Zwei-Staaten-Lösung: Wie geht es weiter nach dem Gaza-Krieg?

    Analyse

    Israel gegen Zwei-Staaten-Lösung:Wie geht es weiter nach dem Krieg in Gaza?

    Alica Jung
    von Alica Jung
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    Während der Westen auf eine Feuerpause und im selben Atemzug häufig auf eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten drängt, könnte Israel aktuell davon nicht weiter entfernt sein.

    Soldaten der israelischen Armee im Gaza-Streifen inmitten der anhaltenden Kämpfe zwischen Israel und der militanten palästinensischen Gruppe Hamas am 14.02.2024.
    Israel erteilt internationalen Rufen nach einer Zwei-Staaten-Lösung eine Absage. Doch wie kann die Zukunft Gazas aussehen?
    Quelle: AFP

    Wenn westliche Staatschefs über den Krieg Israels in Gaza gegen die Hamas sprechen, fordern sie nicht nur die Einhaltung des Völkerrechts während der aktuellen Kampfhandlungen, sondern auch einen Plan für das, was ihrer Meinung zufolge nach dem Krieg kommen muss, die Zwei-Staaten-Lösung.
    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu machte am Freitag nach einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden klar, Israel lehne internationale Vorgaben bezüglich einer dauerhaften Regelung mit den Palästinensern kategorisch ab. Das Kabinett von Ministerpräsident Netanjahu billigte am Sonntag eine entsprechende Erklärung. Er drohte, dass Israel sich wehren werde, sollte es zu einer einseitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates kommen. Gemeint ist in diesem Fall eine Anerkennung durch die USA.
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    Die Vereinten Nationen fordern eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser auf Grundlage der Grenzen von 1967. Sie sieht eine friedliche Ko-Existenz eines unabhängigen israelischen und eines palästinensischen Staats vor, der sich in den Grenzen von 1967 gründet.

    Schuldzuweisungen auf allen Seiten

    Diese hatten sich immer wieder als Vermittler um eine solche Lösung bemüht, doch alle Anläufe scheiterten, weil sich beide Seiten nicht auf die Kernpunkte des Konflikts einigen konnten, darunter der Grenzverlauf, der Status von Jerusalem, die israelischen Siedlungen und die palästinensische Flüchtlingsfrage.
    Es gebe auf allen Seiten Raum für Schuldzuweisungen, schreibt Chuck Freilich, ehemaliger stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Israels, in einem Artikel für das International Institute for Strategic Studies (IISS). Zum einen wäre da die Siedlungspolitik Israels unter der rechten Regierung von Netanjahu, die stets bewusst darauf ausgerichtet war, eine Zwei-Staaten-Lösung praktisch unerreichbar zu machen, zum anderen das wiederholte Ablehnen von Friedensvorschlägen auf Seiten der Palästinenser.
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    Israel stellt eigenen Plan für Zukunft Gazas vor

    Nach dem Überfall der Hamas würden nur wenige in Israel weiterhin an die Überlebensfähigkeit von Friedensverhandlungen glauben, schätzt Freilich.

    Frieden mag der ultimative Garant für Sicherheit sein, aber die meisten Israelis benötigen ein Maß an greifbarer militärischer Sicherheit, das nur sehr schwer zu erreichen sein wird.

    Chuck Freilich, Sicherheitsexperte

    Die Hamas habe beispiellos in brutaler Art und Weise gezeigt, dass sie sich am Plan des Iran und der Hisbollah orientiere, die immer wieder zu Konflikten gegen Israel aufrufen, die das Land schwächen und letzten Endes zum Kollaps führen sollen.
    Anfang Januar hatte der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant seine eigenen Pläne für einen weiteren Verlauf des Krieges vorgestellt. Demnach solle der Wiederaufbau in Gaza unter der Leitung der USA in Zusammenarbeit mit europäischen und regionalen Partnern erfolgen.
    Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
    ZDFheute Infografik
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    Israel will auch künftig Einfluss im Gazastreifen

    Israel werde sich aber auch nach dem Kriegsende "seine operative Handlungsfreiheit im Gazastreifen" vorbehalten und alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Gaza keine Bedrohung mehr für Israel darstelle. Palästinenser, die Israel nicht feindlich gesinnt seien, sollen die Kontrolle und Verantwortung übernehmen. Wer allerdings konkret verantwortlich sein soll, dazu machte er keine Aussagen.
    Historiker Prof. Moshe Zimmermann sagte bei ZDFheute live, das Ziel müsse nach Ende des Krieges eine Verständigung mit den Palästinensern sein. Er kritisierte, dass es vor dem 7. Oktober keine Bemühungen seitens der Regierung gegeben habe, eine solche Verständigung zustande zu bringen. Dafür müsse sich allerdings auch die schwache und korrupte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) erneuern, um die Hamas ausschließen zu können. Das Problem sei, dass Netanjahu kein Interesse daran habe.
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    Langer Prozess der Erneuerung nötig

    Zudem bezweifeln viele, dass es realistisch ist, die PA in Gaza einzusetzen, nachdem sie dort 2007 von der Hamas gestürzt wurde. Historiker Dr. Harel Chorev von der Universität Tel Aviv sagt im ZDF-Interview, der Westen sei naiv, wenn er glaube, dass eine Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen sei, ohne dass die Palästinenser durch einen sehr langen Prozess der Erneuerung müssten.
    Wenn es zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen sollte, sollten arabische Staaten wie die Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten seiner Meinung nach eine Art Kontrollfunktion einnehmen und zuständig für Deradikalisierung sein. Sowohl die Vereinigten Arabischen Emirate als auch Saudi-Arabien sind enge US-Verbündete.
    Auch die Internationale Gemeinschaft im Westen sollte laut Chorev künftig eine kontrollierende Rolle haben und sich um Korruptionsbekämpfung im Gazastreifen und dem Westjordanland kümmern.
    Orte im Gazastreifen
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    Netanjahu präsentiert keinen Plan

    "Die Annahme des Westens, dass es von 0 auf 100 plötzlich zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen kann, ist für uns absurd", sagt Chorev. Es werde seiner Meinung nach sehr lange dauern, den Aufbau eines palästinensischen Staates zu erreichen, der nicht korrupt sei und Jahre dauern, das Vertrauen zwischen Israelis und Palästinensern aufzubauen.
    Es sei aber ein Fehler von Netanjahu, nicht schon jetzt einen Plan für den Tag nach Ende des Krieges zu präsentieren, meint Chorev.

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