Trudeaus Rücktritt: Gescheiterter Sonnyboy der Weltpolitik

    Analyse

    Sunnyboy der Weltpolitik:Warum Kanadas Premier Trudeau gescheitert ist

    Nicola Albrecht, ZDF-Korrespondentin in New York
    von Nicola Albrecht
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    Smart, progressiv und liberal: Justin Trudeau wollte Kanada zur Musterdemokratie machen - und scheiterte. Welche Gründe das hatte und wie es im Land nun weitergehen könnte.

    Kanada, Ottawa: Premierminister Justin Trudeau
    Seit 2015 Premierminister von Kanada: Justin Trudeau (Archivbild)
    Quelle: ddp

    Neun Jahre war Justin Trudeau Premierminister von Kanada. Viel zu spät komme sein Rücktritt nun, finden viele Kanadier. Seit Monaten sind seine Umfragewerte im Keller, drei von vier Kanadier sprachen sich jüngst für einen Rücktritt aus.
    Sie machen den charismatischen Premierminister und seine Politik für die zunehmende Inflation, gestiegene Preise und Wohnungsnot verantwortlich. In der Corona-Pandemie habe er den Bürgern zu viele Lasten aufgebürdet. Die Arbeitslosenquote ist seitdem deutlich gestiegen, die Wirtschaft eingebrochen.
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    Er setzte auf die Aussöhnung mit den indigenen Völkern und legalisierte Cannabis, doch viele werfen ihm eine verfehlte Klima- und Einwanderungspolitik vor.
    Mit seiner liberalen Agenda und progressiven Migrationskurs sind seit 2016 mehr als drei Millionen Einwanderer ins Land gekommen. Doch die Integration klappte nicht wie gewünscht - und die Bürger fühlten sich mit ihren Sorgen, Problemen und einer schwächelnden Wirtschaft alleingelassen.

    Trump nennt Trudeau "Gouverneur des 51. Bundestaates der USA"

    Mit den liberalen Kräften in der EU und dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama pflegte er eine enge Verbindung. Doch nun steht Donald Trump als nächster US-Präsident vor der Tür und droht Trudeau mit Zöllen von bis zu 25 Prozent auf Importe aus Kanada.
    Ein Besuch sollte Trump umstimmen, doch der designierte Präsident machte sich über Trudeaus hilflosen Akt nur lustig und nannte ihn den "Gouverneur des 51. Bundestaates der USA".
    Nach Trudeaus Rücktrittsankündigung setzte Trump gleich noch einen drauf. Kanada solle doch mit den USA fusionieren: "Zusammen - was wäre das für eine großartige Nation", lautete sein Kommentar. Dann würden auch die Zölle wegfallen, schrieb Trump in seinem Online-Dienst "Truth Social".
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    Kanadas Liberale im Umfragetief

    Noch wird Trudeau die Amtsgeschäfte weiterführen. Er hat angekündigt, dass die Regierung erst Ende März wieder zusammentreten wird, statt wie geplant bereits im Januar. Damit will er sich Luft verschaffen, denn seine Partei muss einen Nachfolger finden.
    Die Wahlen könnten im Mai stattfinden, spätestens bis Oktober muss Kanada gewählt haben. Und Trudeau und seine Liberalen müssen mit einer krachenden Niederlage rechnen. 40 Prozent der Bürger wollen laut aktuellen Umfragen für die konservative Opposition unter Pierre Poilievre stimmen.
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    Und der klingt in seinen Ankündigungen ein wenig wie Trump und verspricht Bürokratieabbau, Steuererleichterungen, Wohnungsbauprogramme und das härteste Vorgehen aller Zeiten gegen Kriminalität im Land. Eine CO2-Steuer gebe es mit ihm nicht und mit der radikalen Wokeness von Trudeau sei nun ohnehin bald Schluss, erklärt er in einem Zeitungsinterview.

    Poilievre mit guten Chancen auf Amt des Premiers

    Als krasser Rechtspopulist gilt der 45-jährige Parteichef der Konservativen Partei dennoch nicht, eher als traditioneller wirtschaftnaher Konservativer, der für freien Handel steht, aber auch für ein starkes Bündnis mit der Nato wirbt.
    Europa ist er gewogen, die Ukraine will er weiter unterstützen und auf Trump geht er einen Schritt zu, nicht mit ganz offenen Armen, aber er verspricht mit ihm konstruktiv und gewinnbringend für Kanada zusammenarbeiten zu wollen. Damit hat er bei den kommenden Wahlen wohl gute Chancen Kanadas nächster Premierminister zu werden.
    Nicola Albecht ist Korrespondentin im ZDF-Studio New York.

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    Quelle: ZDF

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