugungskapazität der Ukraine.
Die Lage in den Regionen Charkiw und Saporischschja ist bereits äußerst kompliziert und dürfte sich auch in und um Kiew bald verschärfen.
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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Was will Russland erreichen?
Das wahrscheinliche Ziel der russischen Angriffe ist zweigeteilt. Erstens soll die Ukraine davon abgehalten werden, weitere russische Ölraffinerien anzugreifen. Und zweitens sollen Stromengpässe verursacht werden, die das Funktionieren der ukrainischen Rüstungsindustrie erschweren würden.
Durch die Zerstörung der Stromerzeugungskapazitäten und die Destabilisierung des Stromnetzes wird die ukrainische Regierung bald vor der Wahl stehen, entweder die Rüstungsindustrie oder die Bevölkerung zu versorgen. Daher ist mit immer häufigeren und längeren Stromausfällen zu rechnen, insbesondere in den östlichen und zentralen Regionen des Landes.
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Immer größere Lücken in der Flugabwehr
Die dezimierte ukrainische Luftverteidigung, die zwar immer noch tapfer kämpft, ist offensichtlich nicht in der Lage, das Land gegen solche konzentrierten Angriffe zu verteidigen. Während sie mit mobilen Flugabwehrteams (bestehend aus schweren Maschinengewehren und Maschinenkanonen, die auf Pickups montiert sind), MANPADS und Kurzstrecken-Luftabwehrraketen immer noch in der Lage ist, eine beträchtliche Anzahl von Shahed-Drohnen abzuschießen, erreichen die fortschrittlicheren russischen Marschflugkörper und insbesondere die ballistischen Raketen ihre Ziele offenbar fast ungehindert.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Neue Einsatztaktik Russlands
Darüber hinaus hat Russland offenbar seine Fähigkeit verbessert, den Einsatz billiger, relativ leicht zu tötender Shahed-Drohnen zu koordinieren und mit moderneren Raketen zu kombinieren. Während die Shahed-Drohnen die verbliebene ukrainische Luftverteidigung überlasten, können die Marschflugkörper leichter durchdringen. Daher ist Russland regelmäßig in der Lage, Ziele auch in den westlichen Regionen des Landes zu treffen.
Wenn die konzentrierten russischen Angriffe weitergehen und der Westen nicht in der Lage ist, die Ukraine mit einer effizienten Luftabwehr zu versorgen, wird die Lage des ukrainischen Energiesektors bald kritisch werden, was sich auch auf die zentralen Kriegsanstrengungen auswirken wird.
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