Angriff im Iran: Wer waren die zwei getöteten Richter?

    Attentat in Teheran:Wer waren die zwei getöteten Richter?

    Carsten Rüger
    von Carsten Rüger
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    In Iran sind zwei Richter des Obersten Gerichts erschossen worden. Die Regierung spricht von einem "Terrorakt". Regime-Kritiker erinnern an die Brutalität der toten Richter.

    Ein Gerichtssaal in Teheran (Iran)
    Nach dem Angriff in Teheran geht die Justiz von einem Terroranschlag aus (Archivfoto).
    Quelle: Imago

    Er bereitete jeden Tag den Tee zu und servierte ihn den Richtern und Angestellten in Irans Oberstem Gericht in Teheran. Doch an diesem Samstagmorgen kam er offenbar nicht mit kleinen Teegläsern, sondern mit einer Schusswaffe - und brachte den Tod für zwei prominente Revolutionsrichter. Der bisher nicht namentlich genannte Attentäter erschoss auf dem Gelände des Obersten Gerichtshofs zunächst Richter Ali Rasini, dann den ebenfalls berühmt berüchtigten Richter Mohammed Moghiseh. Anschließend tötete er sich selbst.
    Das Motiv für die Tat in Iran ist unklar. Der Attentäter sei in keinen Fall vor dem Obersten Gericht involviert gewesen, heißt es auf der Website "Mizan". Das Portal der iranischen Justiz sprach von einem "terroristischen" Verbrechen. Die beiden Richter hätten "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit, Spionage und Terrorismus" bekämpft. Die renommierten Kleriker seien für die Verurteilung von "Dissidenten" und "Landesverrätern" zuständig gewesen.
    Doch es gibt viele Iraner, die über den Tod der beiden gnadenlosen Richter keineswegs traurig sind, sondern an das erinnern, was Rasini und Moghiseh ihnen angetan haben.
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    "Neun Jahre Gefängnis in weniger als neun Minuten"

    Wer waren die beiden Revolutionsrichter? "Möge Gott dich verfluchen!", "Dein Mund sollte mit Schießpulver gefüllt und in die Luft gesprengt werden!" - Diese Sätze hat der iranische Journalist und Menschenrechtsaktivist Masoud Kazemi von dem älteren der beiden getöteten Richter, Mohammed Moghiseh, gehört. Kazemi, der jetzt in Deutschland lebt, erinnert auf der Plattform X an die Brutalität des Revolutionsrichters:

    Moghiseh, der heute in Teheran getötet wurde, sagte mir vor Gericht: "Möge Gott dich verfluchen! Deine Zunge sollte herausgeschnitten werden!"

    Masoud Kazemi, Journalist

    Ehsan Akbari ist ebenfalls Journalist. Er erinnert heute auf X daran, dass er von Richter Moghiseh zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden war - in weniger als neun Minuten. Der heute getötete Richter war berühmt für seine kurzen Prozesse und jahrelangen Verurteilungen.
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    Schon ein Verbrechen, Ehemann zu sein

    Mahdieh Golroo ist eine der bekanntesten Frauenrechtlerinnen Irans. Sie wurde mehrfach verurteilt, saß im Gefängnis wegen ihrer Proteste gegen die Regierung. Doch - und daran erinnert sie heute - auch ihr Mann wurde von Richter Moghiseh verurteilt.
    Begründung: Er sei ja der Ehemann. Sein Verbrechen sei es gewesen, dass er seine Frau nicht daran gehindert habe, politisch aktiv zu sein und das Haus für Treffen mit Aktivisten zu benutzen.

    Todesurteil erst vor wenigen Tagen bestätigt

    Ali Rasini, der Richter, den der Attentäter heute zuerst tötete, war ebenfalls bekannt für seine Unnachgiebigkeit, seine Beteiligung an Prozessen, die zu vielen Hinrichtungen in den 80er Jahren führten.
    Er war außerdem einer der Richter des Obersten Gerichtshofs, die vor wenigen Tagen die verhängte Todesstrafe für die kurdische Aktivistin Pakhshan Azizi bestätigten - seitdem wartet die Kurdin, die laut Amnesty International vertriebenen Frauen und Kindern im Nordosten Syriens geholfen hatte, auf ihre Hinrichtung.
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    USA verhängten Sanktionen gegen Richter

    Die gnadenlose Art und Weise, wie Mohammed Moghiseh seine Urteile fällte - sie ist schon vor vielen Jahren aufgefallen. Die USA verhängten 2019 Sanktionen gegen Moghiseh. Das amerikanische Finanzministerium begründete dies damals damit, dass er "zahllosen unfairen Verfahren" vorgesessen habe, "bei denen Anklagen unbegründet waren und Beweise missachtet wurden".
    Rasini, der gleich mehrere wichtige Posten in der iranischen Justiz innehatte, wurde bereits 1998 zum Ziel eines Attentats. Damals platzierten die Täter eine Bombe in Rasinis Auto.
    Der Sprecher der iranischen Justiz deutete an, was für viele Beobachter auf der Hand liegt: Die Tat dürfte mit den Fällen der Richter in Verbindung stehen. Aus dem Mund des Justizsprechers klingt die Interpretation allerdings so: Im vergangenen Jahr habe die Justiz umfangreiche Anstrengungen unternommen, um "Spione und terroristische Gruppen" zu identifizieren, was Zorn und Unmut unter den Feinden der Islamischen Republik hervorgerufen habe.
    Journalisten, Menschrechtlern und Opfern der Justiz wie Masoud Kazemi, Ehsan Akbari und Mahdieh Golroo dürfte sich bei dieser Formulierung der Magen umdrehen.
    Carsten Rüger berichtet als Reporter aus dem ZDF-Studio Istanbul.
    Mit Material von Reuters, AFP
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