König Charles - das Königshaus und die Kolonialisierung

    Interview

    Proteste in Australien:"Charles nicht Totengräber des Commonwealth"

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    Proteste gegen die britische Krone in Australien - und König Charles mittendrin. Wie gefährdet ist die Position des Monarchen in früheren Kolonialgebieten? Ein Historiker erklärt.

    König Charles III.
    Die dunkle Vergangenheit der Sklaverei überschattet auch das britische Königshaus. Noch ist Charles III. Staatsoberhaupt von 15 Ländern. Aber der Mythos der Monarchie bröckelt. 15.06.2023 | 29:41 min
    König Charles und Königin Camilla haben ihre Reise nach Australien und Samoa gestartet. Der britische Monarch und seine Gattin wurden Down Under mit Jubel begrüßt - aber nicht von jedem. Zuletzt sorgte eine indigene Politikerin, die Senatorin Lidia Thorpe, für Aufsehen, als sie beim royalen Besuch im Parlament laut "Sie sind nicht mein König!" rief.
    Thorpe steht für einige indigene Personen und Bewegungen, die sich seit Jahren in früheren Kolonialgebieten zu Wort melden und eine Entschuldigung sowie in einigen Fällen Reparationen für die Verbrechen an ihren Völkern fordern. Proteste in dieser Richtung mussten nicht nur Charles und Camilla über sich ergehen lassen, sondern auch schon Prinz William und Prinzessin Kate sowie Prinz Edward und Herzogin Sophie bei ihren Karibik-Reisen im Jahr 2022.
    Wie gelingt den UK-Royals ein Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte? Bricht das Commonwealth auseinander, wenn sich immer mehr Länder von der Krone verabschieden? Diese Fragen beantwortet der Historiker Benedikt Stuchtey von der Universität Marburg.
    Camilla und Charles laufen im schottischen Parlament mit der Vorsitzenden Alison Johnson einen Gang entlang
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    ZDFheute: König Charles und Königin Camilla sind in Australien mit Protesten begrüßt worden. Haben Sie damit gerechnet?
    Benedikt Stuchtey: In Australien hätte man ein bisschen weniger damit rechnen können als in anderen ehemaligen Kolonialgebieten. Australien - ähnlich wie Kanada und Neuseeland - war immer sehr eng mit der britischen Krone verbunden. Insofern sind die Proteste etwas überraschender. Sieht man sich andererseits die Kolonialgeschichte in Australien und Neuseeland und die Behandlung der indigenen Bevölkerung, der Aborigines an, ist es kein Wunder, dass sich dieses ehemalige Kolonialgebiet immer deutlicher emanzipieren und distanzieren will.

    ... lehrt Neueste Geschichte an der Universität Marburg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Untersuchung des britischen Empires. Von 2004 bis 2013 war er Stellvertretender Direktor des Deutschen Historischen Instituts London.

    ZDFheute: Wie sollte Charles am besten mit diesen Protesten umgehen? Der niederländische und der belgische König haben sich in der Vergangenheit für Kolonialverbrechen ihrer Vorfahren entschuldigt.
    Stuchtey: Ich denke, dass Charles von anderen, zum Teil viel moderneren Monarchien in Europa lernen könnte.

    König Charles müsste sich entschuldigen. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt.

    Benedikt Stuchtey, Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Uni Marburg

    Ein naheliegender und ergänzender Schritt wäre eine Wiedergutmachung. Diese kann finanzieller Natur sein oder auch durch eine Verstärkung der Zusammenarbeit in Bereichen wie Wissenschaft, Gesundheit oder Bildung. Die Zusammenarbeit darf dabei nicht wie eine Geste des Wohlwollens von oben herab verstanden werden, sondern ein Miteinander und Füreinander darstellen.
    Charles und Camilla von oben
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    Prinz William hatte sich in Jamaika 2022 gemeinsam mit seiner Frau Kate auf einem Jeep stehend abbilden lassen. Das ist eine fast koloniale Geste. Wie bewusst ihm das gewesen ist, ist schwierig zu sagen. Aber darauf muss man unbedingt verzichten. Charles wird das wohl auch nicht tun. Er ist in diesen Dingen sehr reflektiert.
    ZDFheute: Vor knapp zwei Jahren ordnete der niederländische König Willem-Alexander an, die Rolle des Königshauses im Kolonialismus unabhängig untersuchen zu lassen. Wäre das auch ein Modell für die britische Monarchie? Wie wichtig kann Aufklärung sein?
    Stuchtey: Selbstverständlich müssten Historiker und alle, die sich mit der Kolonialgeschichte befassen, uneingeschränkten Zugriff zu allen Archivmaterialien erhalten. Insgesamt ist es sehr unkompliziert, aber es gibt immer wieder Einschränkungen. Da trägt die Monarchie eine Verantwortung, ihre eigenen Quellenbestände offenzulegen.
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    Königin Camilla feiert heute ihren siebenundsiebzigsten und hat volles Programm: Mit König Charles geht es zur Parlamentseröffnung.17.07.2024 | 0:43 min
    ZDFheute: Queen Elizabeth sah sich während ihrer Regierungszeit dem Commonwealth sehr verbunden. Als sie noch zu Lebzeiten ihren ältesten Sohn als Nachfolger ausrief, unkten manche schon, Charles würde der Totengräber des Bündnisses. Wie sehen Sie das im Hinblick auf die Proteste in einigen Mitgliedsstaaten?
    Stuchtey: Ich glaube nicht, dass König Charles der Totengräber des Commonwealth ist. Die Bedeutung des britischen Empires wird in Zukunft nicht so weit abnehmen, dass wir von einem Tod sprechen können. Die Bezüge zum Commonwealth in den einzelnen Ländern werden anders formuliert werden als noch in früheren Zeiten. Sie werden selbstständiger und souveräner in den Ländern.
    ZDFheute: Blicken wir in die Zukunft: Der Thronfolger William sieht sich in der Tradition seiner Großmutter, die sich dem Commonwealth verschrieben hatte. Doch der heute 42-Jährige wird sich eines Tages mit einer Generation konfrontiert sehen, die dem Königshaus und der Monarchie allgemein nicht viel abgewinnen kann. Welche Strategie sollte der Prinz von Wales wählen, um relevant zu bleiben?
    Stuchtey: Dies ist eine schwierige Frage, weil sie einerseits tief in die Geschichte zurückgreift und andererseits etwas erfahren will, was schwer vorherzusagen ist.

    Die Monarchie wäre am besten beraten, wenn sie sich von ihren eigenen Regeln, die oft sehr starr und historisch begründet sind, emanzipiert und selbstständiger agiert.

    Benedikt Stuchtey, Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Uni Marburg

    Aus deutscher Perspektive ist das leicht gesagt. Die Monarchie hat politische und gesellschaftliche Regeln, die ihr vorgeschrieben sind und nicht so leicht zu brechen sind. Gerade von Älteren werden diese gutgeheißen, aber von Jüngeren nicht. Charles und William sind gut beraten, sich von diesen historischen Traditionsbeständen zu emanzipieren. Sie tun das - aber das wird nicht in radikalen Schritten passieren.
    Das Interview führte ZDFheute-Redakteurin Laura Schäfer.

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    Quelle: ZDF

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