Beispiel Kolumbien:Minen als Kriegswaffen: Was getan werden muss
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Keine Landminen bis 2025, so war das Ziel. Doch der Experte warnt: In Zukunft könnten Minen sogar noch häufiger als Kriegswaffen eingesetzt werden. Warum, erklärt er im Interview.
Kolumbien im Fokus: Landminen hinterlassen eine gefährliche Spur in ehemaligen Konfliktgebieten. Das Ottawa-Abkommen soll Minenopfer schützen und neue Risiken verhindern.
Quelle: AP
Schon vor fast dreißig Jahren hatte die internationale Staatengemeinschaft ein Ziel formuliert: keine Landminen mehr bis 2025. So war es im Ottawa-Abkommen festgehalten worden. Doch seit einigen Jahren steigt die Zahl der Minenopfer wieder. Eins der besonders betroffenen Länder ist Kolumbien. Dort hat sich die Zahl der Minenunfälle sogar verdoppelt.
Ein Konflikt, der seit Jahrzehnten andauert und ein schwieriger Zugang zu den verminten Gebieten seien mögliche Gründe, sagt Landminen-Experte Arturo Bureo. Im Gespräch erklärt er, welches die Herausforderungen beim Räumen von Minen sind und was international im Kampf gegen den Einsatz von Minen getan werden muss.
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ZDFheute: Die USA haben Mienenlieferungen in die Ukraine angekündigt. Werden Landminen in Zukunft noch häufiger als Kriegswaffen eingesetzt werden?
Arturo Bureo: Wir verurteilen die Lieferung von Minen als Kriegswaffen auf das Schärfste. Zwar verweist die US-Regierung darauf, dass die gelieferten Landminen ein- und ausgeschaltet werden könnten.
In der Tat sind achtzig Prozent der Opfer Zivilisten. Das Ziel der landminenfreien Welt bis 2025 wird nicht erreicht werden. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, die Finanzierung der Entminung zu sichern und sich weltweit an den Vertrag über das Verbot von Landminen zu halten.
Arturo Bureo arbeitet bei Handicap international, einer Hilfsorganisation, die sich für eine Welt ohne Minen und Streubomben einsetzt und Minenopfer versorgt. Er war mehrere Jahre als Programmdirektor von Handicap international in Kolumbien tätig und ist heute HI-Direktor der Abteilung für die Reduzierung bewaffneter Gewalt. Handicap International ist Co-Preisträgerin des Friedensnobelpreises von 1997.
ZDFheute: Wie gehen Sie bei der Minenbekämpfung in Kolumbien vor?
Arturo Bureo: Da die Konflikte in Kolumbien andauern, arbeiten wir dort unter schwierigen Bedingungen. Das Räumen von Minen in Konfliktgebieten ist mit hohen Sicherheitsrisiken verbunden. Wir arbeiten mit lokalen Vertretern und den Anwohnern zusammen. Zur humanitären Minenräumung gehört auch die Befragung der örtlichen Bevölkerung: Wo liegen Antipersonenminen, wo vermuten Anwohner weitere Sprengkörper? Diese Informationen erleichtern das Aufspüren der Sprengkörper mit Metalldetektoren, anschließend werden die gefundenen Minen dann professionell beseitigt.
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Am Montag, den 25.11., startet in Siem Reap in Kambodscha die Konferenz zur Ottawa-Konvention gegen den Einsatz von Antipersonenminen. Seit 1997 haben mehr als 160 Staaten das Abkommen unterzeichnet und sich damit zum Verbot von gegen Personen gerichtete Landminen und deren Vernichtung bekannt. Der im Vorfeld der Konferenz veröffentliche Landminen-Monitor 2024 zeigt: 2023 ist die Anzahl der Toten und Verletzten durch Landminen erneut gestiegen, um 22 Prozent auf 5757 Opfer weltweit. 84 Prozent der weltweiten Opfer waren Zivilisten.
ZDFheute: Achtzig Prozent der Minenopfer in Kolumbien überleben den Unfall. Wie wird ihr Leben von diesem Unfall beeinflusst?
Arturo Bureo: Überlebende benötigen langfristigen Zugang zu medizinischer und sozialer Versorgung. In den ländlichen Regionen Kolumbiens ist das allerdings nur eingeschränkt möglich. Genau dort finden aber die meisten Minenunfälle statt, weil in den ländlichen Regionen eben auch die bewaffneten Gruppen präsent sind. Für die Überlebenden dort bedeutet das lange Anfahrtswege zu Rehabilitationszentren.
ZDFheute: Warum werden gerade in Kolumbien so viele Antipersonenminen eingesetzt?
Arturo Bureo: In Kolumbien herrscht seit mehr als sechzig Jahren ein bewaffneter Konflikt, bei dem Minen meist von nichtstaatlichen bewaffneten Akteuren eingesetzt werden. Seit dem Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Guerillagruppe FARC im Jahr 2016 ist die Zahl der eingesetzten Minen zunächst zurückgegangen. In den letzten Jahren hat sich der Konflikt leider wieder verschärft und die Regierung tut sich schwer damit, ein neues Friedenabkommen zu verhandeln. Damit steigt auch die Zahl der Unfälle und Opfer durch den Einsatz von Minen wieder.
Die Ottawa-Konvention verbietet Antipersonenminen seit 1999, doch die Zahl der Opfer steigt wieder. Die Vertragsstaaten beraten diese Woche über die Agenda für die nächsten Jahre.
Interview
ZDFheute: Was muss in Kolumbien passieren, damit die Zahl der Minen wieder sinkt?
Arturo Bureo: Die kolumbianische Regierung muss ihre Bemühungen um ein zweites Friedensabkommen mit den verschiedenen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen fortsetzen und diese Gruppen dazu bringen, sich an das humanitäre Völkerrecht und das internationale Verbot des Einsatzes von Minen zu halten. Außerdem muss die Finanzierung der Entminungsbemühungen in Kolumbien durch internationale Zusammenarbeit weiterhin gesichert werden.
Das Interview führte Valerie Hayer, Hospitantin im ZDF-Studio Rio de Janeiro.
Quelle: ZDF
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