Nach Bidens Rückzug: Ist der Kandidatenwechsel angreifbar?

    FAQ

    Nach Bidens Rückzug:Ist der Kandidatenwechsel angreifbar?

    von Oliver Klein und Jan Schneider
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    Der Rückzug Bidens kommt für die Republikaner ungelegen. Dürfen die Demokraten ihren Kandidaten überhaupt kurzfristig austauschen? Und was bedeutet das für Trumps Kampagne?

    Joe Biden verlässt das Rehoboth Beach Police Department in Rehoboth Beach, Delaware, am 13.07.2024
    Joe Biden steht nicht wieder zur Wahl - was bedeutet das für die Kampagne der Republikaner?
    Quelle: AFP

    Donald Trump und seine Republikaner sind sauer. Die Demokraten hätten die Öffentlichkeit mit dem Wechsel im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur "belogen und in die Irre geführt", schreibt Trump auf seinem eigenen Netzwerk Truth Social. Auch die Republikanische Partei sei damit getäuscht worden, "wodurch sie viel Zeit und Geld verschwendet hat". In einem früheren Beitrag forderte Trump sogar eine Entschädigung für seine Partei für die Ausgaben im Wahlkampf gegen Joe Biden.
    Dürfen die Demokraten ihren Präsidentschaftskandidaten überhaupt so kurzfristig austauschen oder ist der Schachzug am Ende angreifbar? Und was bedeutet der Wechsel für Trumps Kampagne? ZDFheute mit einem Überblick.

    Ist der Kandidatenwechsel der Demokraten angreifbar?

    Der ehemalige Berater von Donald Trump, Stephen Miller, nannte den Kandidatenwechsel bei Fox News einen "brutalen Angriff auf die amerikanische Demokratie, wie wir ihn in der Geschichte der großen amerikanischen Parteien noch nie erlebt haben."
    Kamala Harris | US-Vizepräsidentin
    Nach Bidens Rücktritt übernimmt Kamala Harris die Wahlkampfzentrale im US-Bundesstaat Delaware. Donald Trump schießt sich bereits auf seine neue Gegnerin ein.23.07.2024 | 2:26 min
    Tatsächlich gibt es allerdings keinerlei Rechtsanspruch der Republikaner, sich bei der US-Wahl mit dem amtierenden Präsidenten Biden zu messen. Man könne diese Äußerungen als "politische Meinungsmache" einstufen, meint der Politikwissenschaftler und USA-Experte Johannes Thimm von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit ZDFheute.

    Die Regeln für die Nominierung eines Kandidaten werden von den jeweiligen Parteien selbst gemacht. Da haben die Republikaner bei den Demokraten nichts mitzureden.

    Johannes Thimm, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Der Kandidatenwechsel sei zwar eine "ungewöhnliche Situation" im Wahlkampf, es gebe aber keine Regelungen, die ihn untersagen. Offiziell nominiert werden sollte auch Biden erst beim Parteitag der Demokraten vom 19. bis 22. August.
    Möglicherweise findet die Abstimmung über den Kandidaten nun schon vor dem Parteitag in digitaler Form statt, um ein mögliches rechtliches Problem im wichtigen Bundesstaat Ohio vermeiden: Es steht im Raum, dass dort eine Frist bis zum 7. August für die Benennung der Präsidentschaftskandidaten gilt, damit am Ende der richtige Kandidat oder die richtige Kandidatin auf dem Stimmzettel steht - die Gesetzeslage dazu ist aber nicht ganz eindeutig.
    Kamela Harris winkt lächelnd auf dem Weg zu einem Event am Weißen Haus.
    Nach eigenen Angaben hat Kamala Harris genug Unterstützung für eine Präsidentschaftskandidatur. Ihre Kampagne konnte Spendengelder von mehr als 80 Millionen Dollar verbuchen.23.07.2024 | 1:29 min

    Welche Bedeutung hat das Ergebnis der Vorwahlen?

