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Bauprojekt wegen Klimawandel :Indonesiens neue Hauptstadt im Dschungel
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Am heutigen Unabhängigkeitstag will Indonesien das urbane Utopia Nusantara zur Hauptstadt krönen. Doch diese ist noch eine Baustelle und viele Fragen darum offen.
Eine Stadt, auf dem Reißbrett entworfen - wegen der Folgen des Klimawandels: Die künftige indonesische Hauptstadt Nusantara ist rund 1.200 Kilometer von der jetzigen Hauptstadt Jakarta entfernt, die im Meer zu versinken droht. Die Vision einer hochmodernen, nachhaltigen und lebenswerten Stadt im Wald ist das Vermächtnis des aus dem Amt scheidenden Präsidenten Joko Widodo.
Nicht alle Staaten haben die Möglichkeit und die Fähigkeit, bei null anzufangen und ihre Hauptstadt neu zu bauen
Joko Widodo, Präsident Indonesien
Jakarta droht unterzugehen
Schätzungsweise 34 Millionen Menschen leben in der Metropolregion Jakarta auf der Insel Java. Die bisherige Hauptstadt ist überbevölkert, erdbebengefährdet und erstickt in Verkehrschaos und Luftverschmutzung.
Vor allem aber droht die Stadt zu versinken. Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel steigen. Zusätzlich pumpen viele Bewohner*innen das Grundwasser ab, da knapp die Hälfte der Bevölkerung nicht an die Wasserversorgung angeschlossen ist.
Bis zu 25 Zentimeter sinkt der Boden im Jahr ab. Mehr als die Hälfte Jakartas liegt bereits unterhalb des Meeresspiegels. Bis 2050 könnte das gesamte Gebiet von Nord-Jakarta überflutet sein.
Urbanes Utopia verzögert sich
Vor fünf Jahren kündigte die Regierung daher die Verlegung der Hauptstadt auf den indonesischen Teil der Insel Borneo an. Seit Mitte 2022 wird gebaut. Bis 2045 sollen rund 1,9 Millionen Menschen in Nusantara wohnen. Tausende Beamte sollen voraussichtlich ab September diesen Jahres in die neue Stadt versetzt werden.
Das Projekt soll auch die wirtschaftliche Entwicklung besser über das Land verteilen, die sich derzeit vor allem auf die Insel Java konzentriert. Von den benötigten rund 30 Milliarden Euro will die Regierung nur 20 Prozent selbst aufbringen. Doch es fehlt an ausländischen Investitionen, die Bauarbeiten verzögern sich.
Für Zweifel an dem Projekt sorgte im Juni 2024 auch der überraschende Rücktritt des Entwicklungschefs der künftigen Hauptstadt, Bambang Susantono, und des stellvertretenden Projektleiters Dhony Rahajoe. Gründe nannten beide nicht. Präsident Widodo spricht von persönlichen Entscheidungen, die künftige Investitionen aus dem Ausland nicht bedrohten.
Sorgen um Umwelt und Indigene
Probleme gibt es auch mit dem Besitz von Land am neuen Standort der Hauptstadt. Indigene Gemeinschaften berichten, der Bevölkerung auf Borneo werde ihr Land genommen, ohne sie dafür angemessen zu entschädigen. Ende letzten Jahres fürchtete auch Dorfbewohner Pandi um seine Siedlung und den Lebensunterhalt seiner Familie.
Um gefährdete Tiere sorgen sie sich vielleicht noch. Um uns nicht. Wir wollen hier weiter in Frieden leben.
Pandi, Dorfbewohner auf Borneo
Umweltschützer*innen warnen, das Projekt und die geplante massenhafte Migration beeinträchtige die einzigartige Flora und Fauna und verkleinere den Lebensraum gefährdeter Tierarten. Die Regierung hat versichert, die Schutzgebiete der letzten Orang-Utans blieben unberührt.
Regierung nimmt erste Termine wahr
Als Herzstück der neuen Hauptstadt soll der Präsidentenpalast als Erstes fertiggestellt werden. Geformt wie der Nationalvogel soll er eine Signalwirkung auf Investoren haben.
Anfang Juni verkündete der noch amtierende Präsident Widodo, die erste der fünf Entwicklungsphasen sei zu rund 80 Prozent abgeschlossen. Seit Ende Juli arbeitet er aus dem größtenteils fertiggestellten Palast - fern von Jakarta.
Anfang dieser Woche tagte auch erstmals das Regierungskabinett in Nusantara. Mit dabei war auch der künftige Präsident Prabowo Subianto.
Wir sollten es nicht erzwingen, aber ich bin optimistisch, dass es in fünf Jahren sehr gut funktionieren wird.
Prabowo Subianto, künftiger Präsident Indonesien
Wann die Hauptstadt offiziell verlegt wird, war bis zuletzt unklar. Der noch amtierende Präsident Widodo hat das offizielle Dekret noch nicht erlassen. Im Oktober endet jedoch seine zweite und letzte Amtszeit. Sein Nachfolger Prabowo Subianto will den Aufbau Nusantaras fortführen.
Mit Material von AFP, AP und Reuters
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