Kinderarbeit in Madagaskar: Getrieben von Armut und Hunger

    Armut in Madagaskar:Wenn Kinder für Glitzer schuften müssen

    Verena Garret, Leiterin ZDF-Studio Johannesburg
    von Verena Garrett
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    Weil ihre Eltern arm sind, arbeiten tausende Kinder in afrikanischen Glimmer-Minen unter Tage. Unicef zählt die Arbeit zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit.

    Kidnerarbeit auf Madagaskar
    Auf Madagaskar arbeiten tausende Kinder in Glimmer-Minen. Unicef zählt die Arbeit zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit.24.09.2024 | 2:10 min
    Ein junges Mädchen, Malala, steht im Staub. Sie hat einen Plastikkorb in der Hand und siebt. Sie sortiert Glimmer - ein Mineral, das Millionen Produkte auf der Welt zum Glitzern bringt. Der Abbau: Oft durch Kinderarbeit, gefährlich und durch Armut erzwungen.

    Wir trennen den Glimmer von den Steinen, damit wir etwas zu essen kaufen können.

    Malala

    Das Dorf Bevia im Südosten Madagaskars ist eine Gegend, wo die Bewohner ihre eigenen Gesetze machen. Wer kann, muss arbeiten, damit die Dorfgemeinschaft überlebt - 600 Menschen. Malala weiß nicht, wie alt sie ist, sie kennt noch nicht mal ihren Nachnamen. "Sag einfach 15", ruft ein Erwachsener ihr zu, als ZDFheute sie fragt. Sie sieht eher aus wie acht oder neun Jahre.
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    Glimmer ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Mineralien, die sich in Schichten bilden. Das Material ist extrem hitzebeständig. Glimmer ist seit langem ein fester Bestandteil der Kosmetikindustrie und bekannt dafür, Make-up-Produkten und Farben einen besonderen Glanz zu verleihen. Auch in der Elektronik- und Automobilbranche wird Glimmer genutzt, da er selbst bei extremen Temperaturen elektrische Kraft ohne Überhitzung übertragen kann.

    Abbau von Glimmer: Langfristige Folgen der Kinderarbeit

    Malala ist eines von 15.000 Kindern, so eine Schätzung von Unicef, die in Madagaskars Glimmersektor arbeiten. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass Kinder vor Ausbeutung und vor Arbeit geschützt werden müssen, die gefährlich ist oder den Schulbesuch behindern. Hier ist das hinfällig.
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    "Die Arbeit in den Minen ist eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit", sagt Lisa Zimmermann, Unicef-Beauftragte für Kinderschutz auf Madagaskar.

    Die Kinder sind in einer gefährlichen Situation, sowohl was die Gesundheit als auch was die Sicherheit betrifft.

    Lisa Zimmermann, Unicef-Beauftragte für Kinderschutz, Madagaskar

    Und weiter: "Diese Arbeit wirkt sich auf ihre Entwicklung aus. Auf die Möglichkeit, zur Schule zu gehen oder sich dort zu konzentrieren. Und sie kann langfristige Folgen haben."
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    Mineral: Glimmer in diversen Produkten

    Make-Up, Batterien, Autolack - überall ist Glimmer. Abgebaut wird unter der Erde. "Da unten ist es so heiß. Ich denke immer, ich ersticke und dann komme ich hoch, um Luft zu holen", sagt Malala.
    Die Löcher, in die Malala hereinsteigt, sind selbst gegraben, ungesichert. Familien schicken ihre Kinder auf eigenes Risiko unter die Erde. Die Gänge sind eng, oft gerade groß genug für einen zierlichen Kinderkörper. Sie schlagen das Mineral mit einfachem Werkzeug aus dem Stein. Ein Jugendlicher, vielleicht 14 Jahre alt, hält die Bruchstücke hoch:

    Das ist, was wir suchen. Wenn wir das nicht hätten, hätten wir nichts.