    In den USA ist es üblich, dass die Parteien sogenannte Vorwahlen abhalten, um die jeweiligen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zu bestimmen. Joe Biden gewann bei den Vorwahlen der Demokraten die große Mehrheit der Delegierten: fast 3.900. Diese waren bisher eigentlich verpflichtet, für Biden zu stimmen.
    Mit seinem Rückzug sind die Delegierten jedoch nicht mehr an Biden gebunden. Sie sind frei, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie in der sogenannten "Open Convention", dem offenen Parteitag, stimmen.
    "Es kommt an auf Geld und klare Botschaften!"
    Jeff Rathke von der Johns Hopkins University analysiert die Situation nach Joe Bidens Rückzug als Präsidentschaftskandidat und die Chancen für Vizepräsidentin Kamala Harris.22.07.2024 | 5:28 min
    Experte Thimm gibt zu bedenken, dass es sich bei den Vorwahlen auch nicht wirklich um eine kompetitive Wahl gehandelt hat. Gegenkandidaten, wie der Abgeordnete Dean Phillips aus Minnesota, schafften es nicht in allen Bundesstaaten auf den Wahlzettel. Aussichtsreichere Herausforderer verzichteten, da Biden als Amtsinhaber traditionell das Vorrecht auf die Kandidatur eingeräumt wurde.
    Dass Kamala Harris nun "nachrückt", sei rechtlich unproblematisch: Sie ist als Vize-Präsidentin die direkte Nachfolgerin von Biden, sollte er aus irgendwelchen Gründen aus dem Amt ausscheiden. Und wenn sie die Mehrheit der Delegierten für sich gewinnt, ist ihre Nominierung formal einwandfrei.
    Kamala Harris | US-Vizepräsidentin
    Nach Bidens Rücktritt übernimmt Kamala Harris die Wahlkampfzentrale im US-Bundesstaat Delaware. Donald Trump schießt sich bereits auf seine neue Gegnerin ein.23.07.2024 | 2:26 min

    Was bedeutet Bidens Rückzug für die Trump-Kampagne?

    Der Wahlkampf der Republikaner muss nun völlig neu ausgerichtet werden. Bisher wendete die Partei enorme Ressourcen auf, um Joe Biden als zu alten und senilen Präsidentschaftskandidaten darzustellen. Es sollte "ein Kontrast von Stärke und Schwäche" inszeniert werden, wie es die US-Zeitschrift "The Atlantic" nannte - Trump voller Energie, Biden als "bemitleidenswerter alter Kerl, weniger als Bösewicht, vielmehr als Zielscheibe eines sehr schlechten Witzes". Die Trump-Wahlkampfmanagerin Susie Wiles nannte Biden sogar "ein Geschenk" für die Republikaner.
    Nun wird Kamala Harris vermutlich die Kandidatin der Demokraten. Für die Trump-Kampagne würde das bedeuten: Sie muss in kurzer Zeit eine Strategie für eine Gegnerin entwickeln, die fast zwei Jahrzehnte jünger ist als ihr eigener Kandidat Donald Trump. Während die Wahlkämpfer monatelang erfolgreiche Botschaften gegen Biden getestet und verfeinert hatten, müssen jetzt neue Angriffspunkte gefunden und Slogans umformuliert werden.
    Nazan Gökdemir im Gespräch mit Liana Fix
    Der bisherige US-Wahlkampf habe gedroht, "als einer der langweiligsten" in die Geschichte einzugehen, so Politologin Liana Fix.22.07.2024 | 4:21 min
    Eine erwartbare Taktik: Die Republikaner werden wohl versuchen, Kamala Harris als Politikerin darzustellen, die mit Joe Biden all das falsch gemacht hat, was aus Sicht der Republikaner in den letzten Jahren falsch gelaufen ist, erklärt die Politologin Liana Fix im ZDF.
    Wie stellt sich der Wahlkampf der Republikaner auf Kamala Harris ein und welche Chancen hat die Vizepräsidentin gegen Donald Trump? Eine Zusammenfassung hier:

    US-Wahlkampf
    :Welche Chance hat Kamala Harris gegen Trump?

    Joe Biden ist im US-Wahlkampf nicht mehr Donald Trumps Gegner. Die Frau, mit der er es wahrscheinlich zu tun bekommt: Kamala Harris. Hat die Vizepräsidentin eine Chance gegen ihn?
    von Katharina Schuster
    Kamala Harris hält eine Rede.
    FAQ

    Waren die Republikaner auf den Wechsel vorbereitet?

    Völlig unvorbereitet traf Bidens Entscheidung die Trump-Kampagne nicht: Bereits Ende Mai kursierte im republikanischen Wahlkampf-Team offenbar ein vertrauliches Dokument, das Szenarien skizziert, bei denen Biden nicht mehr als demokratischer Präsidentschaftskandidat zur Wahl antritt. Darüber berichtet aktuell das Magazin "Politico". Das Dokument erklärt demnach beispielsweise detailliert, wie Delegierte beim Konvent der Demokraten einen Aufstand starten und Biden die Nominierung verweigern könnten.
    In einem weiteren Dokument der Republikaner werden Namen potenzieller Alternativ-Kandidaten erwähnt, darunter Vizepräsidentin Harris. Die Trump-Kampagne bereitete dem Bericht zufolge bereits Angriffe gegen andere demokratische Kandidaten vor. Es sei schon Material gegen potenzielle Rivalen gesammelt und sogar Videos produziert worden. Nach Bidens Rückzug veröffentlichten die Republikaner sofort eine Werbekampagne gegen Harris.

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