Angriff der Hamas auf Israel: Ein Jahr nach dem 7. Oktober

    Analyse

    Angriff auf Israel am 7. Oktober:Das Jahr nach dem Hamas-Massaker

    Michael Bewerunge
    von Michael Bewerunge
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    Am 7. Oktober drangen Terroristen der Hamas in Israel vor, töteten, verschleppten Menschen, vergewaltigten Frauen. Seitdem ist die Region und ihre Bewohner tief erschüttert.

    sich umarmende Menschen auf einer Gedenkstätte
    Seit den traumatischen Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 haben wir den Krieg beobachtet, Menschen in Israel und Gaza getroffen und ihre Schicksale begleitet. 26.09.2024 | 29:57 min
    Was macht der Krieg mit den Menschen? Diese Frage hat mich schon immer beschäftigt, in all den vielen Konflikten, über die ich als Korrespondent berichtet habe. Ganz besonders natürlich in Israel und den palästinensischen Gebieten, in denen der Krieg seit jeher Dauerzustand ist.
    Dann kam der 7. Oktober. Dass das Trauma des Krieges noch steigerungsfähig ist, hatte ich mir nicht vorstellen können. Gewalt und Grausamkeiten unvorstellbaren Ausmaßes brachen über Israel hinein. Die Hamas-Mörder wüteten in einem Ausmaß, für das auch Vertreibung und Unterdrückung durch Israel oder Verbrechen von Israelis keine Rechtfertigung sein können. Wie auch selbst das schlimmste Massaker seit dem Holocaust für Israel keine Rechtfertigung sein kann für blinde Rache.
    Doch außer Tausenden Hamas-Kämpfern wurden seitdem auch Zehntausende Zivilisten getötet. Gaza liegt in Schutt und Asche. Die israelische Regierung verweigert die Perspektive einer Nachkriegsordnung und die Perspektive auf Frieden.
    Raketen über Israel
    Nach dem Raketenangriff des Irans in der vergangenen Nacht reagiert Israel umgehend und kündigt seinerseits Vergeltung an, um auf die Angriffe entsprechend zu antworten.02.10.2024 | 2:37 min

    Menschen auf beiden Seiten sind traumatisiert

    Zurück bleiben zutiefst traumatisierte Menschen auf beiden Seiten. Es macht betroffen, wenn Noa Beer, eine Überlebende des Nova Rave Festivals über ihre traumatischen Erinnerungen sagt:

    Ich kann meine Augen mitten am Tag schließen, mitten auf der Straße und ich sehe es. Es geht nicht weg. Man hat mir gesagt, dass es niemals weggehen wird, was ein Unglück für mich ist.

    Noa Beer, Überlebende des Nova Rave Festival

    Oder wenn Aya, Juha, eine junge Künstlerin aus dem Süden von Gaza City erklärt:

    Sie (die Israelis) haben uns das Leben unserer Liebsten genommen und unser Zuhause. Es ist für uns unmöglich, Frieden zwischen uns und ihnen zu haben. Wir sind für immer im Krieg.

    Aya Juha, Künstlerin aus Gaza City

    Verstörender Weise spricht sie diesen Satz resigniert lächelnd, als handele es sich um ein unabänderliches Naturgesetz.
    Israel kündigt Vergeltung an
    Am Dienstagabend hat der Iran Israel mit Raketen angegriffen. Israels Premier Netanjahu kündigte Vergeltung an. Die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts in Nahost wächst auch in Deutschland.02.10.2024 | 1:31 min

