Vier Jahre Haft für Blockade:So hart geht Großbritannien gegen Klimakleber vor
von Wolf-Christian Ulrich
|
Klimakleber müssen für ihre Aktionen im Vereinigten Königreich mit harten Strafen rechnen. Wie viel Schaden nimmt die Demokratie durch das neue, strenge Demonstrationsrecht?
Wie weit darf Klimaprotest gehen? Nach der Blockade einer Londoner Autobahnbrücke wurden fünf Klimaaktivisten in Großbritannien kürzlich zu bis zu 5 Jahren Haft verurteilt.
15.08.2024 | 2:08 min
Auch im Vereinigten Königreich sorgen Klimakleber durch schwere Behinderungen für Ärger. Sie selbst nennen es friedliche Demonstrationen, mit denen sie die Öffentlichkeit davon überzeugen wollen, den Verbrauch fossiler Brennstoffe so schnell wie möglich herunterzuschrauben, um den Klimawandel aufzuhalten. Andere dagegen nennen ihre Aktionen eine Störung der öffentlichen Ordnung, eine Nötigung, unter der dann Tausende leiden: Weil sie auf medizinische Hilfe warten, Termine oder Reisen verpassen.
Seit einiger Zeit greift die Justiz nun mit drastischen Strafen durch. Mehr als 20 Klima-Aktivisten sitzen derzeit im Gefängnis. Etwa Luise Lancaster, jüngst zu vier Jahren Haft verurteilt, weil sie gemeinsam mit anderen eine Autobahn blockiert hatte. "Der Richter redete sogar von über 10 Jahre Haft," sagt ihr Mann Tim dem ZDF. "Wir wussten, es kann lang werden."
Sie ketten sich an Brücken und verursachen kilometerlange Staus: Mit immer radikaleren Methoden versuchen Klimaschützer, auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.23.06.2022 | 33:19 min
Vier Jahre Haft für eine lahmgelegte Autobahn
Ihr Anwalt geht gegen das Urteil in Berufung. Die zentrale Frage: ob die hohen Strafen zur Tat noch im Verhältnis stehen. Clive Dolphin von der Organisation Defend our Juries etwa meint, fünf Jahre Gefängnis seien doppelt so lang wie die Strafe für gefährliche Körperverletzung. In der Tat verurteilten Richter aktuell gewaltsame Teilnehmer an den Unruhen von Hooligans, Rechtsextremen und Mitläufern zu zwei bis drei Jahren Haft. "Notfalls müssen wir uns an den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wenden," so Rechtsanwalt Raj Chada zum ZDF. "Wir scheren aus dem europäischen Rahmen aus."
Wir wollen unsere Sorge ausdrücken über die hohen Strafen gegen friedliche Demonstranten - die europaweit ihres gleichen suchen.
„
Raj Chada, Rechtsanwalt
In Deutschland hatte die CDU solche Strafen auch verlangt - war damit aber im Bundestag gescheitert. Im Vereinigten Königreich dagegen hatte die konservative Vorgängerregierung unter Rishi Sunak vor einem Jahr die neuen Strafen eingeführt, nachdem Klimakleber britische Straßen blockiert hatten. "Dieses Gesetz bringt neue Straftatbestände gegen inaktzeptabel störende oder schädliche Protest-Taktiken," so die damalige Innenministerin Suella Braverman. "Jetzt werden diese schädlichen Taten mit richtigen Strafen geahndet."
Bürgerrechtsorganisationen und Klima-Aktivisten zeigen sich besorgt über die Verschärfung der Strafen. Das schränke das Demonstrationsrecht ein, weil Teilnehmer Angst vor Strafen mit existentiellen Auswirkungen haben müssten.
Zwei Jahre Haft, weil man ein Schild hoch hält?
In diesem Zusammenhang sorgte der Fall der 69-jährigen Trudi Warner für Aufsehen. Sie hatte bei einem Prozess gegen Klima-Aktivisten vor dem Gericht ein Schild empor gehalten, auf dem stand, die Jury Mitglieder könnten doch nach ihrem Gewissen entscheiden.
Die Staatsanwaltschaft sah das als Aufruf zur Missachtung des Gerichts an und erhob Anklage gegen Trudi Warner. Ihr drohten zwei Jahre Haft. Ein Gericht sprach sie zwar frei. Doch Klima-Aktivisten hoffen, dass die neue Labour-Regierung die strengen Gesetze nun ganz zurück nimmt.
Mein Fall wird ein Testfall für die neue Regierung.
Labour-Chef Starmer feiert seinen Sieg bei der britischen Parlamentswahl - und verspricht einen Neustart. Doch die Aufgaben, die auf die nächste Regierung warten, sind enorm.
FAQ
Welche Strafe ist angemessen für die Störung der öffentlichen Ordnung? Politik und Justiz ringen um die Frage, wie viel Schaden die Demokratie durch die neuen Gesetze nimmt.
Wolf-Christian Ulrich ist ZDF-Korrespondent für das Vereinigte Königreich und Irland.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.