"Lanz": Wie sinnvoll ist staatliche Entwicklungshilfe?
Debatte bei Lanz:Wie sinnvoll ist staatliche Entwicklungshilfe?
von Bernd Bachran
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Seit die US-Entwicklungsbehörde einen Großteil ihrer Projekte streicht, entbrennt die Debatte auch in anderen Ländern. Und: Was tun, wenn die Hilfe missbraucht wird?
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 19. März 2025 in voller Länge.19.03.2025 | 75:22 min
Die amerikanische Regierung hat beschlossen, 83 Prozent ihrer internationalen Entwicklungshilfe zu streichen. Von den rund 6.200 Projekten der Entwicklungsbehörde USAID (United States Agency for International Development) sollen noch rund 1.000 fortgeführt werden. Was bedeutet das für die eingestellten Projekte und wie sinnvoll ist staatliche Entwicklungshilfe?
Der ehemalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel (FDP), sprach bei "Markus Lanz" davon, dass für ihn der Umgang mit USAID und besonders mit deren Mitarbeitern "eine Katastrophe" sei. Grundsätzlich halte er es für "nicht klug, das Ganze mit einem Schlag ad hoc zu beenden." Niebel fügte allerdings hinzu:
Zu überprüfen, welche Maßnahmen wirksam und sinnvoll sind, halte ich für richtig.
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Dirk Niebel, ehemaliger Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Trumps Stopp der US-Entwicklungszusammenarbeit trifft auch Kenia. Lebenswichtige HIV-Medikamente fallen weg, was dramatische Folgen für Millionen hat.06.02.2025 | 1:43 min
Lebensmittel von Umweltorganisationen landen auf dem Schwarzmarkt
Jacqueline Flory ist Gründerin des Vereins "Zeltschule" und kümmert sich in diesem Rahmen in Flüchtlingscamps im libanesisch-syrischen Grenzgebiet um Kinder, die teils seit Jahren keine Schule mehr von innen gesehen haben. Sie berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen in Syrien und im Libanon und wie sie erlebt hat, dass Entwicklungshilfe teils missbraucht wird.
Wir haben immer wieder damit zu tun, dass wir auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel mit den Aufklebern von USAID für teures Geld einkaufen müssen, um sie an die Geflüchteten zu verteilen.
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Jacqueline Flory, Gründerin des Vereins "Zeltschule"
Nicht nur Lebensmittel von USAID, sondern auch vom UNHCR und dem Welternährungsprogramm landen, so Flory, vor Ort auf dem Schwarzmarkt. Das geschieht, weil die Logistik nicht funktioniere, weil Korruption im Spiel sei und weil die Organisation, die diese Lebensmittel eigentlich an die Flüchtlinge verteilen sollten, den Weg nicht bis zum vorgesehenen Empfänger verfolgt.
Die US-Entwicklungsbehörde USAID hat die Entlassung der Mehrheit ihrer weltweit Beschäftigten angekündigt. US-Präsident Trump hatte die Auflösung der Institution angeordnet.24.02.2025 | 0:23 min
Entwicklungsländer inszenieren sich für die Geldgeber
Flory ging so weit und sprach davon, dass die Entwicklungsländer beim Besuch von westlichen Regierungsvertretern etwas inszenierten, um die Geldgeber zu beruhigen. Schließlich seien Entwicklungsminister oder Außenminister meist nur kurz im Land.
Und natürlich wird ihnen dort von der heimischen Regierung ganz klar vorgegaukelt, was sie alles bewirken mit diesen Geldern.
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Jacqueline Flory, Gründerin des Vereins "Zeltschule"
Der Experte für Entwicklungspolitik, Stephan Klingebiel, wollte diese Schilderungen auf gar keinen Fall so stehen lassen. Ihm sei die konkrete Situation im Libanon oder Syrien nicht bekannt. Er könne und wolle aber für viele andere weltweite Projekte sprechen.
Positives Beispiel für Entwicklungshilfe: Südkorea
Klingebiel sprach von engen Absprachen mit den Partnerländern und von strengen Prüfungen. "Das ist alles sehr viel dichter, als das normalerweise bei inländischen Sachen ist." Des Weiteren gibt es eine Transparenzliste, so Klingebiel, in der jeder sehen könne, wohin genau die deutsche Entwicklungshilfe fließt.
Wenn eine Regierung entwicklungsorientiert ist, kann man eine Menge erreichen. Wenn sie es nicht ist, kann man gar nichts erreichen.
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Stephan Klingebiel, Experte für Entwicklungspolitik
Klingebiel sprach von großen Erfolgen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. "Wir haben eine Liste von Ländern, die berechtigt sind, Entwicklungszusammenarbeit zu beziehen. Von dieser Liste sind seit 1983 48 Länder runtergenommen worden. Die sind graduiert, die sind keine Entwicklungsländer mehr, wie zum Beispiel Südkorea."
Die von US-Präsident Trump angekündigte Auflösung der US-Entwicklungshilfebehörde USAID wäre ein schwerer Schlag für Hilfsorganisationen weltweit – auch in der Ukraine.08.02.2025 | 1:52 min
Niebel: Die UNRWA ist komplett mit Hamas durchsetzt
Seit langer Zeit ist die Zusammenarbeit mit dem "Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten" (UNRWA) ein großer Streitpunkt. Der UNRWA wird unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit der Terrororganisation Hamas vorgeworfen. Nach Informationen des israelischen Geheimdienstes sollen 12 Angestellte der UNRWA am Terror der Hamas vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein.
Die Vereinten Nationen haben Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA entlassen. Sie sollen möglicherweise am Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein.06.08.2024 | 0:24 min
Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel: "Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat immer behauptet, wir arbeiten nicht mit der Hamas zusammen, wir arbeiten nur mit der UNWRA zusammen."
Aber das die UNRWA komplett mit Hamas durchsetzt ist, dass hat man ausgeblendet.
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Dirk Niebel, Ex-Entwicklungsminister
Die radikalislamische Hamas gräbt zum Beispiel Wasserleitungen aus, um aus dem Material Raketen zu bauen. Auf die Idee, dass jemand unsere Wasserleitung der ländlichen Bewässerungsprojekte wieder ausbaut und daraus Raketen und Raketenwerfer baut, sei man nicht gekommen, sagt Niebel. "Wir haben uns nur gewundert, weshalb die Bewässerung nach wenigen Monaten nicht mehr gut funktioniert hat."
Israels Verbot der auch im Gazastreifen tätigen UN-Hilfsorganisation UNRWA auf seinem Staatsgebiet, schlägt international hohe Wellen. Die Lage in Gaza wird noch dramatischer. 29.10.2024 | 2:47 min
Dirk Niebel verurteile aufs Schärfste, dass die Hamas Kommandozentralen unter anderem in Schulen und Krankenhäusern einrichtet und von dort auch Raketen abschieße. "Das sind Kriegsverbrechen. Das sind legitime militärische Ziele. (…) Deswegen darf kein einziger Cent mehr an diese kriminelle Vereinigung gehen. Man muss eine andere Alternative finden."
Quelle: dpa
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