    Traumapsychologin: Viele Israelis sind extremer geworden

    Schon wenige Wochen nach dem 7. Oktober habe ich die Traumapsychologin Zahava Solomon gefragt, was das Trauma des Krieges mit ganzen Gesellschaften macht. Damals sagte sie:
    "Gesellschaften werden in vielfältiger Weise beeinflusst: ihre Fähigkeit zu vergeben, ihr Sinn für Rache der Level von Gewalt und all diese Dinge. Offensichtlich tendieren Kriege und vor allem Kriege, die nach so schrecklichen Verbrechen geführt werden, dazu, das Verlangen nach Rache zu kultivieren. Die Menschen werden weniger empathisch für das Leid der anderen Seite. Ich hoffe, das passiert nicht mit uns."
    "Tatort Israel - Die Schatten des 7. Oktober": Fotomontage: Auf einer Seite ist das Bild einer Straßenschlucht einer zerstörten Stadt mit Menschen, die über Trümmer steigen. Auf der anderen Seite ist ein Bild mit einem Soldaten und einer Soldatin, die an einer Gedenkstätte mit Gräbern stehen. In der Mitte sind beide Bilder durch zwei Israel-Fahnen getrennt.
    Am 7. Oktober 2023 stürmen Hamas-Killerkommandos vom Gazastreifen nach Israel, ermorden Zivilisten, verschleppen Geiseln und provozieren eine verheerende israelische Militäraktion.24.09.2024 | 44:07 min
    Für unsere Dokumentation traf ich sie knapp ein Jahr später erneut. Sie sagt heute, ihre schlimmsten Befürchtungen seien noch übertroffen worden. Große Teile der israelischen Gesellschaft seien in ihren Ansichten extremer geworden, vor allem die Extremisten in der Regierung. Viele Israelis glaubten, jeder in Gaza gehöre zur Hamas und sei fähig, Grausamkeiten zu begehen, sodass es nur wenig Empathie für das Leid der Palästinenser gebe.
    Bei den Palästinensern dagegen hinterließen die erbarmungslose Kriegsführung Israels und das Fehlen jeder Friedensperspektive tiefe Hoffnungslosigkeit. Andererseits werde den Palästinenser seit Jahrzehnten hemmungsloser Hass auf alle Juden gepredigt.

    Sie sehen uns als unmenschlich an, und deshalb halten sie es für gerechtfertigt, all diese entsetzlichen Dinge zu tun.

    Zahava Solomon, Traumapsychologin

    Tatort - Israel
    Auf den brutalen Angriff der Hamas folgt der verheerende Gegenangriff Israels - und nichts ist mehr wie zuvor.20.09.2024 | 44:04 min
    Aber wie können zwei Gesellschaften, die seit Jahrzehnten ineinander verbissen von einem Trauma ins andere taumeln, einen Weg aus der Spirale der Gewalt finden?

    Frieden in Nahost "wird kommen"

    Mit Israelis und Palästinenser könne das nur gelingen, wenn man den Menschen auf beiden Seiten das Gefühl von Sicherheit geben könne, sagt Solomon. Dass die täglichen Bedürfnisse nach Nahrung, Bildung und Wohlstand erfüllt würden. Und dass Frieden nicht etwa nur ein Zugeständnis an die andere Seite ist, sondern im tiefsten Eigeninteresse.
    Denn der Krieg kennt keine Sieger - nur Verlierer.
    TN: Verschiebt Israel die Macht in Nahost?
    Nach dem Tod des Hisbollah-Chefs geht Israel nun im Libanon weiter gegen die Terrormiliz vor. Wie reagiert Iran auf die mögliche Machtverschiebung? ZDFheute live analysiert.30.09.2024 | 32:52 min
    Selbst Ayelet Katzir aus dem Kibbuz Kfar Aza, die am 7. Oktober ihren Mann verloren hat, so viele Freunde, und die noch immer nicht weiß, wo sie ein neues Zuhause finden soll, ist überzeugt: Eines Tages werden Israelis und Palästinenser Frieden schließen.
    "Ja, mit Sicherheit, ich sage Ihnen auch warum: Weil für Hunderte von Jahren auch zwischen Frankreich und Deutschland Krieg herrschte. Und innerhalb Deutschlands. Zwischen England und Frankreich. Und in ganz Europa im Mittelalter, mit einer Menge Hass. Sehen Sie sich an, wie es heute aussieht. Deshalb bin ich sicher: Frieden wird kommen. Wann? Ich weiß es nicht."

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    :Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

    Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel gleicht die Region einem Pulverfass. Ein Frieden scheint weit weg. Alles zum Nahost-Konflikt hier im Ticker.
    Israel: Raketen fliegen über Tel Awiw
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    Quelle: ZDF

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