    Minenarbeiter

    Die Minenarbeiter verdienen kaum etwas: Laut den Vereinten Nationen hat eine Familie hier etwa 13 US-Dollar im Monat zur Verfügung. Für diese Mine fehlt, wie für die meisten auf Madagaskar, eine Genehmigung.

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    Glimmer: Hitzebeständig und heiß begehrt

    In Sammellagern wird der Glimmer nach Qualität sortiert. Von hier geht zu einem Hafen und weiter auf Schiffe. Fast alles landet in China zur Weiterverarbeitung. In den letzten zehn Jahren hat sich der Export verfünffacht.
    "Mit den erneuerbaren Energien steigt die Nachfrage immer weiter: Die Automobilbranche wird immer mehr elektrisch betrieben. Wir brauchen Batterien und Glimmer ist einer der Hauptbestandteile", sagt Rado Randrianatoandro, ein Zwischenhändler, der direkt in den Dörfern kauft. Dass Minderjährige in den Minen arbeiten akzeptiert er als Folge gesellschaftlicher Normen, die über Generationen gewachsen sind:

    Mit 12 oder 13 Jahren sind viele Kinder hier verheiratet und gehen arbeiten, weil sie ein Einkommen erzielen und leben müssen. Das gehört hier dazu.

    Rado Randrianatoandro, Zwischenhändle

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    Madagaskar: Dürre und Armut im Süden

    Die Region, in der Malala mit ihrer Familie lebt, ist eine der ärmsten Madagaskars. Weit abgelegen, Hilfsorganisationen kommen selten hierher. "Wir haben keine andere Wahl", sagt Malalas Mutter, Marie. Sie hat elf Kinder, außer den beiden Kleinsten müssen alle arbeiten.

    Madagaskar zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Im Index der menschlichen Entwicklung nimmt es den 177. Platz von 193 Staaten ein. In den vergangenen Jahren haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie eine hohe Inflation in Folge des Kriegs in der Ukraine die Lage der Bevölkerung in Madagaskar noch einmal dramatisch verschlimmert.

    Mit umgerechnet 517 US-Dollar im Jahr liegt das jährliche Bruttonationaleinkommen pro Kopf weit unter dem Durchschnitt der anderen afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung leben in extremer Armut. Rund die Hälfte der Menschen können sich nicht ausreichend mit Nahrung versorgen, unter den Kleinkindern (bis fünf Jahre) ist fast jedes zweite chronisch mangelernährt - eine der höchsten Raten weltweit.

    Fast die Hälfte der Bevölkerung hat laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, nur zwölf Prozent verfügen über eine gesicherte Sanitärversorgung.

    Früher baute die Familie genug Gemüse an, um das ganze Dorf zu versorgen. Der Klimawandel änderte alles. Malala zeigt auf ein vertrocknetes Feld: "Wir werden verhungern, hier wächst nichts", sagt sie. Die meisten Familien essen nur einmal am Tag: Reis und Maniok. Satt wird niemand, die Armut treibt sie in die Löcher unter die Erde.

    Wenn wir den Glimmer nicht hätten, wären wir wahrscheinlich tot.

    Malala

    Ein Weg voller Schlamm, über den ein Traktor fährt. Daneben steht eine Hütte.
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    "Unser Land ist komplett vertrocknet", sagt Marie Edvige Limbiaze’e. Tage, die von Hunger bestimmt sind. Manche Kinder haben eine Sehnsucht nach einer anderen Zukunft: Malala will Lehrerin werden, erzählt sie uns.
    Ein Wunsch, mit kaum einer Chance, Wirklichkeit zu werden. Die Arbeit in den Glimmerminen ist für die Kinder in Bevia alternativlos. Sie leben nur im Heute - nur für die nächste Mahlzeit.
    Verena Garrett ist Studioleiterin im ZDF-Studio Johannesburg.

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