Immunität vor Supreme Court :Teilsieg für Trump? Warum Verzögerung droht
von Anna Kleiser , Washington D.C.
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Das Oberste Gericht der USA zeigt sich skeptisch gegenüber einer absoluten Immunität für Donald Trump. Warum das dennoch nicht bedeutet, dass die Prozesse beginnen können.
Ex-Präsident Donald Trump ist in vier Fällen strafrechtlich angeklagt.
Quelle: Reuters
"Wird uns das nicht in einen Kreislauf führen, der das Funktionieren unseres Landes als Demokratie destabilisiert?", fragt einer der konservativen Richter am Obersten Gerichtshof. "Was würde es bedeuten, wenn die mächtigste Person der Welt [...] wüsste, dass keine Strafe für Verbrechen droht?", fragt eine progressive Richterin. Es sind große Fragen, die an diesem Donnerstagmorgen diskutiert werden.
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Bei der Anhörung über die Frage nach der Immunität von US-Präsidenten wird deutlich: Den Richterinnen und Richtern ist die Tragweite einer möglichen Entscheidung bewusst. Und genau das könnte dazu führen, dass sie sie nicht fällen werden. Auf die konkreten Vorwürfe im vorgelegten Fall Donald Trump gegen die Vereinigten Staaten gehen mehrere konservative Richter weniger ein.
Hier handelt es sich um einen Prozess auf Bundesebene. Insgesamt wurden von US-Sonderermittler Jack Smith vier Anklagepunkte erhoben. Die zuständige Richterin in Washington D.C. ist Tanya S. Chutkan. Ursprünglich war der Prozessbeginn Anfang März geplant. Die Frage nach der Immunität hat den Beginn immer weiter verzögert.
Weitere Verzögerung wäre Teilsieg für Trump
Die Entscheidung zur Anhörung wird erst in den kommenden Wochen fallen. Dass der Oberste Gerichtshof die Immunitäts-Theorie von Trumps Anwälten klar ablehnt und damit den Weg für den Prozess freimacht, scheint nach der Anhörung heute die unwahrscheinlichste Variante.
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Als wahrscheinlichste Variante wird in den USA nun gehandelt, dass der Oberste Gerichtshof den Fall wieder an ein unteres Gericht zurückverweist, um weitere Details auszuarbeiten. Das würde den Prozessstart vor der Wahl im November unmöglich machen. Damit hätte der ehemalige Präsident es geschafft, den Prozess um Wahlbetrug und den Sturm auf das Kapitol mit der Frage nach der Immunität noch weiter hinauszuzögern. Die Strategie wäre aufgegangen.
Wahlen und Prozesse: Trumps Terminkalender
ZDFheute Infografik
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Trumps Anwalt: Ermordung von Rivalen könnte Amtshandlung sein
Trumps Anwälte, vertreten durch D. John Sauer, beginnen ihr Argument damit, dass ohne absolute Immunität für ehemalige US-Präsidenten "eine Präsidentschaft, wie wir sie kennen" unmöglich sei. Sauer geht bei einer Nachfrage sogar so weit, dass ein Präsident auch bei dem Mord an einem Rivalen immun sei, wenn es eine Amtshandlung sei und er nicht zuvor vom Kongress angeklagt und verurteilt würde.
Er stellt eine Frage ins Zentrum der Anhörung: Handelte es sich bei den Bemühungen, das Wahlergebnis 2020 zu kippen, um Amtshandlungen oder um private Handlungen von Donald Trump? Für seine Verteidigung ist klar: Er sei als Präsident verpflichtet gewesen zu handeln und könne daher nicht angeklagt werden. Mit dieser Lesart sind sie bisher in allen unteren Gerichten gescheitert. Und Sauer musste vor dem Obersten Gericht zugeben, dass die Hauptvorwürfe eher private Handlungen gewesen sind.
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Staatsanwaltschaft: "Trump ist nicht immun"
Michael Dreeben vertritt vor Gericht die Vereinigten Staaten und macht bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter eins klar:
Präsidenten automatisch und vollumfänglich als immun vor Strafverfolgung zu erklären, verstoße gegen die Verfassung. Absolute Immunität würde Präsidenten auch bei "Bestechung, Verrat, Aufruhr und Mord" immun vor Strafverfolgung machen, würde ihm die Macht eines Königs geben.
Frage nach Glaubwürdigkeit des Supreme Courts
Mehrere Beobachter machen deutlich, dass das Gericht einen schnellen Prozess ermöglichen könnte und vielleicht sogar müsste. Bisher hat es jedoch alle Optionen dazu liegengelassen. Staatsanwalt Jack Smith hatte das Gericht Ende 2023 gebeten, die Frage der Immunität zu klären und wurde abgelehnt. Die Entscheidung zog durch die Instanzen, auch das Berufungsgericht entschied Anfang Februar: Donald Trump besitzt keine Immunität. Die als wasserdicht beschriebene Entscheidung hätte es dem Supreme Court ermöglicht, den Fall abzulehnen und der Prozess hätte begonnen.
Das Gericht hat den Fall angenommen und auch jetzt gäbe es einen Weg, den Prozess nicht weiter zu verzögern: Entweder die unwahrscheinliche klare Ablehnung oder aber eine Entscheidung, die Immunität in Amtshandlungen garantiert, in privaten Handlungen jedoch nicht. Denn bei weiten Teilen der Anklageschrift handelt es sich eher um private Handlungen, wie Trumps Anwalt einräumen musste.
Doch das Gericht scheint genau das zu tun. Für die US-Wahlen im November hieße das, dass die US-Bürgerinnen und -Bürger keine gerichtliche Klarheit über den Wahlbetrug und den Sturm aufs Kapitol hätten. Und sollte er gewinnen, könnte Trump den Prozess beenden oder sich selbst begnadigen.
Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.