Irland plant Gesetz gegen Fake News: EU und USA kritisieren

    Geplante Regeln in Irland:Anti-Fake-News-Gesetz: Was die EU daran stört

    von Felix Leitmeyer, London
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    US-Vizepräsident JD Vance wirft der EU vor, soziale Medien zu stark zu regulieren. Irland hingegen wollte sogar strengere Regeln im Netz - und wird von der EU zurückgepfiffen.

    Flaggen der EU und Irland wehen am Himmel
    In Irland ist ein neues Gesetz gegen Fake News geplant. Allerdings beinhaltet dies strengere Regeln als im Digital Services Act der EU festgelegt sind. Kritik kommt auch aus den USA.
    Quelle: dpa

    Es ist Juni 2024 - zwei Tage, bevor Irland das Europaparlament und die lokalen Stadträte wählt. Obwohl die Stimmen noch nicht abgegeben sind, verbreitet ein selbsterklärter Nachrichtenkanal auf X (ehemals Twitter), die Wahl sei "gestohlen". Stimmen würden verschwinden, "illegale Wähler aus dem Ausland" kämen massenhaft ins Land.
    Solche Behauptungen verbreiten sich damals auch auf Facebook, Telegram oder YouTube. Allein in den Tagen rund um die Wahl erreichen 162 Falschmeldungen über angeblichen Wahlbetrug vier Millionen Menschen, zeigt eine Studie der Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue (ISD).
    Über eine Videoeinblendung unterhält sich US-Miliardär Elon Musk mit Alice Weidel (r), Bundesvorsitzende der AfD, beim Wahlkampfauftakt der AfD.
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    TikTok: Fake News im Wahlkampf?

    Im November 2024 wählt Irland erneut, diesmal das Unterhaus im Parlament. Und wieder sorgt eine Studie für Aufsehen: Die NGO Global Witness dokumentiert, TikTok habe irreführende Anzeigen im Wahlkampf zugelassen. Um das zu ermitteln, hatte die NGO eben solche Anzeigen dort hochgeladen.
    Solche Entwicklungen befeuern in Irland die langjährige Sorge, dass Falschmeldungen Wahlen beeinflussen könnten. Das Land plant dagegen schon seit 2022 ein Gesetz. Es soll der irischen Wahlkommission erlauben, Falschmeldungen zu überwachen und Vergehen dieser Art "strafrechtlich zu verfolgen". Der irische Forscher Ciarán O’Connor von der Denkfabrik ISD sagt ZDFheute:

    Plattformen müssten laut dem Gesetz prüfen, ob Inhalte gegen Vorgaben verstoßen - und sie bei Bedarf löschen,

    Ciarán O’Connor, Denkfabrik ISD

    Die irische Wahlkommission hätte dann die Macht, Plattformen zur Prüfung zu zwingen.
    FRANCE-INTERNET-MEDIA
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    Geht Gesetz aus Irland über Regeln der EU hinaus?

    Doch die EU-Kommission will nicht, dass das irische Gesetz in seiner ursprünglichen Version in Kraft tritt. Was Irland plane, gehe teilweise über EU-Regeln hinaus, sagt eine Sprecherin der EU-Kommission ZDFheute. Irland solle dafür sorgen, dass das Gesetz mit den Regeln der EU "in Einklang steht". Denn Brüssel will bei dem Thema keine nationalen Alleingänge.

    Die EU hat ihr eigenes Gesetz gegen verbotene Inhalte im Netz: Der Digital Services Act (DSA) gilt seit rund einem Jahr für alle Internetplattformen. Er soll unter anderem gegen Hassrede und Falschinformationen im Netz vorgehen. Bei Verstößen müssen Unternehmen Strafe zahlen. Aktuell läuft zum Beispiel eine Ermittlung der EU-Kommission gegen die Plattform X.

    Insbesondere wolle die EU-Kommission vermeiden, dass Irland Plattformen zwingen kann, sämtliche Inhalte pauschal überwachen zu müssen. Genau das könnte der irische Gesetzesentwurf nötig machen. Etwa, weil er Plattformen verpflichten könnte, schon den Verdacht auf Falschmeldungen zu melden, wie die irische Zeitung "The Journal" berichtet.
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    Kritik auch aus der Tech-Industrie

    Auch die Tech-Industrie ist skeptisch. Der Verband Technology Ireland hinter Firmen wie Google und TikTok warnt auf Anfrage von ZDFheute vor "schwerwiegenden Widersprüchen" zwischen dem irischen Gesetz und EU-Recht. Das hat Gewicht. Denn viele Tech-Konzerne haben ihre Europazentralen in Irland - und sind in Brüssel bestens vernetzt.

    Die Position der EU bekommt gerade neue Relevanz. Denn nun ist sie es, der vorgeworfen wird, soziale Medien zu stark zu regulieren. US-Vizepräsident JD Vance sagte Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die Meinungsfreiheit in Europa sei "auf dem Rückzug". Konkret kritisierte er den Umgang der EU-Kommission mit Hassreden im Netz.

    Anfang März kritisierte die US-Regierung außerdem konkret das Gesetz der EU, den DSA. Für US-amerikanische Tech-Firmen in Europa sei dessen Ansatz "unvereinbar mit der Tradition der freien Meinungsäußerung in Amerika", erklärte der Chef der US-Kommunikations-Kommission, Brendan Carr, laut der Nachrichtenagentur Reuters.

    Irland überarbeitet das Gesetz gegen Fake News

    Die EU-Kommission droht den irischen Behörden jetzt für den Fall, dass das Gesetz ohne Absprache in seiner ursprünglichen Version erscheint. Sie behalte sich vor, "ein Verfahren gegen Irland einzuleiten", so die Sprecherin.
    Von Irland habe die EU-Kommission "bisher keine formale Antwort" auf ihre Kritik an dem Gesetz erhalten, sagt die Sprecherin. Doch das zuständige Ministerium in Irland erklärt ZDFheute, es überarbeite sein Gesetz bereits. Es werde es der EU vorgelegen, sobald es "in Ordnung ist und die Bedenken der Europäischen Kommission berücksichtigt sind."
    Münchner Sicherheitskonferenz
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    Ob es allerdings fertig wird, bevor im Oktober die irische Präsidentschaftswahl stattfindet, ist unklar. Darauf angesprochen, erklärt das Ministerium lediglich, es solle "so früh wie möglich im Jahr 2025 verabschiedet werden".

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    Quelle: dpa

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