SPD-Chef Klingbeil in der Türkei: Von Atatürk lernen

    SPD-Chef auf dreitägiger Reise:Klingbeil in der Türkei: Von Atatürk lernen

    Andreas Huppert
    von Andreas Huppert
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    In der Türkei besucht SPD-Chef Klingbeil die Schwesterparteien CHP und DEM. Von Beziehungspflege und dem Umgang mit einem komplizierten Partner.

    SPD-Chef Klingbeil
    SPD-Chef Klingbeil unternimmt eine dreitägige Reise in der Türkei.
    Quelle: dpa

    Es hat schon etwas Staatsmännisches, wenn Lars Klingbeil am Atatürk Mausoleum in Ankara einen Kranz niedergelegt. Nelken, in rot und weiß gehalten, den türkischen Nationalfarben - und den Farben der SPD. Das passt.
    Auch der einsetzende Regen tut dem militärischen Zeremoniell da keinen Abbruch. Es ist die Ehrenbekundung für den Staatsgründer der türkischen Republik, Mustafa Kemal, genannt Atatürk, mit der die dreitägige Türkei-Reise des SPD-Vorsitzenden beginnt. Klingbeil schreibt ins Gedenkbuch:

    Respekt und Anerkennung für Mustafa Kemal, der die Grundlage für eine moderne und gleichberechtigte Gesellschaft schuf.

    Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender

    Recep Tayyip Erdoğan (2002) vor der türkischen Flagge.
    Seit Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 2003 an die Macht gekommen ist, hat die Türkei einen Abstieg von der Demokratie zur Autokratie erlebt.12.05.2023 | 51:32 min

    Türkei: Klingbeil besucht Schwesterpartei CHP

    Wie weit die Türkei heute von einer gleichberechtigten, gerechten und demokratischen Gesellschaft entfernt ist, zeigt sich beim Besuch in der CHP-Parteizentrale. Die CHP ist eine der Schwesterparteien der SPD und die älteste türkische Partei. Gegründet 1923 eben von Atatürk. Ihre Mitglieder - immerhin 1,4 Millionen - sind proeuropäisch, sehen die Zukunft der Türkei als Mitglied in der EU.
    Die CHP ist größte Konkurrentin zur regierenden AKP-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Seine rechtspopulistisch, nationalistisch und islamisch geprägte Präsidentenpartei regiert seit 2002 überaus autoritär in der Türkei. Die CHP leidet unter diesem System, sieht sich immer wieder Repressalien und Verbotsverfahren ausgesetzt.
    Recep Tayyip Erdoğan, im Hintergrund die 1915-Canakkale-Brücke, die längste Hängebrücke der Welt.
    Einst Führer einer nach außen hin demokratischen, wohlhabenden Nation, ist der türkische Präsident Erdoğan nach 20 Jahren an der Macht zu einem Autokraten mit diktatorischen Zügen geworden.12.05.2023 | 47:13 min

    Klingbeil: Abkommen zur Zusammenarbeit

    Schlimmer noch trifft es die linksgerichtete und pro-kurdische DEM-Partei. Etliche ihrer Funktionäre, darunter gewählte Bürgermeister, sitzen in Haft. Die DEM ist aus der von einem Verbotsverfahren durch den türkischen Staat bedrohten HDP hervorgegangen. Immer wieder ist die Partei staatlicher Willkür und Repressalien ausgesetzt.
    Auch die DEM ist eine Schwesterpartei der deutschen Sozialdemokraten. Mit beiden türkischen Parteien hat Lars Klingbeil ein Abkommen zur Zusammenarbeit vereinbart. Er sagt:

    Wenn man die Situation der CHP und DEM sieht, wird klar: Repressionsfreie Politik zu machen, ist ein Privileg. Es zeigt, dass es für viele Parteien in der Welt nicht selbstverständlich ist.

    Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender

    Türkei als wichtiger Partner Deutschlands

    Die jetzige Türkeireise ist der zweite Besuch Klingbeils. Das türkische-deutsche Verhältnis ist ihm wichtig. Die Verbindungen zwischen den Ländern elementar, sagt er, leben doch mehr als 1,5 Millionen Menschen aus der Türkei in Deutschland. Klingbeil sieht das Land am Bosporus als geopolitisch wichtigen Partner - trotz seines unberechenbaren Präsidenten.
    Die Türkei ist Nato-Partner. Der SPD-Chef weiß, man braucht Erdogan, man muss sich mit ihm arrangieren. "Erdogan ist gewählt - damit haben wir umzugehen", sagt Klingbeil. Zu wichtig sind die beherrschenden Themen wie Migration, der Krieg in der Ukraine und der Krieg im Nahen Osten.
    Türkei-Experte Dawid Bartelt
    Erdoğan sei dafür bekannt, dass er "rhetorisch gerne überstrapaziert", sagt Türkei-Experte Dawid Bartelt mit Blick auf die Drohungen des türkischen Präsidenten gegenüber Israel.29.07.2024 | 9:08 min

    Klingbeil: Flächenbrand in Nah-Ost verhindern

    "Wir müssen verhindern, dass da ein Flächenbrand entsteht", da ist sich Lars Klingbeil nach einem Treffen mit türkischen Außenminister Hakan Fidan einig. Der hatte den SPD-Vorsitzenden kurzfristig zum Gespräch eingeladen. Einig waren sich die beiden auch darin, dass es jetzt vorrangig eine schnelle Waffenruhe brauche.
    Für Klingbeil ist die Türkei ein wichtiger Akteur in der Region - und ein wichtiger Partner für Europa - was nicht heißt, das es keine unterschiedlichen Auffassungen gibt. "Wir brauchen wieder mehr Dialog", resümiert Klingbeil.
    Ein Zitat von Mustafa Kemal (Atatürk) lautet: "Der Wanderer muss nicht nur den Weg, sondern auch den Horizont dahinter sehen." Den außenpolitischen Horizont seiner SPD will Klingbeil erweitern, neu ausrichten. Das hat er in seiner Bewerbungsrede zum Parteivorsitzenden 2021 versprochen. Der Besuch in der Türkei gehört sicherlich dazu.

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