Experte: Zeichen im Nahen Osten stehen auf Konfrontation

    Interview

    Nach Israels Angriff im Libanon:Nahost-Experte: Zeichen auf Konfrontation

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    Nach dem jüngsten israelischen Angriff im Libanon spitzt sich die Lage im Nahen Osten weiter zu. Experte Jan Busse über die Ziele Israels und wie es nun weitergehen könnte.

    Politikwissenschaftler Jan Busse zugeschaltet
    Israels Angriffe führten nur zu kurzfristigen taktischen Erfolgen, sagt Nahost-Experte Busse: Getötete Kommandeure ersetze die Hisbollah.20.09.2024 | 13:15 min
    Im Nahen Osten spitzt sich die Lage immer weiter zu. Nun hat die israelische Armee eigenen Angaben zufolge einen hochrangigen Kommandeur der Hisbollah, Ibrahim Akil, im Libanon getötet. Was bezweckt Israel mit seinen jüngsten Angriffen und wie geht es in der Region weiterd?
    Nahost-Experte Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München teilt seine Einschätzungen zur Lage im Nahen Osten und Möglichkeiten für eine Deeskalation bei ZDFheute live.
    Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Jan Busse ...

    ... zu Zielen und Zweck der jüngsten Angriffe Israels

    Die gezielten Tötungen von Hisbollah-Mitgliedern im Libanon solle "natürlich die Hisbollah in ihren Organisationsstrukturen schwächen", sagt der Nahost-Experte. Vergleichbares habe es auch schon bei Angriffen auf die Terrororganisation Hamas gegeben.

    Das sind sicherlich taktische Erfolge. Langfristig werden diese Leute einfach ersetzt.

    Jan Busse, Universität der Bundeswehr in München

    Bei den Pager-Explosionen gebe es zudem deutliche Hinweise darauf, dass die Manipulationen der Geräte "kurz vor der Aufdeckung standen" und sie daher zur Explosion gebracht wurden. "Ich sehe das aktuell nicht in eine größere strategisch gezielte Operation eingebettet."
    MAZ Libanon
    Bei Luftschlägen Israels gegen die Hisbollah ist nach israelischen Angaben ein ranghoher Kommandeur der Miliz getötet worden. Diese beschoss Israel heute mit 140 Raketen. 20.09.2024 | 2:19 min
    Wäre die Manipulation der Pager nicht aufgeflogen, hätte die Aktion nach Busses Einschätzung aber durchaus einen anderen Zweck verfolgen können. Israel habe womöglich einen "Trumpf in der Hand" haben wollen, falls es zu einem offenen Krieg kommt - "dass man damit die Hisbollah für einen gewissen Zeitraum einfach verwirrt, in Angst und Schrecken versetzt und kampfunfähig macht, um sie dann dadurch zu überrumpeln".

    ... dazu, wie die Pager überhaupt manipuliert werden konnten

    Nahost-Experte Busse sieht bei der Manipulation der Pager mit Sprengstoff zwei Möglichkeiten:
    Die Hisbollah sei eine Organisation mit sehr vielen tausend Mitgliedern. "Und da gibt es immer die Möglichkeit, dass Personen bestochen oder erpresst werden, um eben Geheimnisse zu verraten und das ist hier sicherlich geschehen", sagt Busse.
    Zugleich hält er es aber auch für wahrscheinlich, dass Israel Kommunikationsnetzwerke der Hisbollah angezapft und abgehört habe und so der Zugriff ebenfalls möglich wurde.
    sgs-bruehl-tuemena
    Wie der gezielte Angriff Israels zu deuten ist und wie sich das israelische Militär dazu äußert - dazu berichten die ZDF-Korrespondentinnen Anne Brühl und Isabelle Tümena. 20.09.2024 | 2:44 min

    ... zur Situation im Norden Israels

    Israel hat das Ziel formuliert, die Hisbollah aus dem Grenzgebiet im Norden des Landes verdrängen und das Gebiet wieder sicher machen zu wollen. Israel hat Truppen in den Norden verlegt. Die Sorge vor einer Bodenoffensive im Süden des Libanon wächst.
    Auch Experte Busse warnt:

    Es stehen die Zeichen auf Konfrontation, eigentlich auch auf Krieg.

    Jan Busse, Universität der Bundeswehr in München

    Der Sondervermittler der US-Regierung, Amos Hochstein, sei noch am Montag in Tel Aviv gewesen, "um zu vermitteln in Israel und vor allem eben auch, um Israel von einem Krieg abzubringen", sagt Busse.
    Naher Osten
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    ... zu Chancen auf Deeskalation im Nahost-Konflikt

    Die USA würden natürlich schon versuchen, dafür zu sorgen, dass diese Situation deeskaliert wird, sagt der Nahost-Experte. Aber momentan stehe es nicht gut um die Verhandlungen mit der Hamas zu einem Waffenstillstand in Gaza und einem Geisel-Deal.

    Ich denke, wir müssen ganz klar sagen, dass es Signale gibt, dass zumindest Premierminister Netanjahu kein wirkliches Interesse hat an einem Geisel-Deal, an einem Austausch.

    Jan Busse, Universität der Bundeswehr in München

    Das sei dem israelischen Ministerpräsidenten auch teilweise von den israelischen Verhandlungsführern selbst vorgeworfen worden, "also unter anderem vom Chef des Mossad". Die Vorwürfe seien, "dass da teilweise eben auch neue Vorwände fabriziert werden, um eben Hindernisse zu einer Verhandlungslösung hinzuzufügen, die diese erschweren", sagt Busse.
    Die Perspektive für die Verhandlungen sei aber schon vor den Pager-Explosionen sehr schlecht gewesen, unterstreicht der Experte. Dass lange Zeit so getan wurde, als befinde man sich auf einer Art Zielgeraden, hält Busse "eher für US-amerikanische PR".
    Generell seien die USA aber natürlich "der wichtigste Verbündete der Israelis", die auch Druck ausüben und zur Deeskalation aufrufen könnten. "Von arabischer Seite wird sicherlich auch versucht, die Hisbollah zur Mäßigung zu bringen. Aber inwieweit das möglich ist, ist schwer zu sagen", sagt Busse.
    Das Interview führte Christopher Wehrmann, zusammengefasst hat es Annika Heffter.

    Nachrichten | Thema
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    Quelle: ZDF

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