Hybride Kriegsführung:Wie Putin den Westen vor sich hertreiben will
von Sebastian Ehm
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Bojen, Seegrenze, Atom-Manöver. Der Kreml sorgte zuletzt mit vielen Nachrichten an Ostgrenzen der Nato für Verunsicherung. Das geschieht nicht zufällig.
Wladimir Putin will westliche Demokratien destabilisieren.
Quelle: epa
Als Wladimir Putin in Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, an die Mikrofone trat, war sein Ziel klar: Dieses Mal wollte er eine unmissverständliche Botschaft senden. Eine Botschaft, gerichtet an die Nato, die gerade eine Diskussion darüber führt, ob man westliche Waffen auch über die Grenzen der Ukraine hinaus, sprich auf russischem Territorium einsetzen solle. Putin wollte eine klare rote Linie ziehen und drohte:
Diese ständige Eskalation kann zu schwerwiegenden Konsequenzen führen.
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Wladimir Putin, russischer Präsident
Der russische Präsident sagte weiter, dass viele Länder in Europa dicht besiedelt seien. Staatsführer, vor allem aus kleineren Ländern, sollten dies bedenken, bevor sie über Schläge tief in russisches Territorium nachdenken würden. Da war er wieder, der Wladimir Putin, der unmissverständlich mit einem Atomschlag droht.
Ist Russlands Schwurbeln taktisch?
Doch so unmissverständlich wie der Präsident in Zentralasien aufgetreten ist, waren die Botschaften aus Russland zuletzt selten. Immer wieder gab das Vorgehen des Kreml Rätsel auf. Da war die Diskussion um eine Verschiebung der Seegrenzen. Kurz war ein Gesetzesentwurf dazu online, bevor er wie von Geisterhand wieder gelöscht wurde. Dann verschwanden am estnischen Grenzfluss Narva plötzlich die Grenzbojen, mutmaßlich entfernt von Russland.
Auch die vom russischen Verteidigungsministerium mit viel Tamtam veröffentlichten Bilder eines Manövers mit Nuklear-Waffen, sorgte für Aufregung. Dass die Sprengköpfe verpixelt waren, warf jedoch die Frage auf, ob der Kreml hier vielleicht nur ein weiteres Verwirrspiel betreibt.
Putin will auch die Wahlen in Westeuropa beeinflussen
Margarete Klein kümmert sich bei der Stiftung Wissenschaft und Politik um Militärfragen und Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt Russland. Für sie kommen die Nachrichten aus Russland wenig überraschend.
Der Kreml spielt mit der Eskalationsangst, damit die westlichen Staaten deeskalieren. Der zeitliche Hintergrund ist auffällig.
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Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik
Zum einen sei da die Diskussion um den Einsatz westlicher Waffen, aber zum anderen hänge die Verschärfung der hybriden Maßnahmen aus Russland auch mit den wichtigen Wahlen zusammen, die im Westen anstehen. Den Auftakt macht die Europawahl am 9. Juni, die Briten wählen Anfang Juli ein neues Parlament, in drei deutschen Bundesländern steht im Herbst ebenfalls ein Urnengang an und der Höhepunkt von Putins Kampagne dürfte die US-Wahl im November sein.
Ob Macron und Scholz in Meseberg oder Selenkyj bei seinem Besuch in Belgien: Die Frage, ob westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden dürfen, erhitzt weiter die Gemüter.29.05.2024 | 2:28 min
Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz passt Putin nicht
Russland versuche, so Margarete Klein, die demokratischen Gesellschaften des Westens zu destabilisieren und die Unterstützung in legitime Regierungen zu schwächen. Damit sollen prorussische oder radikale Kräfte gestärkt werden.
Diese Tendenzen sieht man seit Jahren in fast allen westlichen Ländern.
Das Ziel besteht darin, Angst auszuüben, zu trennen und zu spalten, um auf den politischen Entscheidungsprozess Einfluss nehmen zu können und zwar zugunsten Russlands.
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Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik
Eine weiterer Grund für die zuletzt auffällig angestiegene Anzahl russischer Maßnahmen an den Nato-Außengrenzen ist eine für den Kreml sehr unliebsame Veranstaltung in der Schweiz. Der sogenannte Ukraine-Friedensgipfel.
Will Russland wirklich Verhandlungen mit der Ukraine?
Russland ist dort nicht eingeladen und versucht hinter den Kulissen fieberhaft so viele Länder wie möglich davon zu überzeugen dem Treffen fernzubleiben. Brasilien und Südafrika, die mit Russland im Rahmen der BRICS zusammenarbeiten, haben bereits abgesagt.
Dieser Gipfel soll ja vor allem politische und diplomatische Unterstützung für die Ukraine und für den ukrainischen Plan, den Krieg zu beenden, generieren. Und damit ist er natürlich eine Gefahr für Russland, das genau auf anderen Konditionen zu einem Frieden kommen will, nämlich auf der Kondition des Siegfriedens, dass die Ukraine kapituliert.
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Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik
Über die Nachrichten-Agentur Reuters lancierte der Kreml vergangene Woche auch die Nachricht, dass Putin zu einem Waffenstillstand bereit wäre, wenn der Konflikt jetzt eingefroren würde. Aber Putin sei nicht an einem realen Friedensschluss interessiert , so Klein.
Putin fühle sich "dadurch, dass wir der Ukraine die Möglichkeiten, sich zu verteidigen beschränken, ermutigt mit seinem Krieg fortzufahren", so der stellv. Vorsitzende der Unionsfraktion Johann Wadephul, CDU.29.05.2024 | 4:45 min
Doch er könne mögliche Verhandlungen für eine taktische Pause nutzen, um neues Personal zu rekrutieren. Klein beschreibt das als "Verhandlungen als Instrument, nicht als Ziel."
Putin jetzt in entscheidenden Kriegsphase
Klar ist, Putin ist jetzt in einer entscheidenden Phase des Krieges angelangt. Er hat sich wiederwählen lassen und das Verteidigungsministerium umgebaut. In der Ukraine ist er auf dem Vormarsch, weil der Westen langsam kriegsmüde zu werden scheint und die Ukraine auch deswegen schwächelt.
Mit hybriden Maßnahmen gegen den Westen holt er im Superwahljahr 2024 zu einem gewaltigen Schlag aus. Wie resilient die westlichen Gesellschaften dagegen sind, wird auch für Wladimir Putins Zukunft entscheidend sein.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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