Thema
76 Jahre "Nakba":Palästinenser "haben genug von Vertreibungen"
von Susana Santina, Tel Aviv
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Vor 76 Jahren wurde der Staat Israel gegründet - die Palästinenser nennen diesen Tag "Nakba": Katastrophe. Viele Menschen im Gazastreifen fühlen sich an diese Zeit erinnert.
Am „Nakba-Tag“, was mit „Katastrophen-Tag“ übersetzt werden kann, gedenken die Palästinenser der Flucht ihrer Vorfahren vor genau 76 Jahren nach der Staatsgründung Israels. 15.05.2024 | 1:34 min
Für die 87-jährige Fatima Ghareeb, gibt es zwischen der Nakba 1948 und heute kaum Unterschiede. Sie ist in den Norden Gazas zurückgekehrt, und erinnert sich, wie auch 1948 Häuser bombardiert und Familien getötet wurden. Heute würde die israelische Armee genau das Gleiche machen, da ist Fatima Ghareeb sich sicher.
76 Jahre Nakba: "Katastrophe"
Das arabische Wort Nakba bedeutet Katastrophe oder Unglück und erinnert daran, dass nach 1948 viele Palästinenser ihre angestammte Heimat verloren und weiterhin staatenlos sind.
Am 15. Mai 1948, einen Tag nach der Ausrufung der Unabhängigkeit Israels, griffen fünf arabische Armeen Israel an, wurden aber von dem jungen Staat besiegt. Insgesamt haben zwischen 1947 und 1949 rund 750.000 Palästinenser das Gebiet verlassen, so die Bundeszentrale für politische Bildung. Die meisten flohen ins Westjordanland, den Gazastreifen oder in benachbarte Länder. Seitdem leben viele von ihnen als Staatenlose mit Flüchtlingsstatus, der auch über Generationen vererbt wird.
Die Lage im Gazastreifen ist für die Zivilbevölkerung hart. Das Leben in der Trümmerwüste fordert den Menschen alles ab - gleichzeitig setzt Israel seine Angriffe auf Rafah fort.15.05.2024 | 2:34 min
Großteil der Menschen im Gazastreifen auf der Flucht
Heute fühlen sich viele Palästinenser, vor allem in Gaza, mehr denn je an diese Zeit vor 76 Jahren erinnert.
Wie Hassan Al-Attar, der in einem Flüchtlingslager in Rafah untergekommen ist, und nicht wie viele andere, die Stadt im Süden Gazas verlassen will. Israel hat bereits einige Angriffe auf Rafah gestartet und fordert die dort lebenden Menschen auf, die Stadt zu verlassen. Doch viele Palästinenser, wie Hassan Al-Attar, wissen nicht, wohin.
Mehr als 1,7 Millionen Palästinenser sind innerhalb des Gazastreifens auf der Flucht, so eine Erhebung von Statista aus dem März. Haben ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren. Rund die Hälfte der Menschen im Gazastreifen ist minderjährig.
"Zu Beginn des israelischen Gegenangriffs im Oktober hieß es von den Israelis, die Palästinenser sollten vom Norden in den Süden Gazas fliehen. Jetzt sollen wir auch dort weg", sagt Al-Attar.
Im Gebiet Jabalia in Gaza ist nach dem Abzug israelischer Truppen ein Machtvakuum entstanden. Die Terrormiliz Hamas konnte sich dort neu organisieren. Welche Antworten hat Israel?12.05.2024 | 2:48 min
"Schlimmste Vertreibung seit 1948"
Obwohl der aktuelle Krieg nach dem Terrorangriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel begann, sehen die meisten Palästinenser nach wie vor in Israel den Schuldigen.
Dazu lässt sich in Gaza derzeit keine verlässliche Umfrage durchführen. Für das Westjordanland hat der ehemalige Arbeitsminister der Autonomiebehörde von Palästina und Dozent der Universität Birzeit in Ramallah, Dr. Ghassan Khatib, eine Untersuchung durchgeführt:
Khatib ist sich aber ziemlich sicher, sagt er gegenüber ZDFheute, dass die Ergebnisse auf Gaza übertragbar sind.
Nach dem Abzug israelischer Truppen kehre die Hamas wieder in diese Regionen zurück - "Nach wie vor zeichnet sich nicht ab, wie Israel dieses Machtvakuum füllen wird", so ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge aus Tel Aviv.13.05.2024 | 2:42 min
Schweigeminute und Sirenen im Westjordanland
Gewalttätige Proteste erwartet der Professor in den Palästinenser-Gebieten nicht. Um 12 Uhr mittags gab es vielerorts Schweigeminuten und Sirenen, wie in Ramallah. Tausende kamen dort zusammen, um Solidarität mit den Menschen in Gaza zu zeigen. Die Proteste liefen weitgehend friedlich.
Viele hier befürchten, dass das Ziel des israelischen Gegenangriffs eine dauerhafte Vertreibung der Menschen aus Gaza ist. Die israelischen Rechten drohen den Palästinensern immer wieder mit einer neuen Nakba. Bei rechten Aufmärschen, z.B. am Jerusalemtag, skandieren israelische Rechtsradikale immer wieder rassistische Parolen gegen Araber und wünschen den Palästinensern eine "zweite Nakba".
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges waren die Palästinenser-Gebiete als Teil des Osmanischen Reiches unter türkischer Herrschaft. Danach war das Gebiet unter britischer Kontrolle, bis nach dem 2. Weltkrieg. 1947 nahm die UN-Generalversammlung einen Teilungsplan für dieses britische Mandatsgebiet an, und am 14. Mai wurde der Staat Israel gegründet.
Ministerpräsident Netanjahu will davon nichts wissen. Bei den derzeitigen Militäroperationen gehe es darum, die Hamas-Terroristen zu besiegen. Die Palästinenser würden zu ihrer Sicherheit aufgefordert, bestimmte Gebiete zu verlassen. Eine dauerhafte Vertreibung aus Gaza sei nicht der Plan.
Dennoch weckt dieser Nakba-Tag in vielen Palästinensern eine bittere Erinnerung. Und der israelischen Regierung trauen die meisten ohnehin nicht.
Der 76. Unabhängigkeitstag Israels steht dieses Jahr im Schatten des Gazakrieges. Statt Feuerwerk und Feierlichkeiten soll, den noch immer festgehaltenen Geiseln gedacht werden.14.05.2024 | 1:33 min
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