Studie: Deutschlands Jugend fühlt sich benachteiligt

    Studie "Junges Europa":Deutschlands Jugend fühlt sich benachteiligt

    Christiane Hübscher
    von Christiane Hübscher
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    Eine europäische Jugendstudie zeigt: Junge Menschen haben grundsätzlich Sympathie für Europa - nationalen Parteien und Regierungen aber stellen sie schlechte Zeugnisse aus.

    Eine junge Frau steht in ihrer Wohnung an einem Fenster.
    Die TUI-Jugendstudie "Junges Europa 2024" soll Einblicke in das Leben junger Leute geben. Es gibt gute Nachrichten - und weniger gute. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Die Jugend von heute - sie scheint nicht so einfach zu erfassen zu sein. Denn es sind sehr unterschiedliche Befunde, die in der neuen TUI-Jugendstudie "Junges Europa 2024" stecken.
    Ein positiver vielleicht zuerst: Mehr als die Hälfte der jungen Europäer findet, dass die EU-Mitgliedschaft "eine gute Sache" ist. Die Mehrheit fühlt sich gleichermaßen europäisch UND als Bürger ihres Nationalstaats. Ausnahme Polen: Hier fühlen sich 55 Prozent nur als Bürger ihres Landes. Wichtigste Errungenschaft der Europäischen Union ist für die jungen Befragten die Reisefreiheit, drängendstes Problem die Migration.
    Wie würden Sie sich selbst am ehesten beschreiben?
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    Und dann die erste harte Erkenntnis: Mehr als 70 Prozent der jungen Europäer fühlen sich vom Europaparlament mittelmäßig bis gar nicht vertreten. Nur noch 64 Prozent der jungen Deutschen halten die Europawahlen für wichtig.
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    Glaube an Europäische Idee, nicht aber an Institutionen

    Ein noch negativeres Bild zeigt sich, wenn die jungen Umfrageteilnehmer zwischen 16 und 26 Jahren zum Zustand der Demokratie in ihrem jeweiligen Land befragt werden. Dort bringen im Schnitt nur noch 10 Prozent politischen Parteien Vertrauen entgegen, in Deutschland sind es 16 Prozent. Gerade einmal 16 Prozent der jungen Europäer vertrauen dem eigenen Parlament oder der eigenen Regierung. Deutsche Jugendliche sehen es dabei vergleichsweise nicht ganz so düster: Hier hat noch ein knappes Drittel Vertrauen in Parlament und Regierung.
    Wie sehr vertrauen Sie den folgenden Organisationen und Gruppen?
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    Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat, sieht darin ein durchaus typisches Muster. Gegenüber ZDFheute sagt er:

    Europa ist häufig, gerade auch in Ländern, die nicht gut dastehen, eine Projektionsfläche für Verbesserung.

    Thorsten Faas, Politikwissenschaftler

    Wenn im eigenen Land die Zufriedenheit mit den handelnden Akteuren sehr niedrig sei, dann wirke Europa häufig sehr positiv, aber eben auch abstrakt. "Auch bei Europa sehen die jungen Menschen Stärken und Schwächen - viele sogar beides gleichzeitig", so Faas.
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    Junge Menschen fühlen sich benachteiligt

    Dramatisch ist der Befund, dass in Deutschland mittlerweile 40 Prozent der jungen Befragten sagen, die Politik berücksichtige vor allem die Interessen der Älteren. Nur in Italien sind es mit 49 Prozent noch mehr. Wissenschaftler Faas ist nicht überrascht:

    Dauerhaft und strukturell in einer Minderheitsposition zu sein - was auf junge Menschen durchaus zutrifft - daraus entwickeln sich Frust und Unzufriedenheit.

    Thorsten Faas, Politikwissenschaftler

    Für die europäische Jugendstudie "Junges Europa" beauftragt die TUI Stiftung seit 2017 das Meinungsforschungsinstitut YouGov. Befragt wurden im März fast 6.000 junge Menschen von 16 bis 26 Jahren aus Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Polen und Spanien.

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    Diffuses Stimmungsbild bei jungen Europäern

    Viele der Studienergebnisse wirken auf den ersten Blick durchaus widersprüchlich. So sagen zwar noch 75 Prozent der jungen Europäer, Wählen zu gehen sei eine Bürgerpflicht, gleichzeitig glauben nur noch 56 Prozent, dass die Wahlen in ihrem Land korrekt und fair abgehalten werden.
    Die Zustimmung für populistische Aussagen nimmt seit Jahren zu: Beispielsweise sagen 64 Prozent der deutschen jungen Menschen, Politiker würden zu viel reden und zu wenig handeln, in Griechenland sagen das sogar 78 Prozent.
    Als die jungen Befragten gebeten werden, ihren eigenen aktuellen Gefühlszustand mit einem Wort zu beschreiben, antworten sie länderübergreifend zwar zumeist mit "gut" oder "glücklich". Fragt man sie aber, wie wohl die Mehrheit ihrer Mitmenschen sich gerade fühlen dürfte, wird es wieder düster: "unsicher", wird von den Deutschen am ehesten genannt, "pessimistisch" sagen die Franzosen, "enttäuscht" die Italiener, die meisten Spanier seien "müde", die Polen gar "depressiv". So schätzt es die jeweilige Jugend der einzelnen Länder ein.
    Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.

    Wie junge Menschen leben