Jahr der Schlange beginnt:Was China zum Jahreswechsel beschäftigt
von Miriam Steimer, Peking
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Neun Milliarden Reisen erwartet China zur größten Völkerwanderung der Welt. Das ganze Land feiert das Frühlingsfest - viele Arbeiter fahren nur einmal im Jahr zu ihren Familien.
In China hat das neue Jahr begonnen. Die Stimmung ist getrübt. Der Konsum stockt, der Immobilienmarkt kriselt. Und auch der neue US-Präsident bereitet vielen Sorge. 28.01.2025 | 1:32 min
"Heute ist nicht mehr viel los, viele sind schon nach Hause gefahren", sagt Herr Wu. Er fährt seit 30 Jahren in Peking Taxi. Heute ist sein letzter Arbeitstag, heute Nacht fährt er selbst nach Hause, nach Fujian an Chinas Ostküste. "Mit meinem Auto natürlich", sagt er und lacht. 22 Stunden braucht er für die Fahrt. Seine Frau arbeitet ebenfalls als Taxifahrerin in Peking, so können sie sich auf der langen Strecke am Steuer abwechseln.
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"Wie komme ich nach Hause?"
Für viele Wanderarbeiter in Peking sind die Ferien zum Frühlingsfest, wie der erste Tag des neuen Jahres in China genannt wird, die einzige Gelegenheit, in die Heimat zu fahren und den Jahreswechsel mit der Familie zu feiern. Um acht Tage am Stück frei zu haben, wird in den Städten am Wochenende davor und am Wochenende danach gearbeitet.
Während der gesamten Feiertagsperiode werden mehr als 500 Millionen Bahnreisende erwartet. Dazu kommen 90 Millionen Passagiere an den Flughäfen und unzählige Reisen im Privat-Pkw - laut Chinas Behörden ein neuer Rekord von neun Milliarden Reisen.
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Wer nur einmal im Jahr nach Hause kommt, muss natürlich Geschenke mitbringen. Obst, Tee und der Frühlingsfest-Klassiker: ein roter Umschlag mit Bargeld drin. Das ist für viele ein Problem, denn Chinas Wirtschaft schwächelt und zum neuen Jahr der Schlange stellt sich die drängende Frage:
Geht es mit der Wirtschaft bergauf?
Laut offiziellen Daten des Nationalen Statistikamts ist China Wirtschaft im vergangenen Jahr um fünf Prozent gewachsen. Der Haken: So war es auch von Pekings Staatsführung angekündigt worden und diese Ankündigungen sind weniger eine Prognose als eine Zielvorgabe. "Internationale Schätzungen von verschiedensten Institutionen gehen alle davon aus, dass diese Zahl übertrieben ist", sagt Doris Fischer, Sinologin und Vizepräsidentin der Universität Würzburg. Die "aufhellende Stimmung zum Jahresende", wie sie Chinas Behörden verkünden, spüren die meisten Chinesen nicht. Viele haben ihr Vermögen in Wohnungen gesteckt und aufgrund der Krise am Immobilienmarkt jetzt ein Problem. Chinas Konjunktur hat sich nach der Corona-Pandemie nicht so erholt wie erhofft und viele Menschen haben sich ebenfalls vor allem vom letzten Corona-Jahr in China nicht erholt: als Pekings Staatsführung extreme Maßnahmen wie die Abriegelung ganzer Wohnblocks oder Stadtgebiete mit eiserner Hand durchsetzte.
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Dennoch sendet Peking positive Signale: Im Herbst kündigte die Staatsführung zwar kein großes Konjunkturpaket an, aber ein Stimulus-Paket mit Finanzspritzen und Zinssenkungen. Kurz vor dem Frühlingsfest ließ der Staat die Löhne von einigen Regierungsangestellten erhöhen und führte Subventionen für den Kauf von Smartphones, Geschirrspülern oder Reiskochern ein. Das Ziel: Das neue Jahr der Schlange soll auch den Konsum ankurbeln. Doch es gibt eine große Unbekannte:
Wie verändert Trump das US-China-Verhältnis?
Nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten Donald Trump könnte China weiterer Gegenwind aus den USA drohen. Im Wahlkampf hatte Trump immer wieder Zölle von bis zu 60 Prozent auf chinesische Waren gefordert. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er einen Handelskrieg mit Peking begonnen, und er bringt eine Unberechenbarkeit, die Peking überhaupt nicht schätzt.
Andererseits zieht der neue US-Präsident viel Aufmerksamkeit auf sich, was Peking nutzen könnte, um - weniger beobachtet von der westlichen Öffentlichkeit - seinen Einfluss zum Beispiel im Südchinesischen Meer auszuweiten.
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Es bleibt die Frage, wer größeren Einfluss auf Trump haben wird: China-Kritiker wie Außenminister Marco Rubio oder Tesla-Chef Elon Musk, der in China viel Geld verdient. Laut Medienberichten will Trump innerhalb seiner ersten 100 Tage im Amt wieder nach China kommen. Zum Frühlingsfest werden sich die allermeisten Chinesinnen und Chinesen mit dieser Frage allerdings nicht beschäftigen.
Miriam Steimer ist Korrespondentin für Ostasien und leitet das ZDF-Studio in Peking.
Quelle: dpa
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