Eskalation in Nahost: Wer hat welche Interessen?

Ein Angriff auf Israel ist aus Sicht von Experten nur eine Frage der Zeit. Sowohl der Iran wie auch die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah haben mit Vergeltung gedroht. Unklar ist: Wann wird der Angriff stattfinden? Und wie massiv wird er ausfallen? Denn davon hängt wiederum die Antwort Israels ab, das entschlossener denn je erscheint, den Nahost-Konflikt zu seinen Gunsten zu entscheiden. Die diplomatischen Bemühungen laufen auf Hochtouren.

Der Iran finanziert regionale Milizen. Dazu zählen vor allem die Hisbollah im Libanon, pro-iranische Milizen in Syrien und im Irak, die Huthi-Rebellen im Jemen, sowie die Hamas im Gazastreifen. Dazu kommen internationale Unterstützer wie Russland.

Hinter Israel dagegen stellt sich in der Region offiziell niemand. Allerdings: An der Abwehr des iranischen Angriffs im April sollen sich auch Länder wie Jordanien und Saudi-Arabien beteiligt haben. Wichtigster internationaler Partner sind die USA, gefolgt von Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland.

Israel hat den Iran und seine Verbündeten gewarnt:

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat dabei vor allem den Iran im Auge, aber auch die Hisbollah und Hamas. Alle drei sprechen Israel das Existenzrecht ab.

Die Frage, wie diese Botschaft aussehen wird, kann heute nicht mit Sicherheit beantwortet werden - dazu ist die Lage viel zu instabil. Sollte der erwartete Vergeltungsschlag vor allem militärische Ziele in Israel treffen, könnte sich Israel damit begnügen, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Zum Beispiel mit einem Angriff auf die Militärbasis in Iran, von der aus die Raketen gestartet wurden. Oder mit der Bombardierung von Hisbollah-Stellungen, so, wie dies jetzt auch schon geschieht.

Wenn der Iran oder die Hisbollah aber zivile Ziele ins Visier nehmen, würde die Antwort Israels "überproportional" ausfallen. Dies hat die Regierung in Jerusalem deutlich formuliert. "Überproportional" könnte zum Beispiel bedeuten, Beirut "dem Erdboden gleichzumachen". So lautete eine Drohung. Seit einigen Tagen fliegen israelische Kampfjets regelmäßig über die libanesische Hauptstadt.

Im Gegensatz zur Hisbollah scheint die Hamas zu einem großangelegten Angriff auf Israel nicht mehr in der Lage. Ihre militärische Kommandostruktur, sowie ihr Waffenarsenal wurden von der israelischen Armee deutlich geschwächt beziehungsweise dezimiert. Unabhängig davon ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Israel weiter Jagd auf die führenden Köpfe (und Anführer) von Hamas und Hisbollah machen wird.

Wer also würde von einer Eskalation profitieren? Die Antwort des Nahost-Experten Gil Yaron ist deutlich. In einem ZDF-Interview sagt er: "Die Hamas hat ein definitives Interesse an einer Eskalation: Je mehr Israel an anderen Fronten beschäftigt ist, desto weniger Soldaten und Aufmerksamkeit kann es dem eigentlichen Kriegsziel widmen, nämlich die Hamas auszuschalten."

Doch auch Player außerhalb der Region spielen - laut Yaron - eine wichtige Rolle: "Russland könnte auch ein Interesse an einer Eskalation im Nahen Osten haben - denn je mehr die Amerikaner hier beschäftigt sind, desto weniger können sie die Ukraine unterstützen. Und natürlich hat auch China ein Interesse daran, dass die Amerikaner anderweitig angebunden werden und immer weniger Fuß fassen können in der Region."

Was im aktuellen Konflikt besonders auffällt, ist, dass sich Israel von seinen internationalen Partnern isoliert. Die USA - der größte Verbündete des Landes - hat größte Mühe, überhaupt noch zu Israel durchzudringen. Benjamin Netanjahu scheint entschlossen, den Konflikt nun ein für alle Mal für sich und Israel zu entscheiden - egal, ob Partner und Verbündete seinen Kurs stützen oder nicht.