In Italien sind Handys an Schulen ab sofort verboten. Das Verbot gilt während des ganzen Schultags: auch in den Pausen soll es ausgeschaltet sein.
Quelle: dpa
Ilenia fischt ihr Handy aus dem Rucksack. Sie entsperrt es, dann drückt sie die Taste an der Seite - bis der Bildschirm schwarz wird. Ausgeschaltet. Nur so darf Ilenia die Mittelschule "Ennio Morricone" in Rom betreten.
Schulminister: "Handy zerstört Kreativität"
Denn der
italienische Schulminister Giuseppe Valditara hat entschieden: Das Handy hat in der Schule nichts verloren. "Die
Schule soll ein Ort sein, wo sich das Talent und die Kreativität der Kinder entfalten. Das darf nicht durch den ständigen Gebrauch von Smartphones zerstört werden", sagt der Politiker der rechtspopulistischen Lega.
Lag es bislang im Ermessen der Lehrpersonen, ob sie ihren Schülerinnen und Schülern die Nutzung des eigenen Smartphones für bestimmte Aufgaben erlauben wollten, heißt es nun für Schulkinder der Primar- und Mittelstufe: Das Handy bleibt den ganzen Schultag über ausgeschaltet im Rucksack. Auch in den Pausen.
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38 Prozent sind durch das Handy abgelenkt
Für Ilenia geht das in Ordnung. "Wir vermissen das Handy nicht. Ohne das Telefon sind wir offener und knüpfen mehr Kontakte. Ich finde, das verbessert den Alltag in der Schule", sagt die 13-Jährige. Ihre Mitschülerin Giorgia pflichtet bei: "Ich glaube, die Handys lenken uns bloß ab und entreißen uns der richtigen Welt."
Tatsächlich zeigt eine
PISA-Studie: 38 Prozent der italienischen Schulkinder sagen, dass sie das Handy im Unterricht unkonzentriert mache. Zum Vergleich: Im europäischen Durchschnitt liegt dieser Wert bei 30 Prozent.
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Tablets im Kunstunterricht
Entsprechend glücklich ist die Lehrerin von Ilenia über das Verbot. "Ich bin absolut einverstanden mit dieser Massnahme. In unserer Schule haben wir den Zugang zu Smartphones schon seit Jahren beschränkt. Das kommt dem Unterricht, der Konzentration und der Aufmerksamkeit wirklich zugute", sagt Simona Nardini, die Italienisch unterrichtet.
Nardini betont: "Die Kinder haben trotzdem Zugang zu digitalen Lehrmitteln." Denn die Schule "Ennio Morricone" besitzt Schultablets. Die Schülerinnen und Schüler verwenden sie im Kunstunterricht, um Vorlagen für ihre Kunstwerke zu finden - oder sie zeichnen direkt auf dem Tablet.
Allerdings hat die Schule nicht für alle ein eigenes Tablet. Deshalb schlägt der 12-jährige Alex vor: "Kinder, die kein Tablet oder keinen Computer haben, könnten dann doch wenigstens das Handy dafür nutzen."
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Aus der Forschung kommt Kritik am Verbot
Aus der Forschung kommt Kritik. Der Professor für Erziehungswissenschaften Massimo Margottini sagt, dass der Umgang italienischer Kinder und Jugendlicher mit dem Smartphone zwar besorgniserregend sei. Ein Verbot sei aber der falsche Weg. "Wir müssen bedenken, dass bis zu diesem neuen Verbot der Einsatz des eigenen Handys gerade im Rahmen der Medienerziehung erlaubt war", sagt Margottini, der an der Universität Roma Tre lehrt. "Auch unter dem Aspekt der Motivationssteigerung der Schüler kann ein geschickter, vom Lehrer gesteuerter Einsatz des Handys, sehr nützlich sein."
Auch von der politischen Opposition Kritik: die Vizepräsidentin der Abgeordnetenkammer Anna Ascani von der sozialdemokratischen PD sagte zum Handy-Verbot:"Der Schulminister verbietet fürs neue Schuljahr die Handys an den Schulen und führt den handgeschriebenen Kalender wieder ein. Das sind die Prioritäten einer Regierung der Nostalgiker."
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Gartenarbeit zur Strafe
Was geschieht, wenn sich Ilenia und ihre Freunde und Freundinnen nicht an das Handyverbot halten? Der Schuldirektor Paolo Lozzi klärt auf: "Bei einem Verstoß erhält der Schüler einen Disziplinareintrag und wird von der Unterrichtsstunde ausgeschlossen." Die verpasste Zeit müsse die Schülerin oder der Schüler dann durch gemeinnützige Arbeit an der Schule ausgleichen, zum Beispiel mit
Putzen, Bücherordnen oder Gartenarbeit.
So weit wird es bei Ilenia wohl nie kommen. Sie kramt ihr Handy erst nach Schulschluss wieder hervor. "Wenn ich am Handy bin, dann meistens für Social Media. Oder ich verwende es, um mit Freunden zu schreiben und ein Treffen abzumachen", sagt Ilenia. Denn am liebsten treffe sie diese außerhalb des Screens.
An Schulen in Italien gibt es viel mehr Rektorinnen als Rektoren. Die Regierung der rechtspopulistischen Ministerpräsidentin Meloni will daher eine Männerquote einführen.