Schin-Bet-Chef Ronen Bar:Gericht stoppt Entlassung von Geheimdienstchef
Trotz massiver Proteste will Israels Regierungschef Netanjahu den Chef des Inlandgeheimdienstes, Ronen Bar, entlassen. Das Oberste Gericht hat das nun vorläufig untersagt.
Israels Ministerpräsident Netanjahu hat Inlandsgeheimdienstchef Bar entlassen. Kritiker vermuten, dass Ermittlungen gegen Netanjahu-Vertraute hinter der Entlassung stecken.21.03.2025 | 0:24 min
Rückschlag für Israels Premier
Benjamin Netanjahu: Das Oberste Gericht in Israel hat die von der Regierung beschlossene Entlassung des Chefs des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, vorerst ausgesetzt. Eine Richterin erließ eine einstweilige Verfügung, die nach Angaben des Gerichts so lange gilt, bis eine Anhörung in der Angelegenheit stattgefunden hat. Dies solle bis spätestens 8. April passieren.
Zuvor hatte das israelische Kabinett Netanjahus Entscheidung, den Schin Bet-Chef seines Amtes zu entheben, einstimmig gebilligt, wie das Büro des Ministerpräsidenten in der Nacht mitteilte. Mehrere Gruppen, darunter Politiker der Opposition, hatten bei Gericht Petitionen gegen die Entscheidung der Regierung eingereicht. Die Entscheidung gilt im Land als sehr umstritten. Zwischen Netanjahu und Bar gibt es seit Längerem Konflikte. Frühere Versuche Netanjahus, Bar zu entmachten, hatten zu Protesten im Land geführt.
Nach dem Willen von Netanjahu soll Bar sein Mandat bis spätestens am 10. April beenden, wie das Büro des Ministerpräsidenten mitteilte. Es wäre laut Medien das erste Mal in der Geschichte Israels, dass eine Regierung den Leiter des Schin Bet entlässt.
Die neue israelische Offensive im Gazastreifen wurde weiter verstärkt. Auf dem Boden und aus der Luft wird gegen die Hamas vorgegangen, jedoch leiden besonders die Zivilisten.20.03.2025 | 1:37 min
Netanjahu: "Mangel an Vertrauen"
Netanjahu, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hatte die Entlassung von Ronen Bar am Sonntagabend angekündigt. Als Grund nannte er einen "Mangel an Vertrauen" in den Geheimdienstchef. In einem Brief des Regierungschefs an die Kabinettsmitglieder hieß es, aufgrund des Vetrauensverlustes in Bar könnten "die Regierung und der Ministerpräsident ihre Aufgaben nicht mehr effizient ausüben". Dies behindere die "operationellen Fähigkeiten" des Geheimdienstes "und die Führung des Staates".
In Jerusalem zogen daraufhin Tausende trotz strömenden Regens vor Netanjahus Büro. Die Polizei setzte dabei laut örtlichen Medien zum Teil Wasserwerfer ein, um die Demonstranten abzuhalten. Bereits in den Tagen zuvor hatte es große Proteste gegen Bars Entlassung gegeben. Die Mitte-Rechts-Partei Jesch Atid des Oppositionspolitikers Jair Lapid verurteilte die geplante Entlassung von Bar und gab an, die Entscheidung beruhe "auf einem eklatanten Interessenkonflikt" von Regierungschef Netanjahu.
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Geheimdienst ermittelt gegen Netanjahu
Die Beziehungen zwischen Netanjahu und Bar gelten seit Längerem als belastet. Der Schin Bet ermittelt gegen Vertraute von Netanjahu wegen angeblicher Beziehungen zu Katar.
Dabei geht es Medienberichten zufolge um angebliche Geldzahlungen, die Netanjahus Berater von Katar erhalten haben sollen, um im Gegenzug das Image des Golfemirats in
Israel zu verbessern. Katar gehört neben
Ägypten und den
USA zu den Unterhändlern bei den indirekten Gesprächen mit der islamistischen Hamas, gilt aber auch als Unterstützer der Terrororganisation.
In Tel Aviv haben zahlreiche Menschen unter anderem gegen eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs demonstriert. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe die Waffenruhe gebrochen.19.03.2025 | 1:28 min
Kritiker warnen vor schwerwiegenden Folgen
In Israels Presse werden die Ermittlungen als "Katargate" bezeichnet. Oppositionsführer Jair Lapid erklärte der "Times of Israel" zufolge, die Regierung entlasse Bar "nur aus einem einzigen Grund: Um die Katargate-Untersuchung zu stoppen". Die Oppositionsparteien würden gemeinsam "gegen diesen rücksichtslosen Schritt" vorgehen, kündigte Lapid an.
Kritiker in Israel befürchten, dass Netanjahu Bar durch einen Nachfolger ersetzen könnte, der ihm ergeben ist und die Ermittlungen einstellt. Sie warnen davor, dass der Inlandsgeheimdienst zum Instrument des Ministerpräsidenten werden und möglicherweise gegen politische Gegner eingesetzt werden könnte.
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Bar wirft Netanjahu "persönliche Gründe" vor
Bar warf Netanjahu in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief "persönliche Gründe" für seine Entlassung vor. Der Regierungschef wolle damit Shin Bets "Ermittlungen zu den Ereignissen, die zum 7. Oktober und anderen ernsthaften Angelegenheiten führten, verhindern".
Der Geheimdienstchef hatte jedoch bereits angedeutet, dass er seinen Posten bald verlassen könnte. Anfang März räumt er das Versagen seines Geheimdienstes in Bezug auf den Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 ein. "Hätte der Shin Bet anders gehandelt, (...) hätte das Massaker verhindert werden können", hatte Bar bei der Vorstellung eines Untersuchungsberichts gesagt. "Wir sind gescheitert", hatte Bar die Ergebnisse des Berichts zusammengefasst.
Bar war 2021 von der Vorgängerregierung ins Amt berufen worden. Seine Beziehung zu Netanjahu war bereits vor dem Hamas-Angriff angespannt.
Mit dem Hamas-Angriff auf Israel eskalierte der Nahost-Konflikt. Anfang des Jahres konnte eine Waffenruhe vereinbart werden. Nun fliegt Israel wieder Angriffe in Gaza.
Quelle: dpa, AFP